Bürgerkompanie

Aus Norder Stadtgeschichte
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Bürgerkompanie

Basisdaten
Gründung 5. September 1602
Auflösung 31. März 1873
Hauptsitz Wachthaus am Markt

Die Bürgerkompanie (veraltet: Bürgercompagnie; auch: Bürgergarde) war eine paramilitärische Einheit der Stadt Norden. Sie wurde am 5. September 1602 durch Graf Enno III. durch Erlass einer Wachtordnung aufgestellt, um die Stadtgarde bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu unterstützen sowie im Kriegsfalle die Landesverteidigung zu unterstützen. Sie hatte ferner die Nachtwache zu halten und die Kirchtürme mit Hornbläsern zu besetzen, die die Annäherung verdächtiger Fremder melden sollten. Ihre stehende Stärke umfasste zumeist kaum mehr als 30 Mann, bestehend aus einfachen Soldaten, Musketieren und Schützen. Befehligt wurde die Kompanie von einem dem Drosten unmittelbar unterstellten Wachtmeister.[1]

Die Bürgerkompanie darf nicht mit der wesentlich später gegründeten Bürgerwehr verwechselt werden, wenngleich beide oftmals als Bürgergarde bezeichnet werden.

Geschichte

Die Kompanie wurde aufgestellt, als der Landesherr feststellte, dass ein ständig bereites, bewaffnetes Aufgebot, das seit der von Frieden geprägten Regierungszeit von Gräfin Anna faktisch nicht mehr existierte, notwendig war. Die Bewohner verlernten das Kriegshandwerk sowie den Umgang mit Waffen infolge der Auflösung des Heerwesens zusehends und auch das in Kriegszeiten so wichtige Miteinander verfiel. Die Habsburger, die seinerzeit über die benachbarten Niederlanden herrschten und auch die sogenannten Geusen, niederländische Aufständische des Achtzigjährigen Kriegs (1568 bis 1648), die nicht selten der Piraterie nachgingen, bedrohten immer wieder das neutrale Ostfriesland.

Die Grafen vertrauten der Wirksamkeit des Aufgebots nicht, weil sie bei den Einwohnern die Handfertigkeit im Umgang mit Waffen nicht für gegeben hielten. Zum anderen wollten sie aber auch die Macht der Stände durch die Praktizierung der allgemeinen Wehrpflicht nicht stärken. So blieb das Land im wesentlichen ungeschützt, obwohl schon bei Kriegsbeginn im Nachbarland im Jahre 1568, von dem Ostfriesland nicht unmittelbar betroffen war, Bürgerinitiativen gegründet wurden, die die Aufstellung eines Landesaufgebots zum Ziel hatten.[2] Söldnerheere waren teuer und mussten ständig neu aufgestellt werden. Zudem fühlten sich diese nicht einem Herren nur solange verpflichtet, wie er sie bezahlte bzw. bis ein Dritter ihnen ein besseres Angebot machte.

Letztlich hatten die Initiativen Erfolg und in den Folgejahren stellten die Landesherren immer wieder neue Aufgebote auf, jedoch mit eher mäßigem Erfolg und nur mit jeweils einigen tausend Mann. Im Falle der Ämter Friedeburg und Norden ist auffällig, dass die Verpflichtung zum Aufgebot in erster Linie auf Einzüge oder andere Freudenfälle bezogen wird und erst in zweiter Linie auf Heeresfolge in Landesnöten oder sonst erforderlichem Fall. Hingegen waren beispielsweise die Anforderungen an die Aufgebote der anderen Ämter wesentlich stringenter und nannten explizit auch Fälle von Unruhen und Rebellionen, bei denen die Angehörigen des Aufgebots dem Ruf des Landesherren zu folgen hatten.[3]

Notfalls wurde die Bürgerkompanie durch Reservisten aus der Norder Bürgerschaft unterstützt. Zum Dienst war jeder männliche Bürger zwischen 20 und 60 verpflichtet, sofern er körperlich dazu in der Lage war. Er hatte dafür einen Harnisch und ein Gewehr vorzuhalten.[4][5] Spätestens ab 1670 stellte die Bürgerkompanie nur noch die Nachtwache, sodass der militärische Aufgabenteil in der Praxis weitestgehend entfiel.[1] Vielfach nahm die Bürgerkompanie jedoch noch an förmlichen Anlässen teil. 1661 wurde für den bevorstehenden Landtag in Norden die Kompanie zum Schutze der Sicherheit des Landesherren und der Allgemeinheit angefordert. Als der Fürst von Anhalt-Zerbst den ostfriesischen Fürsten 1706 besuchte, paradierten auch die Norder auf Befehl des Fürsten im Gewehr bei der An- und Abreise. Als Dank beschenkte er jede Kompanien mit Bier, Wein und Tabak im Übermaß.[6]

1695 machten Bürgermeister und Stadtrat dem Landesherrn den Vorschlag, die Zahl der Kompanien von zwei auf vier zu verdoppeln und entsprechend neue Chargen einzusetzen, was dieser jedoch schon eine Woche später ablehnte. Die Stadt- und Amtsbeschreibung von Norden vom 26. August 1735 enthält dementsprechend die Regelung von 1614. Für das Norder Amt ist in dieser Zeit von 1683 bis 1690 lediglich von einem Fähnrich für die beiden Vogteien Wester- und Lintelermarsch die Rede.[7] In einem Gesuch vom 2. November 1624 wurden dem Landesherren eine Anzahl von Personen benannt, mit der Bitte sie zu den vorgeschlagenen Offiziersposten zu bestellen und einzusetzen. Der Stadtschreiber entschuldigte, dass die Verwaltung nicht bereits entsprechende Mehrfachvorschläge gemacht hätte, doch verfüge die Stadt zurzeit schlichtweg nicht über geeignete Kandidaten. Um zukünftige Verzögerungen zu vermeiden, ging man dazu über, dass die Kompanien ihre Offiziere mit Zustimmung des Magistrats selber wählten.[8]

Am 31. März 1873 wurde die Bürgerkompanie offiziell aufgelöst. Zuletzt war der Posten des Wachtmeisters ein reiner Selbstzweck geworden, deren Inhaber sich durch rigoroses Eintreiben des Wachgeldes (eine Steuer zum Unterhalt der Truppe) ein persönliches Einkommen erzielen wollten. Das Amt selbst wurde von den Inhabern zu immer höher werdenden Preisen weiterverkauft, sodass das Wachtgeld auch zur Kompensation dieser Ausgaben herzuhalten hatte.[9] Bereits die preußische Regierung hatte kurz nach der Machtübernahme im Jahre 1744 die Organisation der Bürgerkompanien als überflüssig und ohne jede Kriegswichtigkeit erachtet.[10]

Liste der Wachtmeister

In der Zeit von 1602 bis 1806 hat die Bürgerkompanie insgesamt 17 Wachtmeister als Kommandanten gehabt, von denen (bislang) jedoch noch nicht alle namentlich bekannt sind.

Zeitraum Vollständiger Name
??? - vermutlich 1658 Peter Janshen Wertmolen[11]
1670 - 1675 Hans Wilhelm Fronau
1675 - 1714 Hans Caspar Frömel
um 1735 - 1754 Henrich Janshen Cramer
1754 - ??? Jacob Wieden

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 56
  2. Heise, Hans-Michael (1937): Die bewaffneten Ostfriesen in der Grafen- und Fürstenzeit, Aurich, S. 23
  3. Heise, Hans-Michael (1937): Die bewaffneten Ostfriesen in der Grafen- und Fürstenzeit, Aurich, S. 24
  4. Canzler, Gerhard (1989): Handel und Wandel, Norden, S. 54
  5. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 55
  6. Heise, Hans-Michael (1937): Die bewaffneten Ostfriesen in der Grafen- und Fürstenzeit, Aurich, S. 28
  7. Heise, Hans-Michael (1937): Die bewaffneten Ostfriesen in der Grafen- und Fürstenzeit, Aurich, S. 44
  8. Heise, Hans-Michael (1937): Die bewaffneten Ostfriesen in der Grafen- und Fürstenzeit, Aurich, S. 57
  9. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 57
  10. Heise, Hans-Michael (1937): Die bewaffneten Ostfriesen in der Grafen- und Fürstenzeit, Aurich, S. 25f.
  11. Genealogische Aufzeichnung zu Peter Janshen Wertmolen, abgerufen am 15. August 2021

Siehe auch