Hausnummerierung

Aus Norder Stadtgeschichte
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Eine Hausnummerierung gab es über Jahrhunderte hinweg in vielen deutschen Städten nicht oder nur teilweise. Auch in Norden gibt es sie in ihrer heutigen Form erst seit 1904.

Geschichte

Bis zum Aufkommen der Hausnummerierung orientierte man sich in den deutschen Städten anhand von örtlichen Gegebenheiten, wie etwa Gebäuden. Die Einwohner wussten, wer wo wohnte und außerdem konnten die meisten weder lesen noch schreiben. Aus diesem Umstand heraus entstanden jedoch auch die ersten Straßennamen. Die Kirchstraße führte zur Kirche, die Sielstraße zum Siel, an der Mühlenstraße befand sich eine Mühle. Auch Himmelsrichtungen dienten als Anhaltspunkte: Die Westerstraße führte gen Westen, die Osterstraße gen Osten, die Norderstraße gen Norden. Recht früh kamen auch Betriebe oder Namen von Anwohnern hinzu, so etwa im Falle der Pottbackerslohne oder der Bührmannslohne, die in Norden so bekannt waren, dass sich jedermann gut orientieren konnte.

Auf dem Land dienten vor allem die großen Höfe als Orientierung. Sie wurden manchmal nach den Besitzer benannt (Hof Petersbörg, Hof Honnewarf, ...), öfter aber erhielten sie Fantasienamen, die sich manchmal auf Tiere (Hof Ülkebült, Hof Uhlenwarf, ...), manchmal aber auch auf allgemeine Gegebenheiten bezogen, wie etwa auf den eigenen Wohlstand des Hofs und seiner Besitzer (Hof Breepott) oder ihre Nutzung (Hof Buschhaus).

Eine nicht unwesentliche, wenngleich auf den ersten Blick eher kleine Neuerung, war die Einführung einer festen Hausnummerierung durch die Einführung von Grund- und Hypothekenbüchern durch eine königlich-preußische Verordnung vom 26. April 1751. Anders als heute waren die Häuser jedoch nicht nach einzelnen Straßen durchnummeriert, sondern der Reihe nach, beginnend Am Markt, Ecke Mühlenstraße. Das Gebäude Am Markt 1 hat somit damals wie heute die Nummer 1. Von hier aus lief die Nummerierung weiter zur Osterstraße und begann dort mit dem Gasthof Jerusalem als Nummer 9. Von dort ging es weiter die Nordseite der Osterstraße hinauf bis zur Eisenhütte, dann auf der südlichen Osterstraße zurück zum Neuen Weg, der mit der Hausnummer 60 beim Spykerboor begann (siehe auch: Liste der Häuser am Neuen Weg). Von hier verfuhr man weiter den östlichen Neuen Weg herunter, dann nach Osten in die Brückstraße bis zu ihrem Ende, von dort auf der anderen Straßenseite zurück bis in die Dammstraße, wo es sinngemäß weiterlief und schließlich zurück zum Neuen Weg. Diesem folgte man dann auf der Westseite zurück bis zur südlichen Straßenseite der Osterstraße, wo man mit den weiteren Straßen sinngemäß gleich verfuhr.[1][2] Entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu den einzelnen Kluften erhielten die Häuser ihre jeweiligen Anschriften. Das Mittelhaus beispielsweise, das heute die Anschrift Neuer Weg 11 trägt, hatte einst die Anschrift Osterkluft, 4. Rott, Nr. 70, das Schöninghsche Haus wurde unter Osterkluft, 1. Rott, Nr. 13 geführt.

Neubauten wurden mit Buchstaben hinterlegt, was die allgemeine Orientierung in der Stadt sicherlich zunächst insgesamt erleichterte, doch spätestens der wirtschaftliche Aufschwung in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts brachte das Ordnungssystem an seine Grenzen. Beispielsweise hatten in der Rosenthallohne neun Häuser eine Hausnummer, die die Buchstaben mit den a bis h zugewiesen bekamen. So wurden die Hausnummern hin und wieder neu vergeben. Eine Sonderrolle nahm der Burggraben ein, der erst Mitte des 19. Jahrhunderts überhaupt in die Nummerierung einbezogen wurde und bis dahin auch keiner Kluft zugeordnet war.[3]

Erst 1904 wurden Straßen weitestgehend nach heutigem Muster benannt und die Häuser dort entsprechend einzeln nummeriert.[1] Jedoch gab es vereinzelt auch noch bis 1966 eine gewisse Unordnung, sodass es zu einer Neuordnung der Straßen und ihrer Hausnummern kam. Auch wurden die bis dahin existierenden Abschnitte Kolkbrücker Weg, Kleine Osterstraße und Große Osterstraße zur Osterstraße zusammengefasst, ebenso verfuhr man bei der Großen und Kleinen Westerstraße.

Heute werden neue Straßen in Norden in erster Linie nach Personen (Bürgermeister, Künstler, Musiker, ...) und Flurnamen (Hoog Ses, Wirde Landen, Auf dem Lehmstück, ...) benannt. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging man schließlich auch dazu rüber, mehrere Straßen einer neuen Siedlung sinngemäß zu informellen Vierteln zusammenzufassen, was die Orientierung vereinfachte. Kannte man beispielsweise die Bürgermeister-Donner-Straße, konnte man bereits erahnen, dass sich die Bürgermeister-Dr.-Schöneberg-Straße wohl nicht weit davon entfernt befindet. So entstanden alltagsgebräuchliche Bezeichnungen wie Bürgermeisterviertel oder Komponistenviertel. Dennoch kommt es, insbesondere bedingt durch die Eingemeindungen vor, dass sich gleichklingende Straßen nicht in der selben Gegend befinden. So befindet sich beispielsweise die Bürgermeister-Balssen-Straße als einzige Bürgermeisterstraße in Norddeich und damit weitab von den anderen, in Vierzig Diemat befindlichen. Weitere Beispiele sind die Große Mühlenstraße, die sich mehrere Kilometer vom Mühlenweg entfernt befindet, oder auch die Molkereilohne nahe der Westerstraße und die Molkereistraße nahe des Bahnhofs.

Sonderfall Süderneuland

In Süderneuland II gilt teilweise immer noch ein historisches Nummerierungssystem, worauf die diffus wirkende Nummerierung entlang der Bundesstraße in Nadörst und Altendeich hinweist. Die Häuser dort sind nicht aufsteigend nummeriert, sondern entsprechend des Zeitpunktes der Bebauung der Grundstücke. Das erste Haus einer Siedlung trug nach diesem System die Hausnummer 1, ebenso alle folgenden Häuser auf diesem Grundstück. Das zweite Haus und Grundstück die Nummer 2 und so weiter. Diesen Umstand findet man in Deutschland heute nur noch sehr selten, so etwa auf Baltrum. In Norden hat sich dieses alte Nummernsystem neben der Bundesstraße auch noch am Verschönerungsweg und am Leegelandweg erhalten, die ebenfalls zu Süderneuland II gehören. Auch in Süderneuland I, dort jedoch nur in der Straße Zum Galgentief, findet dieses System noch Anwendung.

Bis 2003 wurde nach alter Art auch noch in den anderen Straßen von Nadörst und Altendeich nummeriert. In diesem Jahr wurde der Südring gebaut, im gleichen Zug erhielten die Orte einen Anschluss an die Kanalisation und ihre heutige Nummerierung. Beispielsweise hatte das seitdem unter den Leegemoorweg 1 fallende Schrankenwärterhaus von Nadörst bis zur Neunummerierung noch die Anschrift Bahnhofsweg 79.[4]

Das alte Nummerierungssystem liefert heute noch wertvolle Hinweise darauf, wann welche Grundstücke bebaut wurden. Dadurch lässt sich die Besiedlung des Ortes besser nachvollziehen.

Sonderfall Tidofeld

Eine weitere Besonderheit war die Nummerierung im Vertriebenenlager Tidofeld. Das Lager unterteilte sich in die Bereiche Lager 1 (ehemals Schiffsstammabteilung) und Lager 2 (ehemals Marine-Ersatzabteilung). Die Gebäude innerhalb der einzelnen Lager wurden aufsteigend nummeriert. Diese waren dadurch postalisch zu erreichen. Die Lagerkirche hatte beispielsweise die Anschrift Tidofeld I/2, befand sich also im Lager 1, zweite Baracke.

Straßen mit Buchstaben

Die ersten Straßen, die Ende der 1940er, Anfang der 1950er Jahre entstanden, hatten noch keinen verbindlichen Namen, sondern wurden zunächst mit Plannamen versehen, an deren Anfang lediglich ein Buchstabe gefolgt von -Straße folgte. Es gab somit bis 1950/51 folgende Straßen, die erst nachfolgend einen richtigen Namen bekamen.

A-Straße: Lantziusstraße

B-Straße: Attenastraße

C-Straße: Breslauer Straße

D-Straße: Königsberger Straße

E-Straße: Memeler Straße

F-Straße: Liegnitzer Straße

G-Straße: Danziger Straße

H-Straße: Schweidnitzer Straße

I-Straße: Stettiner Straße

K-Straße: Försterpfad (zunächst Prielstraße)

L-Straße: Schützenstraße

O-Straße: Wiesenweg

X-Straße: Wester Riege

Y-Straße: Kleine Riege

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 94
  2. Cremer, Ufke (1938): Kontrollverzeichnis der Stadt Norden von 1812, Norden, S. 1
  3. Cremer, Ufke (1938): Die Hausnummern Nordens im Jahre 1812, Norden, S. 1
  4. Zeitzeugenbefragung am 6. Oktober 2021

Siehe auch