Bahnstrecke Rheine-Norddeich Mole

Aus Norder Stadtgeschichte
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Der erste Fahrplan für die Ostfriesische Küstenbahn.

Die Bahnstrecke Rheine-Norddeich Mole ist die einzige noch für den öffentlichen Personenverkehr genutzte Eisenbahnanbindung von und nach Norden. Sie beginnt in Rheine (Nordrhein-Westfalen) und endet am Bahnhof Norddeich-Mole, für gewöhnlich verkehren die Züge in direkter Fahrt jedoch von und nach Hannover.

Während Emden schon seit 1856 an das königlich-hannoversche Eisenbahnnetz angeschlossen war, folgt Norden erst viel später. Erst 1883 kam es unter preußischer Herrschaft zu einem Ausbau der Bahntrasse hierhin, gleichzeitig erhielt die Stadt damit einen eigenen Bahnhof, der jedoch eigentlich in der damals selbständigen Gemeinde Süderneuland I an der zu Chaussee ausgebauten Bahnhofstraße lag. Norden in seinen historisch sehr engen Grenzen hatte vor der Eingemeindung Süderneulands und Lintelermarschs strenggenommen keinen eigenen Bahnhof, obwohl der Bahnhof in Süderneuland I den Namen Norden trug. 1892 wurde die Strecke schließlich um einige Kilometer von Norden nach Norddeich erweitert, was den Kurgästen auf ihrem Weg nach Norderney und Juist den umständlichen und zeitaufwendigen Weg mit der Kutsche vom Bahnhof Norden durch die Stadt nach Norddeich ersparte. Es wurde ein enormer Aufwand betrieben, um die Eisenbahn über große Anfahrtsrampen über den Hauptdeich hinweg auf die hierfür neu erbaute Mole mitten im Wattenmeer führen zu können.

Die Teilstrecke Emden - Norden wurde zu damaliger Zeit als (Ostfriesische) Küstenbahn bezeichnet. Diese Bezeichnung wird heute jedoch in der Regel nur noch für den von der Museumseisenbahn betriebenen, nicht mehr öffentlichen Teil der Strecke zwischen Norden und Dornum genutzt, an dessen Verlauf sich auch die heutige Hager bzw. Lütetsburger Ortsumgehung mit Namen Küstenbahnstraße anlehnt.

Geschichte

Im Jahre 1835 fährt der erste Eisenbahnzug Deutschlands zwischen Nürnberg und Fürth.[1] Ostfriesland wurde jedoch erst vergleichsweise spät an das nationale Eisenbahnnetz angeschlossen. Dies war vor allem seiner eher geringen Bedeutung im Königreich Hannover geschuldet. Zwar wurde die Region unter preußischer Zeit sehr gefördert, doch gab es damals noch keine Eisenbahn. Die hannoversche Regierung sah sich lange Zeit außer Stande, die für den Bau erforderlichen Geldmittel aufzubringen.[1] Nach jahrelangen Verhandlungen und Verzögerungen wurde die sogenannte Westbahn von Rheine nach Emden schließlich im Jahre 1856 eingeweiht.[2] Auch Norden bat bereits seit 1846 um einen Anschluss. Namhafte Persönlichkeiten wie Jan ten Doornkaat Koolman II. setzten sich dafür ein. Das Norder Stadtblatt kommentierte das (vorläufige) Ende des Bahnnetzes in Emden wie folgt: "Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob es nicht für die Bahn selbst vorteilhafter gewesen sein würde, wenn sie, statt in Emden aufzuhören, gleich weiter nach Norden geführt worden wäre." [1]

Durch die preußische Annektion des Königreichs Hannover und damit auch Ostfrieslands im Jahre 1866 kommen die Baupläne vorerst ins Stocken.[1] Die Handelskammern Emden und Norden wählen daher im September 1867 ein Komité für die Weiterführung der Westbahn nach über Norden nach Sande, welches die Baukosten durch Erfahrungen mit dem Bau ähnlicher Strecken auf 3.757.000 Thaler schätzte. Bereits damals dienen die nach Norderney Reisenden als Argumentationshilfe: Preußens einziges Seebad könne „nur dann den ihm gebührenden Platz einnehmen, wenn eine Bahn den Fremdenverkehr erleichert, dann aber auch unendlich prosperiren.“, schrieb der Ostfriesische Kurier im September 1867. Zwei Jahre später wurde für die Strecke Emden - Norden sodann eine ausführliche Kostenberechnung aufgestellt, die auf Baukosten in Höhe von 825.000 Reichsthalern kommt. Die bereits während der Planung als Ostfriesische Küstenbahn bezeichnete Strecke soll gemäß Planung von Emden über Norden und Wittmund bis zur Haltestelle Vereinigung an der Grenze zum Friesland verlaufen. Dort würde sich dann der oldenburgische Streckenteil nach Jever und weiter nach Sande anschließen, der bereits am 15. Oktober 1871 eröffnet wurde.[3] Norden käme damit die Rolle eines zentralen Knotenpunktes zwischen der Westbahn und der Ostfriesischen Küstenbahn zu.

Nach langen Verhandlungen wird am 4. Mai 1872 endlich die Konzession zur Weiterführung der Bahntrasse von Emden über Norden - Dornum - Esens - Wittmund nach Jever erteilt und ein staatlicher Zuschuss zugesagt. Zwei Wochen später sind die Vermessungen bereits in vollem Gange, doch aus nicht näher nachvollziehbaren Gründen kommen die Planungen nicht über die Vermessungen hinaus.[1] Die Gründe sind wahrscheinlich finanzieller Natur, der Deutsch-französische Krieg 1870/1871 dürfte die preußische Staatskasse nicht unerheblich belastet haben.

Eine Dampflokomotive auf der Bahnstrecke Rheine-Norddeich Mole mit der Ölmühle im Hintergrund (undatierte Aufnahme, evtl. um 1975).

Weil auch weitere Versuche einer staatlichen Finanzierung scheitern, erwägt die Stadt Norden, die Bahntrasse auf eigene Kosten zu errichten. Damals wie heute ein unglaublich kostspieliges Unterfangen, das jedoch ein weiterer Beweis des einstigen Wohlstands der Stadt ist. Wahrscheinlich beeindruckt durch den energischen Einsatz der Ostfriesen ordnet der Preußische Staatsminister für öffentliche Bauvorhaben eine Vor-Ort-Besichtigung an. Im November 1879 wird nun endlich die feste Zusage des Baus erteilt. Der Minister entscheidet, dass der Streckenverlauf (wie heute) von Emden über Georgsheil bis nach Norden und von dort weiter über die Dörfer, Esens, Wittmund und bis nach Jever verlaufen soll. Graf Edzard zu Innhausen und Knyphausen hatte - allerdings mehr oder weniger alleine - für einen Streckenverlauf von Emden über Hinte, durch die Krummhörn nach Wirdum, Marienhafe und weiter nach Norden sowie von dort über Hage, Dornum, Esens bis nach Wittmund plädiert.[1] Die Krummhörn wird jedoch einige Zeit später über eine Nebenbahn mit Emden (allerdings nicht mit Norden) verbunden, die im Volksmund Jan Klein genannt wurde.

Am 22. Januar 1882 beginnen die Bauarbeiten und ziehen die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Die meisten Grundstückseigentümer erklären sich rasch bereit, die für den Bahnverlauf erforderlichen Gebiete an die Preußische Staatseisenbahn zu veräußern, sodass der Bau zügig vorankommt. Bei den wenigen Streitigkeiten mit Grundstückseigentümer kann der Amtshauptmann vermitteln. Zunächst wurde die Strecke der Ostfriesischen Küstenbahn errichtet, am 22. Februar 1883 treffen erstmals 40 Herrschaften aus Oldenburg in Norden ein, dinieren im Deutschen Haus und fahren gegen 16:00 Uhr zurück. Am 23. April des Jahres wird die Bahnstrecke von Norden in Richtung Emden, kurz darauf auch die Strecke von Georgsheil nach Aurich fertiggestellt.[1] Zunächst verläuft die nach Norden verlaufende Strecke noch östlich der Bundesstraße.

Am 18. Mai 1883 ereignete sich in nahe des Bahnhofs in Nadörst dann auch der wohl erste tödliche Bahnunfall Ostfrieslands, wenngleich die Bahn an sich nur mittelbar beteiligt war. Die Pferde eines Kutschers scheuten vor einer herannahenden Lokomotive auf, sodass diese den Schirrmeister Sulzberg aus Leezdorf niedertrampelten und tödlich verletzten.[1][4] Am 15. Juni des Jahres wird die Strecke ungeachtet dessen feierlich in Betrieb genommen und zunächst als Nebenbahn betrieben bzw. klassifiziert, was nur eine mäßige Geschwindigkeit von 20, später 30 km/h zuließ.[1] Wegen der mit der Lage an der Straße verbundenen Beschränkung der Geschwindigkeit entstand ab 1903 eine weiter westlich gelegene Trasse, die zum 1. August 1906 als Hauptbahn freigegeben wurde.[3][5] Die östliche Trasse wird abgebaut. 1885 wird der Bahnhof Norden fertiggestellt.[5]

Schon kurz nach der Eröffnung der Bahn wird festgestellt, dass zwar viele Menschen (rund 10.000 jedes Jahr) mit dem Zug nach Norden reisen und von dort weiter zur Fähre nach Norderney möchten, doch müssen diese im Bahnhof Norden aussteigen, warten und aufwendig mit Kutschen zum Fähranleger transportiert werden. Der Ruf nach einer Erweiterung der Strecke gen Mole Norddeich wird immer lauter. Tatsächlich wird 1892 die Strecke bis zum Bahnhof Norddeich und 1895 schließlich bis zum Bahnhof Norddeich-Mole verlängert.[1] Die offizielle Eröffnung der Strecke wurde dabei am 15. Juni 1892 groß gefeiert.[6]

Am 9. Oktober 1940 beschädigt eine britische Fliegerbombe die Bahngleise zwischen Hinte und Norden, sodass der Zugverkehr zeitweise zum Erliegen kam.[7]

Zum 27. September 1980 wird die Strecke nicht mehr mit Dampflokomotiven befahren, sondern vollständig elektrifiziert betrieben.[8] Zum 29. Mai 1983 wurde die Bahnstrecke der Ostfriesischen Küstenbahn nicht mehr für den Personenverkehr bedient. Nachdem auch der Güterverkehr wenig später eingestellt wurde, wurden die Gleise zwischen Dornum und Esens abgebaut.[1] Die verbliebene Trasse kann durch den am 25. Februar 1987 gegründeten Verein Museumseisenbahn Küstenbahn Ostfriesland e.V. vor der Demontage bewahrt werden. Bis heute verkehrt hier die sogenannte Museumseisenbahn.

Trivia

Die Bahnstrecke Rheine-Norddeich Mole war die letzte Strecke der damaligen Deutschen Bundesbahn, auf welcher planmäßig Dampflokomotiven eingesetzt wurden. Bis 1975 wurden die Schnellzüge von Loks der Baureihe 012 befördert; diese Leistungen gingen über an Dieselloks der Baureihe 220. Im Güterverkehr wurden die Baureihen 042 und 044 (später, nach Umbau auf Ölfeuerung, 043) noch bis Herbst 1977 eingesetzt. Unter Eisenbahnfreunden besonders bekannt sind dabei die Einsätze vor den Langer Heinrich genannten schweren Erzzügen von Emden ins Ruhrgebiet. Im September 1977 gingen auch diese Zugleistungen an Diesellokomotiven über, die Dampfloks wurden im folgenden Monat noch gelegentlich eingesetzt, zuletzt mit Sonderzügen wie den Abschiedsfahrten am 23. Oktober 1977, bei denen zwei Loks noch einmal die gesamte Strecke von Rheine bis Emden befuhren. Drei Tage später, am 26. Oktober 1977, wurden zwei der verbliebenen Loks das letzte Mal eingesetzt und abends endgültig abgestellt.[9]

Wenige Tage später erließ die Deutsche Bundesbahn das sogenannte Dampflokverbot, welches besagte, dass auf dem Streckennetz der DB keine Dampfloks mehr eingesetzt werden durften. Erst acht Jahre später wurde dieses Verbot - zum Beispiel für den Betrieb von Museumsbahnen - gelockert. Die letzte außer Dienst gestellte Dampflok der Deutschen Bundesbahn, 043 196-5, wurde 1978 vor dem Bahnhof von Salzbergen als Denkmal aufgestellt. Benachbart sind weitere Exponate aus der Zeit des Dampfbetriebs vorhanden. Eine weitere Denkmallok befindet sich auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs Emden.

Einzelnachweise

  1. 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 Daten zur Eisenbahnverbindung nach Norden / Norddeich und Sande, abgerufen am 1. Juni 2021
  2. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 88
  3. 3,0 3,1 Geschichte der Westbahn, abgerufen am 1. Juni 2021
  4. Bericht des Ostfriesischen Kurier vom 19. Mai 1883
  5. 5,0 5,1 Gerdes, Ute (2018): 200 Jahre Orsteil Nadörst (Online-Veröffentlichung)
  6. Ostfriesischer Kurier (1999): Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart (Sonderdruck), Norden, S. 5
  7. Beschreibung von Norden in der historischen Ortsdatenbank der Ostfriesischen Landschaft
  8. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 92
  9. In Emden steht ein Stück Bahngeschichte, abgerufen am 2. Juni 2021

Siehe auch