Stadt Norden

Aus Norder Stadtgeschichte
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Stadt Norden

Höhe 7 m ü. NN
Fläche 106,33 km²
Einwohner 25.744 (31.12.2021)
Gründung 1277 (formell)

9. Jhdt. (faktisch)

Bevölkerungsdichte 241 Einwohner/km²

Die Stadt Norden ist die nordwestlichste auf dem deutschen Festland. Sie hat 25.744 Einwohner (Stand: 31. Dezember 2021), die sich auf einer Fläche von rund 106,33 km² verteilen. Gemessen an der Einwohnerzahl ist sie nach Emden, Aurich und Leer die viertgrößte Stadt Ostfrieslands und kann auf eine hochinteressante, wechselhafte Geschichte zurückbringen. Erstmals urkundlich erwähnt wird die Stadt im Norder Vertrag aus dem Jahre 1255. Fälschlicherweise wird dieses oftmals als das Gründungsjahr angesehen, Belege für eine wesentlich frühere Existenz der Stadt reichen weit voraus. Das formelle Stadtrecht wurde Norden allerdings erst 1277 verliehen. Seit dem 1. Juli 1972 existiert die Stadt schließlich in ihrer heutigen Gliederung, nachdem die bis dahin überwiegend eigenständigen Norder Umlandgemeinden in die Stadt eingemeindet wurden.

In der absoluten Mehrzahl sind sich Heimatforscher und Wissenschaftler einig, dass die Entstehungsgeschichte der Stadt Norden untrennbar mit der Sandbauerschaft verbunden ist. Demnach wurden zunächst die Ränder der Geest besiedelt, von denen aus die umliegenden Marschgebiete besiedelt wurden. Um ihre wirtschaftlichen Interessen und Kräfte zu konzentrieren, schlossen sich die Bauern zu Bauerschaften (Gemeinsiedlungen mehrerer Höfe) wie Ekel und Westgaste und schließlich zu einer Gesamtbauerschaft zusammen: Die Bauerschaft auf dem Sand; die Sandbauerschaft. Die Edelleute unter ihnen siedelten sich später planmäßig in der Mitte der Bauerschaften - an der Oster- und Westerstraße - an, um hier als Ende des Heer- und Handelswegs zu fungieren und zu handeln. Ihre bisherigen Siedlungen am Geestrand wurden zu Außenhöfe, die sie zum Schutz des Gemeinwesens und ihrer selbst befestigten und zu Wehrhäusern ausbauen ließen. Durch den zunehmend blühenden Handel legten die Herrschenden den großflächigen Marktplatz an, um den dominierenden Viehhandel noch weiter zu stärken. Dadurch entstand aus sich heraus ein stadtähnliches Gebilde, das sich durch Macht- und Eigentumsverschiebungen immer weiter von der Sandbauerschaft löste und schließlich eigenständig wurde.

Seit Anfang an waren Stadt und Umland aufgrund der geografisch günstigen Lage und der äußerst fruchtbaren Böden ein begehrtes Ziel verschiedener Mächte. Waren es zunächst Friesen, Chauken und Sachsen, die das Land dominierten, versuchten schon im frühen Mittelalter auch Stämme der Wikinger, die Kirche und die Franken unter Karl dem Großen ihren Einfluss auf das Norderland auszudehnen. Letztlich setzten sich die Friesen durch und lebten über Jahrhunderte in relativem Frieden sowie weitestgehender Autonomie (Friesische Freiheit), nach der sie, anders als der Großteil des feudalistischen Europas, keinen anderen Herrn als den Kaiser über sich zu dulden hatten. Mehrere Naturkatastrophen führten im 14. Jahrhundert jedoch zum Niedergang dieser relativen Gleichheit und dem Aufkommen eines faktischen Adels, den Ostfriesischen Häuptlingen, von denen sich letztlich die Cirksena durchsetzen konnten und die das Land bis zur preußischen Annexion im Jahre 1744 unter Friedrich dem Großen beherrschten.

Die Region um Norden ist seit jeher vor allem durch die Landwirtschaft geprägt. Besonders im 19. und 20. Jahrhundert befanden sich hier jedoch auch eine Reihe bedeutender Industriebetriebe, von denen die Firma Doornkaat die bedeutendste war und die die Stadt über fast zwei Jahrhunderte maßgeblich prägte. Aber auch ein großes Stahlwerk, die Eisenhütte sowie die Tabakmanufaktur Steinbömer & Lubinus und die vielen kleineren Betriebe waren nicht weniger entscheidend für die Entwicklung der Stadt. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde schließlich der Fremdenverkehr zum bis heute bedeutendsten Wirtschaftszweig.

Namensherkunft

Es herrscht Uneinigkeit darüber, woher die Stadt Norden ihren Namen erhalten hat. Allgemeiner Konsens ist, dass sich der Name primär auf die nördliche Lage der Stadt bezieht und sie so zu ihrem Namen gekommen ist. Der älteste Beleg ist Nordedi (787, jedoch in fehlerhafter Abschrift). Um 860 wird die Gegend Nordwidu (Norder Wald), später Nordwiede und Nordwicum sowie lateinisch Oppidum Norda und Urbem Nordanam genannt. Grundlage des Ortsnamens ist das altsächsische norð bzw. altfriesische north (Norden).[1] Möglicherweise ist auch das 1124 in einer Urkunde genannte Nertin auf Norden zu beziehen. Die heutige Schreibweise Norden ist in jedem Fall seit dem Jahre 1409 nachweisbar.[2] Weitere Quellen berichten davon, dass die Stadt einst den Namen Nordensis, Noerdenhoeve oder Nordenhave trug.[3]

Sicher ist, dass sich der Stadtname nicht vom mittelalterlichen Gau Nordendi ableitet, der auch als Örtlichkeit in den Zusammenhang mit der Schlacht von Nordendi genannt wird.[2] Die Schlacht war ein wichtiger Sieg der Friesen über die plündernden, die hiesigen Gewässer heimsuchenden Wikinger und wurde zum Gründungsmythos der Theelacht als erster genossenschaftlicher Zusammenschluss der Welt.

Gerrit van Norden berichtete in den Norder Annalen für das Jahr 1314, dass Norden in alter Zeit Morstatia genannt wurde.[4] Dies ist jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach eine Fehlinterpretation einer Benennung des Bistums Bremen, die den Bereich um Norden auch Nordi atque Morseti (Norden und Moorgebiet) nannte, wobei mit Morseti vermutlich das früher von Sümpfen dominierte Auricherland gemeint war.[5]

Wappen

Das Wappen der Idzinga wurde in das Stadtwappen aufgenommen.

Das Norder Stadtwappen zeigt auf einem blauen Schild drei goldene sechsstrahlige Sporenräder im Verhältnis 2 (oben) zu 1 (unten), Oberwappen mit Laubkrone auf dem Schild und als Schildhalter die bemäntelte Figur des heiligen Andreas. Im Wesentlichen geht das Wappen auf das älteste, bekannte Stadtsiegel aus dem Jahre 1498 zurück und wurde in den nachfolgenden Jahrhunderten eher marginal geändert.

Die Sporenräder sind dem Wappen der bis in das 15. Jahrhundert in Norden vorherrschenden Häuptlingsfamilie Idzinga entnommen. Blau und gelb sind die Stadtfarben von Norden. Sie verdeutlichen den Wohlstand und die Lage am Meer. Der Heilige Andreas ist der Schutzpatron der Stadt. Ihm war die alles überragende Andreaskirche in der Stadtmitte geweiht, an deren Fuße die Ludgerikirche als Kirche der Norder Umlandgemeinden errichtet wurde.

Bevölkerungsentwicklung

Anmerkung: Die hier vorliegenden Daten beziehen sich jeweils auf die heute geltenden Grenzen. Daher werden bereits beispielsweise vor der Kommunalreform 1972 die Einwohnerzahlen der ab dann zu Norden gehörenden Stadtteile in den nachfolgenden Tabellen mitgerechnet. Ab 1919 werden auch die Einwohner der im gleichen Jahr eingemeindeten Bewohner der Sandbauerschaft mit einberechnet.

Jahr Einwohner
1719 852
1780 3.042
1791 3.052
1798 3.663
1793 3.140
Jahr Einwohner
1804 3.532
1811 4.760 *0
1815 5.065
1821 5.251
1822 5.369
Jahr Einwohner
1826 5.757
1829 5.727 *1
1848 7.096
1861 6.199
1864 6.096 *2
Jahr Einwohner
1867 5.975
1871 6.070 *3
1875 6.133 *4
1880 6.619
1885 6.879 *5
Jahr Einwohner
1890 6.704 *6
1895 6.794 *7
1905 6.717 *8
1910 6.855 *9
1919 10.245
Jahr Einwohner
1925 11.025 *10
1926 12.045 *11
1933 12.150
1939 12.338 *12
1945 12.226 *13
Jahr Einwohner
1946 16.961
1950 18.124
1954 17.785 *14
1955 17.329
1956 16.474
Jahr Einwohner
1961 16.144
1963 17.562
1968 23.069
1969 23.173
1970 24.037
Jahr Einwohner
1971 24.177
1972 24.170
1973 24.132
1974 24.149
1975 24.202
Jahr Einwohner
1976 24.266
1977 24.334
1978 24.379
1979 24.299
1980 24.384
Jahr Einwohner
1981 24.336
1982 24.271
1983 24.246
1984 24.069
1985 23.772
Jahr Einwohner
1986 23.553
1987 23.960
1988 23.655
1989 23.630
1990 23.815
Jahr Einwohner
1991 24.040
1992 24.141
1993 24.131
1994 24.274
1995 24.328
Jahr Einwohner
1996 24.486
1997 24.683
1998 24.838
1999 24.931
2000 24.957
Jahr Einwohner
2001 24.845
2002 24.786
2003 24.943
2004 25.122
2005 25.122
Jahr Einwohner
2006 25.147
2007 25.280
2008 25.099
2009 25.044
2010 25.116
Jahr Einwohner
2011 25.010
2012 24.873
2013 24.887
2014 24.895
2015 25.117
Jahr Einwohner
2016 25.195
2017 25.056
2018 25.060
2019 24.873
2020 25.614
Jahr Einwohner
2021 25.744
2022
2023
2024
2025

Bemerkenswert ist die langfristige, relative Homogenität der Bevölkerung. Nach den Adressbüchern von 1663 bis 1918 bestehen jedoch gut 4.800 Eintragungen zur Einwanderung. Die meisten Zugezogenen kamen aus deutschen Staaten, zumeist nördlich, jedoch auch vereinzelt aus südlicheren Gebieten, besonders Münster. Weitere Zuwanderung gab es insbesondere aus den Niederlanden, jedoch auch aus England, Frankreich, Skandinavien, der Schweiz und sogar Italien.

In früheren Jahren war es in Ostfriesland und Norden sowie allgemein auf dem Lande üblich, dass neben dem Wohnhaus auch Landwirtschaft in kleinerem Umfang zur Selbstversorgung auf dem eigenen Grundstück betrieben wurde. Dies erklärt die relative Größe vieler alter Norder Grundstücke. Wie umfangreich im (alten) Norder Stadtgebiet auch Viehhaltung betrieben wurde, geht aus Aufzeichnungen aus den 1840er Jahren hervor, nach denen von den insgesamt 837 Wohnhäusern in der Stadt 60 über ein eigenes Ackerland verfügten.[6] 1811 betrug die Anzahl der Wohnhäuser noch 730. In diesen wurde 900 Haushalte geführt.[7] 1791 gab es 675 Häuser.[8]

*0 2.267 Männer und 2.493 Frauen (weitere Zahlen: 890 Ehepaare, 83 Witwer, 216 Witwen, 1.294 Jungen und 1.307 Mädchen; 4.054 Lutheraner, 232 Juden, 206 Reformierte, 174 Mennoniten, 55 Katholiken, 39 Herrnhuter

*1 darunter 219 Juden[9]

*2 darunter 5.018 Lutheraner, 419 Reformierte, 151 Katholiken, 192 sonstige Christen und 316 Juden

*3 darunter 309 Juden[10]

*4 darunter 291 Juden[10]

*5 darunter 253 Juden[10]

*6 darunter 257 Juden[10]

*7 darunter 203 Katholiken und 252 Juden[11][10]

*8 darunter 286 Juden

*9 darunter 296 Juden[10]

*10 darunter 231 Juden[10]

*11 darunter 321 Juden[10]

*12 darunter 79 Juden[10]

*13 nicht eindeutig verifizierbar

*14 darunter 4.071 Flüchtlinge und Vertriebene

Geografie

Norden ist die nordwestliche Stadt auf dem deutschen Festland und erstreckt sich auf etwa 106,33 Quadratkilometer. Seewärts wird die Stadt von einer gut 27,3 Kilometer langen Deichlinie, die hauptsächlich aus dem Westermarscher Seedeich besteht, begrenzt. Die größte Nord-Süd-Ausdehnung beträgt rund 21 Kilometer, die größte Ost-West-Ausdehnung ca. 13 Kilometer. Die höchste Erhebung Nordens, der Alte Friedhof liegt auf 9,7 Meter über Normalnull, im Mittel liegt Norden etwa 7 Meter über Normalnull.[12] Der Küste vorgelagert sind die Inseln (von Ost nach West) Norderney, Juist und Memmert. Zwischen der Küstenlinie und den Inseln befindet sich das Wattenmeer, das als Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer unter Naturschutz steht und im Juni 2009 gemeinsam mit dem schleswig-holsteinischen und dem niederländischen Teil des Wattenmeers von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde.[13] Südwestlich der Stadt liegt die Leybucht, die für die Entwicklung der Stadt von maßgeblicher Bedeutung war.

Nachbargemeinden auf dem Festland sind (im Uhrzeigersinn von Ost nach Südwest) die Gemeinden Hagermarsch, Lütetsburg und Halbemond (alle Teil der Samtgemeinde Hage), Leezdorf und Osteel (Samtgemeinde Brookmerland) sowie die Gemeinde Krummhörn. Eine Besonderheit der Grenze zur Gemeinde Leezdorf liegt darin, dass sie nur gut eine Straßenbreite beträgt: Norden und Leezdorf treffen am Schwarzen Weg aufeinander, die nördlichen und südlichen Straßenseiten gehören jedoch zu den Gemeinden Halbemond und Osteel.

Die Norder Geestinsel auf einer Karte aus dem 14. Jahrhundert.

Norden ist neben der Kreisstadt Aurich das zweite Mittelzentrum des Landkreises Aurich. Das Einzugsgebiet ist durch die Natur eingeschränkt, da sich im Norden, Westen und Südwesten das Wattenmeer befindet. Allerdings spielt Norden für die Versorgung der vorgelagerten Inseln Juist und Norderney mit dem Norddeicher Hafen sowie - in kleinerem Rahmen - auch dem Flugplatz Westerloog eine wichtige Rolle. Als Einkaufsstadt tritt Norden insbesondere in Konkurrenz zu Aurich und Emden.

Der Stadtkern von Norden liegt auf einer Geestinsel, die dem nordwestlichsten Ausläufer des oldenburgisch-ostfriesischen Geestrückens vorgelagert ist.[14] Auch Bargebur und Tidofeld sowie Süderneuland II befinden sich ebenfalls auf Geestboden, während der Großteil des weiteren Stadtgebiets auf der Marsch liegt. Die beiden Bodentypen unterscheiden sich insbesondere durch ihre Beschaffenheit. Im Geestboden dominiert Sand, im Marschboden schwerer Klei, der sehr tonhaltig ist. Die Geest ist zudem deutlicher höher als die Marsch gelegen und gehört daher auch zu den erstbesiedelten Gebieten, wobei die fruchtbareren Böden in der tiefliegenden Marsch liegen.

Amtliche Karte der Stadt Norden von 1935.

Rund die Hälfte des Stadtgebiets wurde nach verheerenden Sturmfluten im 14. Jahrhundert - allen voran die Erste Dionysiusflut, bei der unter anderem das Dorf Westeel zerstört wurde - seit 1425, beginnend mit dem Udo-Focken-Deich, dem Meer abgerungen und wieder eingedeicht. Der geologisch jüngste Stadtteil Leybuchtpolder wurde erst 1947 bis 1950 durch den Bau des Störtebekerdeichs (wieder) eingedeicht und urbar gemacht. Es ist damit die jüngste Neusiedlung Deutschlands. Der Großteil der Eindeichungen konzentriert sich jedoch auf das 16. und 17. Jahrhundert. Seit der Eindeichung eines Teils der Leybucht und einer deutlich kleineren Eindeichungsmaßnahme nahe Harlesiel gab es an der niedersächsischen Nordseeküste keine nennenswerten Landgewinnungsmaßnahmen durch Eindeichung mehr, so dass diese Landstriche die jüngsten dem Meer abgerungenen und von Menschen besiedelten Flächen Niedersachsens sind. Auch Neuwesteel wurde erst in den späten 1920er bis in die 1930er Jahren dem Meer abgerungen und gegründet.

Norden ist geprägt von Wasser und Landwirtschaftsflächen, fast 80 Prozent des Stadtgebiets werden landwirtschaftlich genutzt. Auf den eingepolderten Flächen im Süden der Stadt extensiver Ackerbau betrieben. Angepflanzt werden hauptsächlich Kartoffeln, Getreide und Raps. Auf den anderen Landwirtschaftsflächen wird Viehzucht betrieben. Dominierend ist hier die Milchviehwirtschaft, gefolgt von der Schweinezucht. Auf den Deichen weiden in den wärmeren Monat Schafe, die nicht nur die Grasnarbe niedrig halten, sondern zugleich auch mit ihren Hufen den Deichboden festtreten.

Da weite Teile des Stadtgebiets nur unwesentlich über dem Meeresspiegel liegen, muss das Land kontinuierlich entwässert werden. Zuständig ist der Entwässerungsverband Norden. Das Norder Tief, früher Fahrwasser des Norder Hafens, spielt dabei eine bedeutende und auch überörtliche Rolle. Über die Schöpfwerke Leybuchtsiel und Leysiel entwässert es in die Leybucht und dadurch in die Nordsee. Diese Vielzahl an Gräben und die ständige Entwässerung machen eine Besiedlung der Region überhaupt erst möglich. Neben dem Norder Tief und seinen zahlreichen Zuflüssen, wie dem Addinggaster Tief oder dem Langhauser Tief, prägen noch eine Vielzahl von kleinen und größeren Entwässerungsgräben die Landschaft um Norden - wie auch im Rest von Ostfriesland.

Wie die meisten der zum größten Teil in der Marsch gelegenen Orte ist Norden nur äußerst spärlich bewaldet. Ursächlich dafür ist, dass diese Gebiete bis vor wenigen hundert Jahren noch unter Wasser standen und nie eine wesentliche Aufforstung erfahren haben. Die absolute Mehrheit der Bäume in den Marschgebieten befindet sich deshalb entlang von Wegen und dienten früher als deren von weithin sichtbaren Markierung sowie am Rande von Feldern, um das eigene Besitztum abzugrenzen. Nennenswerte Waldflächen befinden sich ansonsten praktisch nur auf der Geest sowie in der Nachbargemeinde Lütetsburg, wobei auch diese Baumbestände zu großen Teilen im Mittelalter gerodet wurden.

Gliederung

Amtliche Karte der Stadt Norden von 1949.

Die Stadt besteht aus einer Kernstadt und zehn offiziellen Stadtteilen. Die etwa 14 km² große Kernstadt umfasst neben der Altstadt, die interessanterweise gerade einmal 0,9 (!) km² groß ist, noch die ehemalige, im Jahr 1919 eingemeindete Sandbauerschaft mit ihren ehemaligen Ortsteilen, die heute zwar keine administrative Bedeutung mehr haben, wohl aber noch in der Alltagssprache als Richtungs- und Anhaltspunkte verwendet werden (Ekel, Westgaste, ...). Zu diesen kamen weitere Wortschöpfungen des Volksmunds, die ebenso nur im Alltagsgebrauch eine Rolle spielen. Hierzu zählen etwa das Bürgermeisterviertel oder das Millionenviertel.

Die offiziellen, administrativen Stadtteile sind Bargebur, Leybuchtpolder, Neuwesteel, Norddeich, Ostermarsch, Süderneuland I, Süderneuland II, Tidofeld, Westermarsch I und Westermarsch II. Bis auf Bargebur und Tidofeld, die historisch zu Lütetsburg gehörten, waren alle heutigen Stadtteile bis zur niedersächsischen Kommunalreform 1972 eigenständige (Samt-)Gemeinden, wobei es sich bei Norddeich um einen Sonderfall handelt. Der heutige Stadtteil ist praktisch identisch mit der ehemaligen Gemeinde Lintelermarsch, von dem Norddeich ursprünglich nur ein Ortsteil war, der am nördlichen Seedeich lag. Da Norddeich durch den Tourismus jedoch schnell zu dessen Hauptort wurde und diese Bezeichnung ohnehin seit langem synonym für die Gemeinde benutzt wurde, erfolgte die Umbenennung.

Die Kernstadt und die Ortsteile Bargebur, Norddeich, Süderneuland I und Süderneuland II, Tidofeld sowie Teile von Westermarsch II, dessen nordwestliche Teile oftmals fälschlicherweise Norddeich zugerechnet werden, sind baulich weitestgehend zusammengewachsen, und formen, mit Ausnahme von Norddeich und Westermarsch II, die ausgedehnten Wohn- und Gewerbegebiete im Süden und Osten der Stadt. In diesem Ballungsgebiet leben etwa 92,5 Prozent der gesamten Stadtbevölkerung.[15] Die verbleibenden Ortsteile sind nach wie vor sehr ländlich geprägt und überwiegend dünn besiedelt, nehmen jedoch den weitaus größten Teil der städtischen Gesamtfläche ein.

Historisch waren die einzelnen Straßen in Norden sogenannten Kluften und Rotten zugeordnet und innerhalb dieser Bereiche einzeln nummeriert. Die bis heute bestehende Hausnummerierung nach einzelnen Straßen wurde im Wesentlichen erst ab 1904 eingeführt. In den Norder Stadtteilen hat sich dies teilweise anders vollzogen, beispielweise nutzte man in Süderneuland II noch lange eine altertümliche Nummerierung nach dem Zeitpunkt der Grundstücksbebauung. Dies erklärt, warum beispielsweise die Hausnummerierung an der Bundesstraße keinem erkennbaren Muster folgt und dass der Verschönerungsweg und der Leegelandweg dreistellige Hausnummern aufweisen, obwohl sie nur über wenige Anschriften verfügen. In der Westermarsch und der Ostermarsch nutzte man ein der Stadt ähnliches System von Rotten, Kluften gab es hingegen nicht. Vielmehr hatten alle Höfe einen einprägsamen Namen, wie zum Beispiel Honnewarf oder Fettpott, sodass Straßen und Hausnummern obsolet waren. Erst später gab man den Straßen einen eigenen Namen, wobei wiederum oftmals die Höfe als Namenspate dienten (Honnewarfer Weg, Fettpottweg, ...).

Geschichte

Frühzeit

Das Gebiet der heutigen Stadt Norden wurde nachweislich schon in der Mittelsteinzeit, viele tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung, besiedelt - vor allem von den Friesen, die vermutlich aus den heutigen Niederlanden einwanderten.[16][17] Aber auch Chauken und Sachsen waren hier sesshaft.[18][17] Während der Völkerwanderung seit dem 6. Jahrhundert wurden die Chauken mehr und mehr von den Friesen verdrängt.

Die Menschen besiedelten zunächst die Gebiete auf der Norder Geestinsel, die deutlich über den Meeresspiegel ragt und dadurch einen natürlichen Schutz vor Überflutungen bot. Die umliegenden Marschgebiete wurden erst wesentlich später besiedelt bzw. eingedeicht. Es gibt jedoch Vermutungen, dass die fruchtbare Marsch vor dem 8. Jahrhundert, als der Meeresspiegel noch tiefer lag und damit kaum schwere Überflutungen eintraten, schon vor der Geest aufgrund des wesentlich fruchtbareren Bodens besiedelt war. Insbesondere konzentrierten sich derartige Siedlungen entlang der Wasserläufe an geografisch günstigen Stellen, wodurch erste Handelsplätze entstanden.[16]

1892 wurden die Kieshügel des Eschers für den Bau der Bahnstrecke nach Norddeich abgegraben, dabei stieß man auf Reste einer Siedlung aus dem 5. oder 6. Jahrhundert nach Christus. Forscher deuteten Teile der Fundstücke (Tongefäße und Scherben) als Reste einer Salzsiederei.[19] Auch beim Bau der Umgehungsstraße fanden Archäologen der Ostfriesischen Landschaft im Hooker (nahe des Goosbargs) Reste einer Siedlung aus der Zeit zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert. Es handelte sich hierbei um Gefäße aus Keramik, zudem ergaben sich Hinweise auf einen Hochöfen, mit dem Eisen verhüttet wurde. Die Forscher schließen daraus auf ein reges handwerkliches Treiben, das sich nicht nur im Stadtkern, sondern auch im Norder Umland vollzog.

Im Rahmen der Bauarbeiten zum in den Jahren 1996 bis 1997 im Umfeld von Hoog Ses erschlossenen Neubaugebiets brachten von der Archäologischen Forschungsstelle der Ostfriesischen Landschaft begleitete Grabungen weitere Erkenntnisse über die dortige Siedlungsgeschichte hervor. Auf einer in den Süder Hooker vorspringenden Geestnase wurden mehrere Brunnen und Pfostenspuren von bäuerlichen Wirtschaftsgebäuden aus dem frühen bis späten Mittelalter gefunden. Hinzu kamen Tonscherben von Gefäßen, die in das 10. Jahrhundert datiert werden.[20]

Durch die günstige Lage am äußersten nordwestlichen Rand des Oldenburgisch-ostfriesischen Geestrückens hatte der Ort für viele Jahrhunderte Zugang zur See. Gehandelt wurde vor allem mit Vieh, Muschelkalk und Salz. Bis heute genießt Rindfleisch aus den Marschgebieten einen hervorragenden Ruf. Besonders dort, aber auch in Norden, gab es zudem mehrere Kalkwarfen sowie Salzsiedereien. Die Bedeutung als Marktort sowie die Erkenntnis, dass die Oster- und Westerstraße als Reihensiedlung am vorgenannten Heerweg als erste besiedelt und noch vor dem Marktplatz errichtet wurden, spricht dafür, dass die Stadt geplant an diesem Heerweg entstanden ist.[21][22][23]

In der Folgezeit wuchsen die Bauerschaften des Norder Umlands um das Jahr 800 parallel zur Besiedlung in der heutigen Stadtmitte weiter zusammen, sodass Norden allmählich einen stadtähnlichen Charakter entwickelte. Mit dem Verschwinden der ortsnahen Gemeinweiden im 12. Jahrhundert bildete sich das Stadtbild weiter aus.[24] Das Gründungsdatum der Stadt Norden ist somit in der Zeit zwischen 800 und 1200 zu suchen. Als Gründer Nordens werden der mittelfriesische Graf Reginbert und sein Sohn Gerbert vermutet. Eine Stiftungsurkunde für Norden konnte jedoch noch nicht ermittelt werden. Ebenso fehlen Urkunden über die Erteilung des Markt- und Zollrechts.[25]

Mittelalter

Nachdem das Reich der Friesen, beherrscht vom legendären Friesenkönig Radbod, durch Karl Martell im Jahre 734 zerschlagen wurde, geriet Friesland unter die Herrschaft der Franken, die von Karl dem Großen endgültig vollzogen wurde.[17] Neben einer christlichen Missionierung verfolgten die Franken in erster Linie politische Ziele zur Ausweitung ihres Machtbereichs. Der fränkische Missionar Luidger, nach dem die Ludgerikirche benannt wurde, sprach friesisch (Vorläufer des Nieder- bzw. Plattdeutschen) und konnte die Einheimischen von den Gedanken einer befürchteten Fremdherrschaft durch die Hintertür abbringen.[18] Er hatte damit maßgeblichen Einfluss am Siegeszug des Christentums im bis dahin heidnischen Ostfriesland.

Ansicht der Stadt Norden von Osten mit der Ekeler Mühle im Vordergrund (um 1900).

Norden gehörte vermutlich zunächst politisch zum historischen Federgau, kirchlich wurde es anfangs dem Bistum Münster zugeordnet.[18] Nach dem Einbruch der Leybucht, die sich wahrscheinlich während einer schweren Sturmflut am 26. Dezember 838 bildete, verlor das Kirchspiel Norden ab dem 9. Jahrhundert nach und nach seine Verbindungen zum Federgau und wurde durch die geografische Trennung nun dem Bistum Bremen unterstellt.[18][26] So entwickelte sich die Ansiedlung bis 1150 zu einem Vorort im Gau Nordendi, der in etwa das Gebiet umfasste, das ab dem Hochmittelalter Norder-, Auricher- und Harlingerland genannt wurde. Im 11. und 12. Jahrhundert wurde die fränkische Grafschaftsverfassung von den Friesen weitgehend ausgehöhlt und der Großgau Nordendi brach auseinander. Norden wurde nun Hauptort des Norderlandes und erhielt 1277 erstmals eine eigene Stadtverfassung.[18]

Der Ort war seinerzeit über eine hochwassersichere Verbindung auf der Geest mit Esens verbunden, das in Westgaste Endpunkt des Friesischen Heerwegs von Oldenburg war.[21] Auch war Norden letzter Abschnitt des Westfälischen (von Süden kommend) und des Bremischen Heerwegs (von Osten kommend).[18][27] Über den westfälischen Heerweg kamen nicht zuletzt auch viele arme westfälische Wanderarbeiter, die sich auf den Höfen der reichen Marschbauern eine Arbeit erhofften. Noch heute erinnert die Heerstraße mit ihrem Namen an den alten Heerweg gen Bremen. Hinzu kamen zahlreiche Wege an und auf Deichen, die als solche benutzt wurden. Viele Straßen in Norden verlaufen an oder auf alten Deichlinien, so etwa die Wurzeldeicher Straße, die Landstraße oder der Altendeichsweg.

Am Rand der Geestinsel bildeten sich aus den früheren Handels- und Siedlungsplätzen im frühen Mittelalter die ersten Bauerschaften (Zusammenschlüsse mehrerer Höfe), die sich schließlich zu einer Gemeinde, der Sandbauerschaft (Geestbauerschaft), zusammenschlossen. Im Zentrum ihrer Bauerschaften errichteten sie spätestens in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts einen Marktplatz, von dem aus sich das spätere Stadtgebiet entwickelte. Hier erbauten besonders vornehme Familien bzw. Geschlechter ihre Wohnhäuser. Fast alle ostfriesischen Häuptlings- und Edelgeschlechter des Norderlands haben ihre Wurzeln in Norden.[18] Um ihre Außenhöfe zu schützen, entstanden mehrere Wehrhäuser, die sich - wie die Sandbauerschaft selbst - in einem Dreiviertelring um die Stadt legten. Zugleich dienten die Häuser der Verteidigung der Stadt, denn eine Stadtmauer hatte es in Norden zu keiner Zeit gegeben. Letztlich war dies auch nicht unbedingt notwendig, war die Umgebung der Norder Geestinsel von Mooren und kleihaltigem Marschboden umgeben, das ein Vorkommen feindlicher Truppen insbesondere zur Regenzeit stark verlangsamte oder praktisch unmöglich machte.

Diese auch Burgen genannten Wehrhäuser darf man sich keinesfalls wie jene aus der mittelalterlichen Trivialliteratur vorstellen, sondern vielmehr als größere Steinhäuser bzw. bewohnbare Türme. Steine waren und sind aufgrund fehlender, natürlicher Vorkommen ein seltener Rohstoff in Ostfriesland. Nur die wohlhabendsten Persönlichkeiten konnten sich überhaupt solche leisten. Auch die Ziegeleien, die die für Ostfriesland typischen Klinkersteine herstellten, entstanden erst später. Die meisten Behausungen bestanden aus Lehm, Torf oder Holz. Da sich die Burgen damit deutlich von den ärmlichen Behausungen abhoben, nannte sie der Volksmund entsprechend. Nach den Edelgeschlechtern folgten spätestens im 15. Jahrhundert die wohlhabenden Bauern aus der Oster- und Westermarsch, die vor allem durch Viehhandel zu ansehnlichem Wohlstand kamen und neben ihren Höfen, die nicht selten auch Burg genannt wurden, auch ein repräsentatives Stadthaus (in der Regel mit dahinter liegenden Stallungen) am Marktplatz unterhielten.[28]

Nicht zeitgenössische Zeichnung der Andreaskirche aus dem Jahr 1992 (Ostfriesische Landschaft, Emder Jahrbuch).

Ab etwa 1150 entstanden aus dem Zusammenschluss mehrere Bauerschaften und Orte sogenannte Landesgemeinden (Norderland, Brookmerland, Harlingerland, ...). Die grundbesitzenden Einwohner wählten jeweils für ein Jahr einen Fürsprecher (lateinisch: consules; friesisch: redjeven), die den Frieden wahren und die Rechtsprechung führen sollten.[29] Sie waren zudem zentrale Organe bei den friesischen Versammlungen am sogenannten Upstalsboom nahe Aurich.

Im 12. und 13. Jahrhundert entstanden erstmals steinerne Kirchen in Norden, die Andreaskirche war die erste von ihnen. Möglicherweise stand ihr Neubau im Zusammenhang mit dem Besuch des Bremer Erzbischofs Hildebold von Wunstorf, der die Stadt im Jahre 1271 besuchte, im Dominikanerkloster nächtigte und dort schließlich eine heilige Messe abgehalten haben soll.[4] Trotz der erhöhten Lage der Kernstadt errichteten die Menschen eine künstliche Warft, auf der sie die Andreaskirche bauten. Ihre Kirchtürme dienten über Jahrhunderte den Seefahrern bis hin zur Elbmündung als wichtiges Seezeichen, ehe sie 1531 von Balthasar von Esens gebrandschatzt wurde und in den Folgejahrzehnten verfiel. Mehrere Versuche, sie wieder aufzubauen, schlugen fehl. Noch 1217 sollen sich friesische Kreuzfahrer, darunter auch Angehörige der Idzinga, hier getroffen haben, um gemeinsam ihren Weg zum Kreuzzug in das Heilige Land (Fünfter Kreuzzug bzw. Kreuzzug von Damiette) zu beginnen.[30] Aus dieser Legende heraus entstand der Name des späteren Gasthofs Jerusalem. Tatsächlich wurde 1956 bei Grabungsarbeiten zum Bau des Marktpavillons eine oströmische Kupfermünze aus dem 4. Jahrhundert gefunden, die offenbar von einem heimgekehrten Kreuzfahrer als Beute oder Andenken aus Antiochia (Syrien) mitgebracht und schließlich dort verloren wurde.[31]

Während die Andreaskirche die Kirche der Stadt war, errichteten die Norder Umlandgemeinden in ihrer unmittelbaren Nähe die Ludgerikirche. Dieser Umstand ist einer der bedeutendsten Hinweise auf das Miteinander der Stadt mit den Umlandgemeinden. Neben den beiden Kirchen entstanden zudem zwei Klöster: Das Kloster Marienthal - gegründet vom Orden der Benediktiner - und das Kloster Norden, das von den Dominikanern gegründet wurde. Beide Klöster waren über Jahrhunderte von zentraler Bedeutung für Norden und die Region. Sie waren nicht nur geistliche Zentren mit eigenen Kirchen, sondern auch Orte von Verhandlungen und Vertragsunterzeichnungen, wie dem Norder Vertrag im Jahre 1255. In diesem Vertrag wurde Norden erstmals gesichert urkundlich erwähnt, was vielfach mit der Verleihung des Stadtrechts verwechselt wird. Aus diesem Irrtum heraus erklärt sich, dass Norden sich lange Zeit als älteste Stadt Ostfrieslands bezeichnet. Emden wurde allerdings bereits 1224, also 31 Jahre früher, erstmals urkundlich erwähnt. Zur Stadtrechtsverleihung kam es indes erst 1277.[32] Der Ort hatte zu dieser Zeit jedoch bereits längst einen städtisch geprägten Charakter. Naheliegend ist also, dass Norden einfach aus sich selbst heraus zu seiner Stadt geworden und irgendwann irrigerweise als solche bezeichnet wurde, ehe es schließlich auch in einer Rolle der Emder Goldschmiedezunft vom 11. November 1491 offiziell als solche betitelt wurde.[33]

Im 14. Jahrhundert begannen große gesellschaftliche Umbrüche in Ostfriesland. Die Friesische Freiheit, die den Friesen nach ihrem Sieg über die Normannen im 9. Jahrhundert der Legende nach von Karl dem Großen verliehen bekommen haben, begann zu verfallen. Die Friesische Freiheit sicherte den Friesen über Jahrhunderte eine weitgehende Autonomie zu, nach der sie nur den Kaiser über sich, ansonsten jedoch keinen anderen Landesherren erdulden mussten. Insbesondere im Zeitalter des Feudalismus war dies ein ungeheures Privileg. Die meisten Menschen im mittelalterlichen Europa waren unfrei oder gar leibeigen und damit praktisch der Willkür ihrer Herren ausgeliefert. Die gesellschaftlichen Bedingungen änderten sich erst durch mehrere verheerende Sturmfluten im 14. Jahrhundert, das auch als Jahrhundert der Sturmfluten in die Geschichte einging. Insbesondere die Erste Dionysiusflut führte dazu, dass das Land schwerste Schäden erlitt und die Überlebenden vor den Trümmern ihrer Existenz standen. Orte wie das einst überaus wohlhabende Dorf Westeel müssen aufgegeben und ausgedeicht werden. Auch die Gebiete des heutigen Süderneulands wurden an die Fluten verloren. Die Leybucht erreichte ihre größte Ausdehnung und reichte bis nach Lütetsburg, wie noch heute an den Kolken im Umfeld der Umgehungsstraße erkennbar ist. Hinzu kamen Hungersnöte wie im Jahre 1315 und eine verheerende Pestepidemie in den Jahren 1350 bis 1360, die weitere Todesopfer forderte.[34][35]

Karte Ostfrieslands des Johannes Florianus in der Zeit um 1580. Gut erkennbar ist noch die große Ausdehnung der Leybucht.

Aus dieser wirtschaftlichen Not heraus konnten sich einige wohlhabende Familien hervortun, die die Katastrophe vergleichsweise glimpflich überstehen konnten. Sie ergriffen die Macht in der Region und herrschten nun als Häuptlinge über bestimmte Gebiete. Widerstand hatten sie von der geschwächten Bevölkerung kaum zu erwarten, die mehr damit beschäftigt war, das eigene Überleben zu sichern, als sich gegen die Aushöhlung der Prinzipien der Friesischen Freiheit entgegenzustellen. Das Machtbestreben der Häuptlinge ging soweit, dass Martin Cirksena und Hylo Attena sogar das Dominikanerkloster besetzten, um andere Würdenträger aus dem Amt zu drängen.[36][37]

In der nun folgenden Zeit der Ostfriesischen Häuptlinge gehörte Norden mit seinem Umland zum Herrschaftsgebiet verschiedener Häuptlingsfamilien, allen voran die Idzinga. Später fiel Norden an die tom Brook aus dem Brookmerland, dann an die Ukena aus Leer und schließlich an die Cirksena aus Greetsiel, die sich nach der Schlacht von Bargebur als erste eine Jahrhunderte währende Vormachtstellung sichern konnten und später die Grafen und Fürsten von Ostfriesland stellten. Wenngleich Norden lange Zeit der Hauptsitz der Cirksena war, verlor die Stadt an Bedeutung, nachdem diese ihr Machtzentrum in das zentralere Aurich verlegten. Norden war in der Folgezeit hauptsächlich Handelsort, was nach den vorgenannten Sturmfluten durch eine Ausweitung der Leybucht begünstigt wurde. Der Ort hatte dadurch direkten Zugang zum Meer. Der Norder Hafen entwickelte sich zu einem Seehafen, der bis weit ins 19. Jahrhundert (und teilweise noch bis in das 20. Jahrhundert) hinein Bedeutung hatte und der Stadt über einen langen Zeitraum eine wirtschaftliche Blüte bescherte, auch wenn sein Handel dem der Stadt Emden stets nachstand. Norden besaß eine eigene Handelsflagge, unter der Norder Schiffe die Nord- und Ostsee befuhren. Zur Verteidigung des Hafens errichtete man in unmittelbarer Nähe die Olde Borg, an die heute nur noch der Burggraben erinnert.

Die Zeit der großen Deichbauten begann 1425. Zum Schutze der Stadt vor den Fluten aus der Leybucht wurde erstmals 1425 bis 1430 der sogenannte Udo-Focken-Deich durch Udo von Norden, einem Sohn des Häuptlings Focko Ukena, erbaut.[38] Udo war durch Heirat mit Hima Idzinga mit dem führenden Norder Herrschaftsgeschlecht verbunden und legte durch den Deichbau den Grundstein für die Besiedlung des Süderneulands.

16. Jahrhundert

Trotz dieser geografisch günstigen Gegebenheiten wurde die Stadt im Juni des Jahres 1514 während der Sächsischen Fehde von der Schwarzen Garde, einem Söldnerheer geplündert und gebrandschatzt.[39] Die genauen Verluste an Menschenleben und Gebäude lassen sich jedoch kaum mehr beziffern.

1517 schlug Martin Luther die 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche Wittenberg, in der er die Missstände in der katholischen Kirche aufzeigte. Bereits zwei Jahre später sendete er einen Mönch namens Stephani nach Norden, um seine Lehren im Dominikaner- und im Benediktinerkloster zu verbreiten. Die Reformation schritt in Norden zügig voran und fand bis in höchste Ebene Gehör. Nach ihrem Siegeszug wurden die beiden (katholischen) Klöster säkularisiert (verweltlicht), aufgelöst und ihre Besitztümer durch Graf Enno II. konfisziert. Die Klosterinsassen verließen die Stadt, schlossen sich anderen Orden an oder konvertierten. Das Kloster Marienthal wurde nun als sogenanntes Gasthaus für die Armenpflege genutzt, auf dem Grund des Dominikanerklosters errichtete Enno seinen Stammsitz, der später als Fräuleinshof bekannt wurde. Dieser hatte bis zum Ende des Landkreis Norden im Jahre 1977 eine dauerhafte Bedeutung als Sitz des Macht- bzw. Verwaltungsapparates.

Im Jahr 1531 verwüstete ein Heerhaufen des Häuptlings Balthasar von Esens die unbefestigte Stadt. Seine Truppen zerstörten unter anderem den Vorgängerbau des Alten Rathauses, die beiden Klöster und die Andreaskirche. Balthasar galt als unbeherrschter, streitsüchtiger Zeitgenosse, der seine Männer sogar nach seinem Abzug noch einmal zurück in die brennende Andreaskirche schickte, da der Turm noch nicht in Brand geraten war. Sie fanden wegen des dichten Rauches nicht mehr zurück und starben einen qualvollen Feuertod. Anhand seiner Zerstörungswut und der von ihm zerstörten Gebäude wird ersichtlich, dass Balthasar es vor allem auf die Stadt und die Cirksenas abgesehen hatte, da er beispielsweise die Ludgerikirche, die Kirche der Norder Umlandgemeinden, unbeschadet ließ. Nach dem Wiederaufbau Nordens gab Graf Enno II. dem Ort mit den Instituta Nordana eine Stadtordnung (1535), die aufgrund der historischen Bedeutung des Wortes auch Polizeiordnung genannt wurde.

Nach dem Tode von Enno II. im Jahre 1540 regierte zunächst seine Ehefrau, Anna von Oldenburg, vormundschaftlich für die Söhne über die Stadt. Dieser Umstand erwies sich als überaus förderlich für die weitere Entwicklung, denn zweifellos kann die kluge und weitsichtige Gräfin Anna als eine der bedeutendsten Frauen in der Geschichte Ostfrieslands angesehen werden. Unter ihrer Regentschaft blühte Norden auf. Sie förderte das Schulwesen, die Armenwohlfahrt und begann die Rückgewinnung des im 14. Jahrhunderts verlorenen Süderneulandes durch mehrere Eindeichungen. Hierdurch wurde auch der Norder Hafen an seiner bis heute bekannten Stelle erbaut, nachdem sich dieser zuvor in etwa in Höhe der Straße Am Alten Siel befand.[40] Auch in der Westermarsch förderte sie die Eindeichung neuer bzw. verlorener Ländereien. Hier ließ sie den Alten Süderdeich, durch den 578 Hektar fruchtbaren Landes urbar gemacht werden konnten, errichten. Das Gebiet wird bis heute als (Altes) Westermarscher Neuland bezeichnet. An den Deich erinnert noch heute der Altendeichsweg, der auf der damaligen Deichlinie verläuft.

Während des Achtzigjährigen Krieges (1568 bis 1648) verließen unzählige Niederländer als Glaubensflüchtlinge ihre Heimat, da sie der Verfolgung der katholischen Habsburger-Dynastie ausgesetzt waren. Wie keine andere Region profitierte Ostfriesland, vor allem Emden, von den niederländischen Neubürgern. Eine Vielzahl der ersten Schuldirektoren, so auch am Ulrichsgymnasium, waren zudem niederländischer Herkunft. Auch dominierten niederländische Theologen lange Zeit die Gottesdienste in der Ludgerikirche. Neben zahlreichen Gelehrten kam eine Vielzahl von Kaufleuten ins Land, die über weitverzweigte Handelsverbindungen verfügten. Die Geschichten Ostfrieslands und der Niederlande sind seit dieser Zeit untrennbar miteinander verbunden und auch die kulturellen und gesellschaftlichen Gemeinsamkeiten stärkten sich dadurch weiter, sodass die Region bis heute kulturell, sprachlich und architektonisch enger mit den westlichen Nachbarn als dem Rest der Bundesrepublik verwandt ist. Ein gutes Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Ostfriesland und den Niederlanden ist die Versorgung des unter spanischer Blockade stehende Groningerlandes mit Nahrungsmitteln durch die Norder Seeflotte ab 1583. Dies führte dazu, dass die Stadt 1586 von Söldnern des Francisco Verdugo, dem spanischen Staathalter in Groningen, heimgesucht wurde.[41]

Spätestens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert ließen sich erstmals Juden in der Stadt nieder. Bis zu ihrem Niedergang im Jahre 1940 lag der Schwerpunkt der zu ihrer besten Zeit (1861) 329 Mitglieder umfassenden jüdischen Gemeinde im Umfeld des Synagogenwegs. Der jüdische Friedhof ist der älteste in Ostfriesland. Heute gibt es nur noch einige, wenige Juden in Norden, die jedoch anderen Gemeinden angeschlossen sind.

Nach dem Ende der Regentschaft Annas kam es unter ihren Söhnen Edzard II.und Johann II. zu großen Streitigkeiten. Anna hatte zuvor die Primogenitur (Erstgeborener wird Thronfolger) abgeschafft, sodass die Brüder gemeinsam regieren mussten. Aufgrund grundlegend unterschiedlicher Ansichten und vermutlich auch der Kränkung des um seine Alleinherrschaft gebrachten Edzard II. kam es zum Streit und zur Trennung. Verschärft wurde diese durch ihre unterschiedliche Glaubensrichtungen. Edzard II. hing der evangelisch-lutherischen, Johann II. der calvinistischen (evangelisch-reformierten) Konfession an. Sie regierten mehr gegen- als miteinander und förderten die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Ostfrieslands kaum. Weil die kurze Zeit später erlassene Regelung Cuius regio, eius religio in Ostfriesland nie in dem Sinne umgesetzt wurde, dass die Bürger zur Annahme des Bekenntnisses des Landesherrn verpflichtet waren, kam es zu weiteren Komplikationen. In dieser Gemengelage der beiden Religionen stritt man erbittert über eine neue Kirchenordnung. Letztlich setzten sich die Lutheraner durch und vertrieben die Reformierten aus der Stadt, welche zunächst Schutz beim Lütetsburger Grafen fanden.

Die Gründung einer reformierten Gemeinde erbrachte zunächst eine Befriedung der geistlichen Verhältnisse. Die Familie zu Inn- und Knyphausen auf der Lütetsburg war calvinistisch orientiert und ließ auf der Lütetsburg reformierte Gottesdienste zu. Doch 1680 brach der Konflikt erneut aus, als die Reformierten in Bargebur, damals kurz vor den Toren der Stadt, eine reformierte Kirche bauen wollten. Aufgebrachte Norder rissen den Bau nieder. Dieser konnte erst unter dem Schutz brandenburgischer Truppen im Jahre 1684 vollendet werden.

1591 starb Johann II., die Machtposition des Hauses Cirksena hatte unter der Missherrschaft von ihm und seinem Bruder stark gelitten. Die Cirksenas verloren Emden und wurden durch die mächtigen niederländischen Generalstaaten durch Verträge einem Großteil ihrer Macht beraubt, da die erstarkenden ostfriesischen Stände, die durch die Ostfriesische Landschaft an der Macht in der Region beteiligt waren, immer selbstbewusster gegen geschwächte Grafenhaus vorgingen. Dieser Trend setzte sich unter dem Nachfolger Enno III. fort, der kaum noch politische Macht besaß. Der Großteil der Macht lag seit seiner Regierung bei der Ostfriesischen Landschaft, deren Mitglieder von den Ostfriesischen Ständen (Ritterschaft, Bauern und Städtevertretern) gestellt wurden. Auch zeigt sich der Niedergang der Souveränität dadurch, dass die friesische Sprache in der Regierungszeit Ennos immer weiter vom Niederdeutschen verdrängt wurde. Enno III. gilt als letzter Herrscher, der des Friesischen mächtig war.

In den Jahren 1597 und 1598 brach in der Stadt erneut die Pest aus. Von Bernhard Elsenius wurde der Seuchenverlauf relativ detailliert geschildert.

17. Jahrhundert

Ein bedeutender Konfliktpunkt im 17. Jahrhundert war die Steuerpolitik des Grafen. Der Streit eskalierte 1602, als Graf Enno III. die Stadt Norden eroberte, nachdem sie ihm bereits ein Jahr zuvor die Huldigung verweigert hatte. Zudem begehrten sie gegen eine Schornsteinsatzung auf, die Enno den Nordern auferlegen wollte. Der Graf erkannte der Stadt sämtliche Privilegien wie das wirtschaftlich elementare Marktrecht ab und erteilte diese erst nach erfolgter Huldigung wieder. Das Söldnerheer, das Enno III. nach Norden schickte, wurde von Oberst Joost von Landsbergen und Wilhelm zu Knyphausen angeführt, der die aufrührerischen Bürger auf den Marktplatz zitierte. Unter Androhung der Todesstrafe wurde ihnen nahegelegt, Enno III. zu huldigen und eine Strafe von 33.000 Reichstalern zu zahlen. Die Soldaten besetzten die Häuser der Bürger, wobei es Am Markt 22 zu einer blutigen Auseinandersetzung mit Hinrich von Lingen kam, der die Soldaten nicht bei sich einquartieren lassen wollte. Letztlich wurden elf Bürger verhaftet und nach Aurich überführt. Ansonsten endete die Besetzung unblutig und damit, dass 26 wohlhabende Bürger die auf 16.000 Reichstaler reduzierte Summe aufbrachten und die Bürgerschaft dem Grafen am 2. Juni 1602 huldigte.[42][43]

1611 brach erneut die Pest aus. Während des sieben Jahre später folgenden Dreißigjährigen Kriegs wurde der unbefestigte Ort von Mansfelder (1622 bis 1624), kaiserlichen (1627 bis 1631) und hessischen Truppen (1637 bis 1650) besetzt. Die geschwächten Cirksenas konnten dem nichts entgegensetzen und Graf Ulrich II. sah dem Treiben praktisch untätig zu. Wenngleich die Geschichtsschreibung Ulrich II. ein eher schlechtes Zeugnis ausstellt, förderte er die Bildung in einem beachtlichen Umfang und stiftete das nach ihm benannte Ulrichsgymnasium sowie das Ulricianum in Aurich. 1623 brach ein weiteres Mal die Pest aus.[44]

Für die Landwirtschaft bedeutete die Zeit nach der Mansfelder Besatzung einen Strukturwandel. Wurden die Marschgebiete vor allem zur Viehzucht genutzt, nutzte man nun einen Großteil der verfügbaren Flächen für den Ackerbau, da der Rinderhandel zum Erliegen gekommen war und sich durch die massiven Schäden im Reich auch keine schnelle Erholung abzuzeichnen wagte. Um weiteres Ackerland zu gewinnen, wurden der Süder-Charlottenpolder und der Wester-Charlottenpolder eingedeicht. Stadt und Land wurden dadurch von Getreideimportieren unabhängiger.[45] Auch das Bierbrauen wurden bedeutender, 1659 wurden ganze 30 Brauereien in Norden verzeichnet.[46] Oftmals brauten diese jedoch nur für die eigene Schankwirtschaft, zudem soll das Norder Bier keine besonders gute Qualität gehabt haben, sodass man lieber auf Bier aus Bremen oder Hamburg zurückgriff - sofern man es sich leisten konnte.

Für die Jahre 1623 und 1664 sind weitere verheerende Pestepidemien überliefert. Weiterhin verursachte die Petriflut im frühen Winter 1651 schwere Schäden in der Region. All die Ereignisse im 17. Jahrhunderten führten zu wirtschaftlicher Rezession und ließen vor allem den Handel am Norder Hafen zusammenbrechen.[47]

18. Jahrhundert

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts setzte eine deutliche wirtschaftliche Verbesserung ein. Zu dieser Zeit war die Stadt sowohl bevölkerungsreicher als auch bedeutender als Aurich, stand jedoch nach wie vor Emden in vielen Belangen nach. Dennoch verzeichnete Norden seinerzeit eine selbstbewusste und wohlhabende Kaufmannschaft mit weiten Handelsnetzen. 1715 kam jedoch eine schwere Viehseuche über das Land. Sie dauerte bis 1782 und forderte ostfrieslandweit das Leben von schätzungsweisen 380.000 Rindern. Der wirtschaftliche Schaden für die Halter sowie die Folgen für die Versorgung und den Handel waren enorm.[48] Einen weiteren schweren Schlag erlitt die Landwirtschaft durch eine Mäuseplage, die 1716 zahlreiche Getreide- und Gemüsefelder zerstörte.[49]

Bei der Weihnachtsflut im Jahre 1717 wurde das Norder Stadtgebiet erneut schwer getroffen. In der Folge wurde Itzendorf an das Meer verloren und später ausgedeicht. Die Fluten reichten bis in den Innenstadtbereich von Norden und sollen bis 8 Fuß hoch (etwa 2,50 Meter) gereicht haben.[50] Heute erinnert noch eine kleine Untiefe in der Nordsee, die Itzendorfplate, an den Ort. Außerdem bezeichnet man noch die Region um den Campingplatz an der Deichstraße als (Neu-)Itzendorf. Die Folgen der Flut hielten noch viele Jahre an. So ist es nicht verwunderlich, dass von 852 Einwohnern im Jahre 1719 etwas weniger als die Hälfte (432) lediglich als Tagelöhner im Einwohnerverzeichnis geführt wurden. Immerhin 79 Personen wurden als wohlhabend bezeichnet.[51]

1724 begann der sogenannte Appell-Krieg, ein Konflikt zwischen Georg Albrecht Cirksena und den ostfriesischen Ständen um die Steuerhoheit in der Region. 1727 holte sich der Fürst dänische Truppen zur Unterstützung ins Land, die eins ihrer Lager im Alten Rathaus aufschlugen. Nach heutiger Definition kann der Appell-Krieg als Bürgerkrieg angesehen werden. Einer der wichtigsten Auswirkungen war, dass sich das Königreich Preußen eine Anwartschaft auf Ostfriesland für den Fall fehlender männlicher Erben sichern konnte. Tatsächlich starb Carl Edzard Cirksena im Jahr 1744 als letzter seines Geschlechts ohne Nachkommen in Aurich. Ostfriesland fiel dadurch an Preußen unter Friedrich dem Großen. Die mysteriösen Umstände seines Todes sowie die preußische Anwartschaft legen deshalb eine Vergiftung durch preußische Spione bzw. Attentäter nahe.

Die neuen Herren brachten indes neuen Wind in das eher strukturschwache und eigenbrötlerische Ostfriesland. Die Preußen förderten den Landesausbau, besonders durch Moorkolonisierung, aber auch durch Eindeichungen, wodurch das südlich von Norden gelegene Land weiter wächst. Auch das preußische Verwaltungswesen erwies sich als überaus förderlich für die allgemeine Stadtentwicklung. Eine nicht unwesentliche, wenngleich auf den ersten Blick eher kleine Neuerung, war die Einführung einer festen Hausnummerierung durch die Einführung von Grund- und Hypothekenbüchern durch eine königliche Verordnung vom 26. April 1751. Das bisherige Rottwesen wurde jedoch noch bis 1904 beibehalten und auch die für heute typische Hausnummerierung nach Straßen und damit einhergehend einer straßeneigenen Nummerierung wurde erst 1904 eingeführt. Bis dahin nummerierte man alle Häuser der Reihe nach, unabhängig von Straßen, beginnend Am Markt, Ecke Mühlenstraße, lief dann zur Osterstraße, hier die Nordseite hinauf bis Doornkaat, bog dann in den Neuen Weg ein und verfuhr so auch bei allen weiteren Straßen auf- und abwärts. Neubauten wurden mit Buchstaben hinterlegt, was die allgemeine Orientierung in der Stadt sicherlich zunächst insgesamt erleichterte, doch spätestens der wirtschaftliche Aufschwung in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts brachte das Ordnungssystem an seine Grenzen. Beispielsweise hatten in der Rosenthallohne neun Häuser eine Hausnummer, die die Buchstaben mit den a bis h zugewiesen bekamen.[52]

1754 wurde die Landschaftliche Brandkasse (Feuer-Sozietät) als Brandversicherung nach vierjährigen Verhandlungen der Städte und Gemeinden mit der preußischen Kriegs- und Domänenkammer (Vorläufer der Ämter als geografisches Ordnungsglied) eingeführt.

Reiche Ernten und stabile bzw. steigende Preise führten in den 1760er Jahren zu neuem Wohlstand bei den Großbauern. Von besonderer Bedeutung waren das Steigen der Weizen- und Haferpreise, sodass vor allem die den Ackerbau betreibenden Bauern der Marsch zu ansehnlichem Wohlstand kamen. So ist es nicht verwunderlich, dass einige der stattlichsten Höfe in dieser Zeit erbaut wurden. Wenige Jahre später, 1770, führte nicht nur die weiterhin grassierende Viehseuche zu schweren Problemen, sondern auch eine Missernte, sodass eine Hungersnot drohte. Die Behörden ließen daraufhin den Export sämtlicher Getreidesorten und veranlassten gleichzeitig den Import von 150 Lasten Roggen aus Amsterdam. Durch diese Maßnahmen und eine gute Ernte im Folgejahr blieb eine größere Hungersnot aus und die Versorgungslage verbesserte sich derart, dass auch der Export wieder gestattet wurde.[53]

1783 erhielt Norden erstmals eine Brandordnung.[52] Allgemein entwickelte sich die Stadt unter preußischer Herrschaft zu einer der wohlhabendsten Städte der Region. In einem Bericht des Magistrats vom 29. März 1776 wurde hierbei die hohe Zahl der Gold- und Silberschmiede als Indikator für den beträchtlichen Wohlstand der Stadt herangezogen.[54]

Da die ostfriesische Landeskasse schwer verschuldet war, ließen die Preußen viele alte Adelssitze aus Kostengründen dem Erdboden gleichmachen.[55] Die hieraus gewonnenen Steinen kamen dabei oftmals auch beim Bau von Sielen, wie etwa dem Fridericussiel zum Einsatz, welche die Preußen nicht mehr aus Holz, sondern aus Stein errichten ließen. Nachdem bereits 1756 das Große Norder Siel aus Stein erbaut wurde, folgte 1775 das Fridericussiel.[56] Im gleichen Jahr gründeten Justus Friedrich Steinbömer und Johann Heinrich Lubinus die Rauchtabakfabrik Steinbömer & Lubinus am Neuen Weg, die sich für die wirtschaftliche Entwicklung Nordens als sehr förderlich erweist und zum ersten, großen Unternehmen der Stadt wurde, dessen Mitarbeiterzahl mehr als die übliche, geringe Größe von einer Handvoll Mitarbeiter der vielen Familienbetriebe deutlich überstieg.[54]

1794 gründen sieben Norder Kaufleute und Bürger aus Hage die Fehnsiedlung Norderfehn (heute Berumerfehn) und die Norder Fehngesellschaft. Sie bauten dort Torf ab, das seinerzeit das gängigste und wichtigste Heizmittel in Ostfriesland war. Dazu gruben sie den heutigen Berumerfehnkanal, der den Norder Hafen mit der neuen Fehnkolonie verband. Auf rund 1.500 Hektar wurde der Torf gestochen und - erstmals 1797 - mit kleinen Schiffen auf dem Kanal nach Norden transportiert. Die Stadt wurde damit unabhängig von den zuvor nötigen Importen des Brennmaterials, das bis dahin vor allem aus dem Groningerland und dem Saterland beschafft wurde.

19. Jahrhundert

Straßenszene aus der Französischen Besatzungszeit nach einem Gemälde des Hinrich Adolf von Lengen.

Im eingehenden 19. Jahrhundert konnte Norden auf ein reges Wirtschaftsleben zurückblicken. Unter anderem gab es 18 Branntweinbrennereien, etwa 100 Garn- und Leinenweber, zwei Hutmacher mit fünf Beschäftigten, sieben Kalkbrennereien mit 49 Arbeitern, drei Lohgerbereien mit 12 Arbeitern, eine Ölmühle mit drei Arbeitern, zwei Peldemühlen (die Deichmühle und die Frisiamühle) mit je vier Arbeitern, eine Stärkefabrik mit fünf Arbeitern, fünf Tabakfabriken mit 42 Arbeitern, zwei Töpfereien mit drei Arbeitern, zehn Wollwebereien mit zehn Arbeitern sowie zehn Zwirnfabriken mit 77 Arbeitern.[57]

1806 fiel Ostfriesland unter die Herrschaft von Napoleon Bonaparte und wurde zunächst Teil des Königreichs Holland, einem französischen Vasallenstaat, der von Napoleons Bruder Louis regiert wurde. Später wurde es unmittelbarer Teil Frankreichs. Die Stadt wurde dabei ab dem 22. November 1806 vom 1. Bataillon des 9. Regiments der Königlich Holländischen Infanterie unter Capitain Hoffmann besetzt. Die Norder Bürger hatten nun die 228 Besatzungssoldaten zu versorgen und ihnen Unterkunft zu bieten.[58][59] Der Magistrat ermahnte die Bürger dazu, sich nicht mit den Franzosen zu streiten oder gar zu prügeln, nachdem es anfänglich zu einigen Reibereien kam.[59]

Ebenfalls im Jahr 1806 wurde die Firma Doornkaat vom niederländischen Kaufmann Jan ten Doornkaat Koolman gegründet, das über fast 200 Jahre zum bedeutendsten privaten Arbeitgeber der Stadt wurde. Ab 1810 wurde Norden dem Départements Ems-Oriental zugerechnet. Die französische Seeblockade (Kontinentalsperre) gegen England bescherte dem Norder Seehandel einen schweren Schlag.[59] Zur Durchsetzung der Kontinentalsperre errichteten die Franzosen mehrere Zoll- und Wachthäuser, so etwa das Zollhaus am Norder Außentief in Westermarsch oder das Zollhaus in Utlandshörn. Beide Gebäude sind bis heute erhalten. Verlorene Zeitzeugen dieser Zeit sind das Wachthaus bei Itzendorf sowie das zum Westermarscher Zollhaus gehörende Zollwachthaus, das nahe der heutigen Kurbelpünt lag.[60]

Blick von Süden auf die Stadt (um 1850).

Nach dem Sieg des preußischen Generalfeldmarschalls Gebhard Leberecht von Blücher über Napoleon bei der Schlacht von Waterloo, an der auch Norder Landwehrsoldaten teilnahmen, fiel Ostfriesland aufgrund der Vereinbarungen des Wiener Kongresses im Jahr 1815 an das Königreich Hannover. Die Norder taufen später den westlichen Teil des Marktplatzes zu Ehren des siegreichen Generals auf den Namen Blücherplatz. Am 12. Februar 1820 erhielt die Stadt eine neue Verfassung, die am 1. März des Jahres in Kraft trat.[61]

Die Ludgerikirche in der Zeit um 1860.

Die Februarflut 1825 richtet vom 3. bis 5. Februar schwere Verwüstungen an. Sie führte vor allem auch zu einer Übersalzung der landwirtschaftlichen Nutzflächen, wodurch zahlreiche Bauern ihre Höfe aufgeben und versteigern lassen mussten. In der Folge wurden die Seedeiche erheblich verstärkt.[62] Als eine der Hauptursachen für das Brechen der Deiche wurde der mangelnde Unterhalt der Deiche zu Zeiten der französischen Besatzung herangeführt.[63] 1838 bis 1839 bekam Norden erstmals eine Straßenbeleuchtung.[64] In den 1840er Jahren wurden in Ostfriesland mehrere Chausseen als befestigte Straßen angelegt, die die hiesigen Städte miteinander verbinden. Dazu zählt die 1844 fertiggestellte Chaussee von Norden nach Emden, die zudem ab Georgsheil einen Anschluss nach Aurich sicherte. Heute ist dies die Bundesstraße. Von 1844 bis 1846 wurde im Süden des heutigen Stadtgebiets der Ernst-August-Polder (benannt nach dem Hannoverschen König) eingedeicht. Die Chaussee nach Hage kam 1856 hinzu, neun Jahre später wurde sie bis Arle verlängert (Vorläufer der heutigen Landesstraße 6). Die Heerstraße ist Teil dieser alten Chaussee und verläuft auf einem alten Heerweg, der Teil des sogenannten Friesischen Heerwegs war.

Stadtplan von 1858.

Im Revolutionsjahr 1848 kam es auch in Norden zu politischen Umbrüchen und einem größer werdenden Interesse an politischer Teilhabe der aufstrebenden Bürgerschaft. So kam es beispielsweise zur Gründung eines Bürgervereins, dessen politisches Wirken jedoch nicht von langer Dauer war. Unter der Leitung des Tabakfabrikanten Arend Wilhelm Steinbömer wurde eine Bürgerwehr gegründet, die die öffentliche Ordnung aufrechterhalten sollte. Die erste Zeitung, das Norder Stadtblatt, erschien noch im selben Jahr. Weitere Verleger nutzten ebenfalls die neu gewonnene Pressefreiheit, ihnen allen war wirtschaftlich jedoch nur ein kurzes Leben beschieden. Erst 1867 wurde der Ostfriesische Kurier gegründet, der bis zum heutigen Tag das Lokalblatt des Altkreises Norden geblieben ist. Durch günstige Rahmenbedingungen gründeten sich im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung weitere bedeutende Unternehmen in Norden, so etwa - noch im Revolutionsjahr 1848 - die Eisenhütte. Ausschlaggebend hierfür waren besonders die gute Hafenanbindung der Stadt und Zoll-Privilegien.

Am 9. September 1857 besuchte König Georg V. von Hannover (Der blinde König) mit seiner Gemahlin die Stadt, sein Besuch wurde der Norder Bevölkerung von Bürgermeister Taaks drei Tage zuvor über die Rottmeister verkündet, sodass die Innenstadt ein bunt geschmücktes Fahnen- und Farbenmeer wurde. Insgesamt errichteten die Bürger zehn Ehrenbögen für den König, davon fünf im gotischen und fünf im byzantinischen Stil, die allesamt nach Art der römischen Triumphbögen gestaltet wurden. Der König und die Königin wurden durch die Stadt geführt und kehrten dabei auch im Hause des Bürgermeisters Taaks ein, der es eigens für diesen Besuch erweitern ließ.[65]

1858 erhielt die Stadt Zugang zum Telegrafennetz, was vor allem dem regelmäßigen Besuch des Königs geschuldet war.[66] Zum Leiter wurde 1866 der angesehene Kaufmann Peter Bourdeaux ernannt, welcher seine Amtsgeschäfte zunächst von der heimischen Stube am Neuen Weg 63 erledigte.[67] Erst mit dem Neubau des Postamtes erfolgte der Umzug dorthin.

1866 fiel Ostfriesland mit dem Verlust der Eigenständigkeit des hannoverschen Königreichs wieder an Preußen zurück. Der Zugang zum offenen Meer war zu dieser Zeit bereits stark verlandet und die Bedeutung des Norder Hafens dadurch deutlich geringer als noch in den Jahren zuvor. Gleichzeitig begann die Bedeutung des Norddeicher Hafens zu stiegen. Die Stadt selbst war mittlerweile nur noch über das Norder Tief mit dem Meer verbunden, da die Leybucht durch stetige Eindeichungen immer weiter verkleinert wurde. Auch die Bedeutung der Stadt als Handelsort sank stetig, hatte jedoch weiterhin überregionale Bedeutung im Handel mit Vieh, Holz und Getreide. Durch weitere Eindeichungen wurde der Zugang der Stadt zum Meer in den Folgejahren fortwährend weiter eingeschränkt. Dies mag im ersten Moment widersinnig klingen, aber die massiven Verlandungen des Norder Tiefs machten eine weitere Nutzung als Wasserstraße sinnlos.

Nach dem siegreichen Deutsch-Französischen Krieg (1870-1871) setzte eine wirtschaftliche Blüte ein, die dazu führte, dass die Stadt neue, kostenintensive Projekte ins Auge fasste. Da die kleine Stadt Norden mit ihren gerade einmal 90 Hektar (0,9 km²) Größe dafür keinerlei Platz besaß, kam wohl erstmals der Gedanke der Vereinigung mit der Norder Umlandgemeinde Sandbauerschaft auf, die die Stadt in einem (nördlichen) Dreiviertelring von Westen nach Osten umspannte. Da diese Plände wegen widerstreitender Interessen (vorerst) nicht umsetzbar waren, erwarb die Stadt einige Gebiete von der Sandbauerschaft, so etwa große Flächen in Ostlintel für die Schaffung des Neuen Friedhofs oder den Bau einer Höheren Töchterschule sowie eines Krankenhauses. Auch von der, bis 1972 ebenfalls noch eigenständigen, Gemeinde Westermarsch I erwarb man einen Teil des Vierzig Diemat genannten Gebiets und errichtete hier einen Schlachthof und ein Gaswerk.[68][69]

Ein bedeutendes Ereignis war der Anschluss an das nationale Eisenbahnnetz im Jahre 1883. Die Strecke wurde 1892 bis nach Norddeich weitergeführt. Dadurch gewann die Stadt für den Durchgangsverkehr von Touristen nach Norderney und anderen Ostfriesischen Inseln immens an Bedeutung. Im Herbst 1883 zog die Stadtverwaltung in das zugekaufte Neue Rathaus. Im Zuge der preußischen Gebietsreform des Jahres 1885 lösten in Ostfriesland die (größeren) Landkreise die vorherigen Ämter ab. Norden wurde zum Sitz des gleichnamigen Landkreises, der aus den früheren Ämtern Norden und Berum entstand.

Bedingt durch den verheerenden Brand der Frisiamühle, dessen Zeuge der damals amtierende Bürgermeister Johannes König wurde, kam es 1886 unter der Führung des Jan ten Doornkaat Koolman III. zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr.

Im Jahr 1889 begann der Bau der ersten Hafenmole in Norddeich. 1898 wurde erstmals das Fernsprechnetz (Telefon) nach Norden ausgebaut.

Um 1890 unternahm die Stadt erste Bestrebungen, den Bereich um den Norder Bahnhof, der innerhalb der Gemeindegrenzen von Süderneuland I und Süderneuland II lag, einzugemeinden. Zwischenzeitlich waren dort entlang der Bahnhofstraße zahlreiche prächtige Villen entstanden, die überwiegend von wohlhabenden Marschbauern aus dem Umland errichtet wurden. Dadurch verschwammen die baulichen Grenzen und die drei Orte wuchsen immer weiter zusammen. Dennoch verweigerten sich die Süderneulander Gemeinden einer Eingemeindung oder einer käuflichen Überlassung von Gebieten.[69]

1900 bis 1925

Ein Blick über die schöne Stadt Norden in der Zeit um die Jahrhundertwende.

1905 wurde die nahezu legendäre Küstenfunkstelle Norddeich Radio errichtet, damals noch am hiernach benannten Funkweg in Westgaste. Im selben Jahr hielt das Automobil in der Stadt Einzug.[70][71] Zu den regionalen Pionieren der Motorisierung zählte der Tüflter Carl Freese. der als einer der ersten Norder - oder womöglich sogar als der Erste - bereits 1903 ein Motorrad besaß.[70] Auf helle Begeisterung, aber auch argwöhnische Betrachtung stieß eine weitere Neuerung. Ein reisender Schausteller veranstaltete erstmals eine öffentliche Kinoaufführung in der Stadt. Der Ostfriesische Kurier titelte hierzu: Fey's Phono - Kinematograph - Die lebenden, singenden und sprechenden Photographen. Gezeigt wurden Filme wie Carnevalsaufzug in Nizza, Gretchens Liebesroman und Die berühmten Springbrunnen von Versailles.[72] Ebenfalls 1905 wurde vom Verein für naturgemäße Lebens- und Heilweise nahe des Hexenkolks die erste öffentliche Badeanstalt der Stadt eröffnet.[73] Die Anlage ist heute als BloMo bekannt.

Die Sozialdemokratie fasste in der Kleinstadt in ländlicher Umgebung erst spät Fuß. Zwar gab es bereits 1875 erste Versuche, sich zu organisieren, es dauerte aber noch bis 1902, bis von der Organisation eines Ortsvereins gesprochen werden konnte. Zu einem ersten, hierdurch bedingten Streik kam es 1906, als die Arbeiter der Eisenhütte in den Ausstand traten. Die Geschäftsführer ließen daraufhin in ganzseitigen Zeitungsannoncen die Namen der Streikenden abdrucken. Damit endete der Streik relativ glimpflich, denn zu dieser Zeit war es nicht ungewöhnlich, dass diese durch das Militär blutig niedergeschlagen wurden. Seinerzeit erachtete man Streiks keineswegs als bürgerliches Recht, sondern als einen Aufruhr bzw. Revolte.

1907 wurde die städtische Gasanstalt erweitert, die am Anfang jedoch nur die Straßenlaternen mit Stadtgas (später Erdgas) belieferte. Am 10. März 1914 erfolgte der Anschluss der Stadt an die Elektrizitätsversorgung.[71] Der Strom wurde vor allem vom Torfkraftwerk in Wiesmoor zugeführt.

Während des Ersten Weltkriegs wurden viele Norder Bürger zum Kriegsdienst eingezogen oder meldeten sich freiwillig. Viele von ihnen starben einen sinnlosen Tod auf den europäischen Kriegsschauplätzen. Während des Krieges werden auch in Norden und seinem Umland Kriegsgefangene auf den Bauernhöfen eingesetzt, um die fehlende Arbeitskraft zu kompensieren. Norddeich Radio hatte in den nächsten vier Jahren kriegswichtige Bedeutung für die Kaiserliche Marine und wurde entsprechend militärisch geschützt. Im letzten Kriegsjahr und noch bis 1919 strömten ganze Menschenmassen nach Norden und die umliegenden Gemeinden, um zu hamstern. Diese kamen zum Teil ganz aus dem Rheinland und versuchten Schuhe, Tee und persönliche Wertgegenstände gegen Lebensmittel, vor allem Erbsen, einzutauschen. Da die Reichswährung kein sicheres Zahlungsmittel mehr war, beschloss der Magistrat in der Endphase des Krieges erstmals die Einführung von Notgeld.

Postkarte mit verschiedenen Motiven (1909).

Nach Kriegsende übernahm ein Arbeiter- und Soldatenrat für kurze Zeit die Macht in Norden, löste sich jedoch schnell auf. Erstmals tauchten am 7. November 1918 bewaffnete Soldaten mit einer roten Fahne im Stadtgebiet auf; sie kamen vom nahe gelegenen Luftschiffhafen in Hage. Zum Einsatz von Schusswaffen kam es dabei glücklicherweise nicht. Der Teehandels-Unternehmer Onno Behrends versammelte in einem Bürgerausschuss Angehörige des bürgerlich-konservativen Lagers, die eine Zusammenarbeit mit dem Arbeiter- und Soldatenrat anstrebten - was auch gelang. Wie im übrigen Ostfriesland blieben die Arbeiter- und Soldatenräte jedoch eine kurze Episode, was nicht zuletzt an der ländlich-konservativen Haltung in weiten Teilen Ostfrieslands lag. Der Landkreis Norden mit seinen Kreisgebäuden am Fräuleinshof konnte daher schon recht früh wieder seine Arbeit aufnehmen, wobei eifrige Sozialdemokraten den Landrat Bayer erfolgreich dazu drängten, bei wichtigen Entscheidungen ein Mitspracherecht zu erhalten.[74] Die Folgejahre waren von großer wirtschaftlicher Not geprägt, die Arbeitslosenquote stieg bis 1931 auf gut 25 %.[75] Durch die geringere Anzahl von Haushalten bei gleichzeitig mehr Bewohnern waren die Folgen noch schwerwiegender als ohnehin.

Zum 1. April 1919 wurde die Sandbauerschaft schließlich nach langen Verhandlungen nach Norden eingemeindet, wodurch das Stadtgebiet und die Einwohnerzahl beträchtlich von etwa 0,9 km² auf über 14 km² wuchs. In einem Eingemeindungsvertrag legten die Parteien auch fest, dass bestimmte Straßen befestigt werden und einen Anschluss an die Straßenbeleuchtung erhalten sollen.[76]

Aufmarsch der NSDAP vor der Parteizentrale nach der Machtergreifung Hitlers.

1923 besetzten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet, um Ansprüche aus dem Versailler Vertrag gewaltsam durchzusetzen. In der Folge flohen viele Deutsche aus dem Ruhrgebiet oder wurden vertrieben. Einige von ihnen fanden in Norden eine Unterkunft, die meisten von ihnen kehrten jedoch nach dem Abzug der fremden Streitkräfte im Jahre 1925 wieder in ihre Heimat zurück. Ebenso 1923 erreichte die Inflation ihren absoluten Höhepunkt und ebbte erst nach der Währungsreform vom 15. November des Jahres ab. Diese und weitere Missstände in der jungen Demokratie führten dazu, dass die im gleichen Jahr gegründete NSDAP Ortsgruppe Norden auf einen ideologisch nahrhaften Boden stieß.[77] Ein Jahr später wurde eine Abteilung der Sturmabteilung (SA) gegründet. Noch ein Jahr später wies die Stadt auch eine Gruppe der Hitlerjugend auf.[78] In der Folgezeit wurde das Klima gegenüber Juden, Kommunisten und Sozialdemokraten immer rauer.

Ein strenger Winter in den Jahren 1925 bis 1926 führte dazu, dass alle östlichen Niederungsgebiete unter Wasser standen. So hoch, dass man dort teilweise sogar auf dem Boot fahren konnte.[79]

1926 bis 1949

Durch Eindeichung weiterer Ländereien entstand 1928 bis 1929 der Ort Neuwesteel (anfangs Süderpolder genannt), zunächst noch als eigenständige Gemeinde. Zur Entwässerung der neuen Ländereien wurde der Bau eines neuen Siels, des Leybuchtsiels, erforderlich. Norden verlor dadurch endgültig seinen Zugang zum offenen Meer und der Norder Hafen damit für immer an Bedeutung. Der Siegeszug des Norddeicher Hafens begann, wenngleich dieser langsam erfolgte, da er lange Zeit nur über Priele angefahren werden konnte.

Bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 erhielt die NSDAP in Norden insgesamt 45,3 % der Stimmen, bei den den Kommunalwahlen vom 12. März 1933 konnten die Nationalsozialisten in der Stadt sogar 48,6 % auf sich vereinigen, was sicherlich nicht zuletzt auf die konservative Gesinnung des Großteils der Norder Bürgerschaft sowie die anhaltende wirtschaftliche Misere zurückzuführen war.[78][80] Schon nach einigen Tagen setzten Verhaftungswellen gegen Kommunisten und Sozialdemokraten ein. Wenige Wochen später kam es zu weiteren Übergriffen auf politische Gegner: 27 Sozialdemokraten und Kommunisten wurden in der Gaststätte Zur Börse brutal misshandelt. Am 28. März ließ die SA in der Stadt sämtliche jüdische Geschäfte schließen und rief zu deren Boykott auf. Diese Maßnahme wurde am 5. April wieder beendet. Schon am Abend des 30. Januars 1933, dem Tag der Machtergreifung Hitlers, marschierten die Nationalsozialisten mit einem Fackelzug singend durch die Straßen.[81]

Am 19. April 1933 erhielt die Osterstraße den Namen Adolf-Hitler-Straße.[80] Ungefähr zur gleichen Zeit wurden auch die Feldstraße in Horst-Wessel-Straße und die Gartenstraße in Peter-Heuer-Straße umbenannt. Am 22. Juli 1935, kurz vor der Einführung der Nürnberger Rassengesetze, wurden Juden, die mit arischen Norder Frauen Kontakt hatten, durch die Hauptstraßen des Ortes getrieben, um den Hals ein Schild mit herabwürdigender Aufschrift. Ein bekanntes Bild dieser Zeit zeigt die Demütigung des jüdischen Lehrers Julius Wolff mit seiner arischen Freundin Christine Neemann.[80] Später wurde Elise Extra, deren Verlobten man nicht rechtzeitig fand, aus ähnlichen Gründen durch die Straßen getrieben. Sie trug, ebenso wie Neemann, ein Schild mit der Aufschrift "Ich bin ein deutsches Mädchen und habe mich vom Juden schänden lassen" um den Hals. Wolff trug ein Schild, auf dem "Ich bin ein Rasseschänder" stand. Alle drei wurden nach der Demütigung in Schutzhaft genommen und später der Gestapo überstellt.[82]

Der Bahnhof Norddeich in den 1920er Jahren.
Prangermarsch von Christine Neemann und Julius Wolff an der Osterstraße (1935).

Im Verlauf des Jahres 1938 setzte eine verstärkte anti-jüdische Hetze in der Norder Presse ein. Norden besaß über viele Jahrhunderte hinweg eine jüdische Gemeinde mit Synagogen in Norden und auf Norderney. Die Norder Synagoge wurde während der nationalsozialistischen Pogrome in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 durch Brandstiftung zerstört. Das einstige Schulhaus, das Wohnhaus des Rabbiners und das des Lehrers stehen indes bis heute. Die Synagoge auf Norderney blieb von den Aktionen in Zusammenhang mit den Novemberpogromen verschont, da sie zuvor an einen Eisenwarenhändler verkauft worden war, der dort einen Lagerraum einrichten wollte. Die in Norden lebenden Juden wurden am Schlachthof zusammengetrieben und gemeinsam mit den anderen ostfriesischen Juden in das KZ Sachsenhausen gebracht, von wo sie Wochen später zunächst zurückkehrten, ehe sie einige Zeit später endgültig deportiert wurden. Nach den Novemberpogromen löste sich die jüdische Gemeinde in Norden, die noch 1925 mehr als 230 Mitglieder hatte, auf. Noch 1933 gab es 50 Handelsbetriebe und Geschäfte mit jüdischen Eigentümern.[83] Die letzten Norder Juden wurden im April 1940 in Konzentrationslager abtransportiert. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde fast die Hälfte der jüdischen Norder umgebracht. Nur wenige von ihnen kehrten nach dem Krieg nach Norden zurück.

Schon vor dem Kriegsbeginn fanden auch in Norden unübersehbare Vorbereitungen für diesen statt. So mussten Lehrer und Schüler der Gräfin-Theda-Schule gleich am ersten Tag nach den Sommerferien 1939 eine Luftschutzübung abhalten. Zudem wurde in den Räumlichkeiten der Schule ein Lazarett eingerichtet.[84] Im Zweiten Weltkrieg wurde Norden mehrere Male von Bomben getroffen, die zu mehreren Todesopfern und Gebäudeschäden führten. Insgesamt gab es neun Bombenabwürfe auf Norden, weitere im unmittelbaren Umland. Die meisten Abwürfe waren jedoch sogenannte Notabwürfe, bei denen die Piloten ihr eigentliches Ziel nicht fanden. Insbesondere in der Endphase des Krieges kam es dann jedoch zu weiteren Kriegsverbrechen durch die britische Luftwaffe, als diese mehrfach mit Bordwaffen bei Tieffliegerangriffen auf unbewaffnete Zivilisten schoss.

Ebenfalls gegen Ende des Krieges wurden an den Zufahrtsstraßen mehrere Barrikaden durch Baumstämme und andere sperrige Gegenstände errichtet. Unter den wichtigsten Brücken brachte man Sprengsätze an, die beim Herannahen des Feindes gesprengt werden sollten, um dessen Vorankommen zu verlangsamen. Währenddessen schafften die Nationalsozialisten eifrig belastendes Material beiseite bzw. verbrannten es im Schornstein der Norder Molkerei.[85]

Luftbild der Innenstadt (um 1930).
Soldaten des Marinelagers Tidofeld marschieren anlässlich des Heldengedenktags am 15. März 1942.

Während des Krieges gab es zudem mehrere Kriegsgefangenenlager, unter anderem wurden die dort Internierten in der Produktion der Norder Molkerei, der Eisenhütte sowie in der Landwirtschaft eingesetzt, um das zum Kriegsdienst einberufene Personal zu ersetzen.[86]

Insgesamt überstand die Stadt den Zweiten Weltkrieg, von den Entbehrungen des Alltags abgesehen, relativ glimpflich. Norden nahm wie andere Städte und Gemeinden in Ostfriesland nach dem 6. September 1944 ausgebombte Emder auf, nachdem die Seehafenstadt durch alliierte Luftangriffe schwer zerstört worden war. Gut einen Monat später wurden mehrere Männer zwischen 16 und 60 Jahren, die aus unterschiedlichen Gründen noch nicht zum Kriegsdienst eingezogen waren, als letztes militärisches Aufgebot im Volkssturm auf dem Marktplatz vereidigt.[87]

Bereits ab Mitte 1944 begann die Stadt Norden mit dem Bau von Behelfsheimen, um die große Zahl der Flüchtlinge unterbringen zu können.[88] Mit der sich verschärfenden Versorgungslage wurden die Bürger aufgerufen, bei der Ernte mitzuhelfen. Ende Juli versammelten sich daraufhin über tausend Menschen auf dem Torfmarkt, bestiegen Lastwagen, Omnibusse und Fahrräder und machten sich auf dem Weg zum Ernteeinsatz. Unterstützung gab es von 1.200 Soldaten, die hierzu abkommandiert wurden.[89] Ab Dezember 1944 stieg die Zahl der Vertriebenen aus den (ehemaligen) deutschen Ostgebieten dann stetig an. Diese wurden zunächst vor allem in Privatwohnungen untergebracht.

Am 17. Januar 1941 wurde der Gasthof Hinrichs an der Sielstraße von einer Fliegerbombe getroffen. Ein junges Mädchen kam dabei ums Leben.
Volkssturm-Männer mit Panzerfäusten bei ihrer Vereidigung auf dem Marktplatz (Oktober 1944).

Am 6. Mai 1945 trafen kanadische Truppen von Georgsheil kopmmend in Norden ein, denen bald britische folgten. Nachdem aufgebrachte Norder Bürger bereits am 4. Mai energisch bei NSDAP-Parteiführer Lenhard Everwien, der noch am 20. April in einer Rede anlässlich des Geburtstags von Adolf Hitler zum Durchhalten aufgerufen hatte (die Alliierten standen zu diesem Zeitpunkt schon vor Leer) und verantwortlichen Angehörigen der Wehrmacht sowie der Stadtverwaltung vorgesprochen hatten, wurde die Stadt auf Geheiß von Landrat Fleischer und Vize-Bürgermeister Janssen kampflos übergeben. Nachfolgend übernahm die britische Militärregierung das Kommando in der Stadt und führte eine Entnazifizierung der Bevölkerung durch. Mehrere Gebäude in der Stadt wurden von den Besatzern requiriert, so etwa das Hitlerjugend-Heim und der Fräuleinshof.

Die weitestgehende Unversehrtheit Nordens war vor allem auf seine geringe militärische Bedeutung zurückzuführen. Zu erwähnen sind lediglich die die Küstenfunkstelle Norddeich Radio, der Norddeicher Hafen als Fährhafen nach Juist und Norderney, die durch den Atlantikwall militärisch aufgerüstet wurden, der Propagandasender Osterloog und das Ausbildungs- und Durchgangslager der Marine in Tidofeld. Um die Stadt herum wurden mehrere Flakstellungen und Bunker errichtet. Die Bunker dienten überwiegend dem Schutz der Bevölkerung, nur die beiden Bunker am Norddeich sollten der Verteidigung dienen und waren mit Flakstellungen ausgerüstet. Zum Einsatz an dieser - euphemistisch so genannten - Heimatflak wurden vor allem Schüler einberufen, die nach heutiger Definition als Kindersoldaten gelten würden. Hunderte Söhne und Töchter der Stadt starben auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt. Der Gefallenen beider Weltkriege wird noch heute jedes Jahr zum Volkstrauertag am Glockenturm gedacht, in dem sich eine Gedenktafel mit den Namen der Gefallenen findet. Zudem gibt es einen Soldatenfriedhof auf dem Neuen Friedhof (Parkfriedhof) in Ostlintel. Insgesamt kamen über 2.000 Norder, vornehmlich junge Männer, während des Krieges ums Leben.[90]

Für die Versorgung der Kriegsversehrten wurden mehrere Baracken, die teilweise noch aus dem Ersten Weltkrieg stammten, als Lazarett umfunktioniert. Auch fast alle anderen Schulen, insbesondere das Ulrichsgymnasium, wurden entsprechend umfunktioniert, um die zahlreichen Verwundeten zu versorgen. Die Panzersperren und unter Brücken deponierte Sprengladungen, die dort kurz vor Kriegsende noch von einigen Fanatikern entsprechend Hitlers Nerobefehls platziert wurden, wurden wieder entfernt, ehe sie gezündet wurden.[91]

Ab dem 6. Mai 1945 ging die Befehlsgewalt schließlich faktisch an die Kanadier. Sie beschlagnahmten zwei Häuser Am Markt, eins an der Gartenstraße, eins an der Linteler Straße sowie das Hitlerjugend-Heim. Sie schafften damit Platz für die Kommandantur, ein Offizierskasino, die Militärpolizei und ein Lazarett.[92]

Ab sofort waren alle öffentlichen Zusammenkünfte, insbesondere Sportveranstaltungen verboten bzw. bedurften einer schriftlichen Genehmigung durch die Militärregierung. Hierzu erließen die Briten umfassende Anweisungen, die streng kontrolliert und durchgesetzt wurden. Der Betrieb in sämtlichen Vereinen kam dadurch zum Erliegen und nur langsam wieder zu einem Neuanfang. Auch die Presse wurde zensiert, der Ostfriesische Kurier wurde gänzlich verboten. Erst ab Mitte 1947 erfolgten erste Lockerungen, bis die Pressefreiheit wieder gewährleistet wurde.[93]

Durch den Flüchtlingsstrom der Nachkriegszeit, insbesondere durch Zuweisung unzähliger Vertriebener aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, nahm die Bevölkerung Nordens in einem nie dagewesenen Umfang zu. Auf dem ehemaligen Ausbildungs- und Durchgangslager wurde ein Vertriebenenlager eingerichtet, in dem zeitweise weit über 1.000 Menschen gleichzeitig wohnten. Im gesamten Landkreis Norden wurden Ende 1946 bereits rund 17.000 Heimatvertriebene gezählt, 1949 waren es schon 27.000. Hinzu kamen 9.000 Menschen aus ausgebombten Städten, darunter vor allem aus Emden, das durch den alliierten Bombenterror am 6. September 1944 nahezu vollständig zerstört wurde. Diese rund 26.000 Menschen stellten damals rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung im Landkreis Norden. Unabhängig vom Lager Tidofeld wurden die Vertriebenen in der ganzen Region disloziert verteilt. Sie wohnten bei Familien, auf Bauernhöfen, in Scheunen, alten Rettungsschuppen, Baracken, und Flakscheinwerferhütten. Letztlich wurde alles als Unterkunft genutzt, was in irgendeiner Form vier Wände und ein Dach hat. Nach heutigen Maßstäben ein unvorstellbarer, aber auch damals natürlich schon unhaltbarer Zustand. Ebenso wurden die zahlreichen Wehrmachtsbaracken im Stadtgebiet zu Wohnlagern umfunktioniert, so etwa jene Baracken am Jahnplatz, nachdem die kanadischen Besatzungssoldaten dort abgezogen worden waren.

Im Ostfriesischen Kurier abgedruckte Verordnungen der britischen Militärregierung am Tag der deutschen Kapitulation (8. Mai 1945).

Zum ersten Bürgermeister der Nachkriegszeit ernannte die Militärregierung den bereits bis 1937 in diesem Amt tätigen Dr. Albert Schöneberg. Die Entnazifizierung schritt weiter zügig voran. Schnell erging beispielsweise die Anordnung, dass aus allen Amtsstempeln das Hakenkreuz entfernt werden musste. Viele Straßen, die unter den Nationalsozialisten einen neuen Namen bekamen, aber auch ältere, die nun belastet erschienen, wurden umbenannt. Dies traf nicht nur offensichtliche Straßennamen wie im Falle der Adolf-Hitler-Straße oder der Horst-Wessel-Straße, die sofort nach Kriegsende rückbenannt wurden, sondern auch eher unscheinbare Straßennamen wie Hindenburgstraße (Neuer Weg), Judenlohne (Synagogenweg), Blücherstraße (Otto-Leege-Straße), Graf-von-Spee-Straße (Norderneyer Straße) und Admiral-Scheer-Straße (Baltrumer Straße). Diese wurden allerdings erst 1946 mit ihrem heutigen Namen versehen.[94] Mit der Umbenennung der Scharnhorststraße in Ufke-Cremer-Straße verschwand der letzte militärisch klingende Name aus Norden.

Anfang 1946 konstituierte sich auf Anweisung der Besatzungsbehörden der erste Nachkriegsstadtrat. Hauptaufgabe dessen, der aus politisch nicht belasteten Mitgliedern bestand, war die Umsetzung der von der Militärregierung nach britischem Muster entwickelten neuen Deutschen Gemeindeordnung, die damit verbundene Redemokratisierung der kommunalen Strukturen und die Vorbereitung der ersten Kommunalwahlen. Wichtigstes Ziel der neuen Kommunalordnung war die Abschaffung des nationalsozialistischen Führerprinzips und seine Ersetzung durch das Prinzip gemeinschaftlicher Verantwortung.

Bereits im März 1946 wurde Schöneberg durch die Militärregierung als Bürgermeister nach Vorwürfen falscher Angaben über seine nationalsozialistische Vorbelastung wieder abgesetzt. An seine Stelle trat Johann Fischer als zweiter Nachkriegsbürgermeister. Der von der Besatzungsmacht neben dem Bürgermeister ernannte Stadtdirektor Georg Schubach musste bereits im Oktober 1947 sein Amt wieder abgeben, da er sich mit falschen Angaben um dieses Amt beworben hatte. Im Juni 1950 verurteilte ihn die Strafkammer Aurich wegen Betruges zu einer Haftstrafe. Schubachs Nachfolge trat Walter Klein an. Die Vorwürfe gegen Schöneberg konnten später entkräftet werden, sodass er 1948 ins Amt zurückkehren konnte.

Obgleich auch in Ostfriesland die Not nach dem Krieg groß war und die Region viele Flüchtlinge und Vertriebene zu versorgen hatte, ordneten die Alliierten an, dass die Stadt 150 Fahrräder in einwandfreiem Zustand an die Bergarbeiter im Ruhrgebiet zu liefern habe. Ferner seien 3.300 Decken abzugeben. Beide Ziele konnten nicht ansatzweise erfüllt werden, was allerdings folgenlos blieb. Um dem Mangel an Brennmaterial zu begegnen, wurde Norder Bürgern auf Antrag eine Moorfläche außerhalb der Stadt zugewiesen, damit diese dort Torf für sich und die Allgemeinheit (im Verhältnis von acht zu zwei Tagewerken) abbauen konnten.[95][96] Dennoch kam es häufig zu Diebstählen von Kohle und Koks am Güterbahnhof.[96] Auch versuchten Kriminelle mehrfach, bei Einbrüchen in Rathäuser an Lebensmittelmarken zu gelangen.[97]

Um Energie zu sparen, speiste das Gaswerk nur von 07:00 bis 07:30 Uhr sowie von 18:00 bis 19:00 Gas an die Heimleitungen ein, ebenso wurden alle Einzelhandelsgeschäfte ab 17:00 Uhr geschlossen, um Strom zu sparen. Diese hatten allerdings an mindestens drei Tagen die Woche, in jedem Fall aber montags, zu öffnen.[96] Den örtlichen Bäckereien wurde von der Stadtverwaltung heimlich aufgetragen, keine Torten im Schaufenster zu präsentieren, um bei den Besatzern nicht den Anschein von Wohlstand in Zeiten der größten Not zu erwecken.[98] Die Vorschriften über diese Energiesparmaßnahmen wurden erst nach Ende des Winters 1948/1949 aufgehoben.[99]

Im Mai 1946 erging die Anordnung zur Einrichtung von Wiegestellen an mehreren öffentlichen Plätzen. An diesen hatte sich jeder Einwohner über 18 Jahren zu wiegen und seine Größe ermitteln zu lassen. Mit den Daten sollte die Ernährungslage der Bevölkerung kontrolliert werden. Das Ergebnis war derart kritisch, dass man die landwirtschaftliche Nutzung von Flächen weiter intensivierte und beispielweise die Nutzung von Böden für einen Blumengarten oder vergleichbares unter Strafe stellte.[100] Bedeutenden Anteil daran, die Not zu lindern, brachten schließlich die sogenannten Care-Pakete, die die westlichen Siegermächte ab 1946 nach Deutschland schickten.[101]

Bis zur Währungsreform 1948 behalfen sich die Bewohner von Norden mit Tauschgeschäften, für die an mehreren Standorten in der Stadt Tauschzentralen eingerichtet wurden. Als alternative Zahlungsmittel dienten zudem, wie praktisch überall im Land, Zigaretten und andere Naturalien.[98]

1950 bis 1959

Ein zur Notunterkunft hergerichteter Bunker am Porghamerdrift in Ekel (um 1946).

Von 1947 bis 1950 wurde der Leybuchtpolder eingedeicht, auf dem später der gleichnamige Ort - zunächst als eigenständige Gemeinde - entstand. Die bislang letzte Eindeichung an der Leybucht geschah durch die Anlage des 4,75 Kilometer langen Störtebekerdeiches vor der Küste Leybuchtpolders. Bei der Vergabe des neuen Landes wurden die Deicharbeiter bevorzugt, die durch ihre Mühen die Besiedlung dieses Landstriches überhaupt erst möglich gemacht haben. "Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, dass bei der Verteilung des Siedlungslandes in der Leybucht in erster Linie die Arbeiter berücksichtigt werden sollen, aus deren Arbeit dieses Land überhaupt erst entstanden ist", hatte Mimke Berghaus, der Regierungspräsident in Aurich, dem Leiter des Norder Domänen- und Bauamtes bereits vor Beginn der ersten Baumaßnahme mitgeteilt. Es entstanden 53 größere Betriebe zu 10 bis 16 Hektar sowie mehrere kleinere Höfe und Häuser.

Für den Wiederaufbau und die Schaffung neuen Wohnraums hatte jeder Hauseigentümer ab dem 1. April 1949 eine Wohnungsbauabgabe zu entrichten, die 0,3 bis 0,5 % des Gebäudeversicherungswerts betrug. Dennoch reichten diese finanziellen Mitteln kaum aus, genügend Wohnraum zu schaffen und auch an Material mangelte es oft, sodass die letzten Wohnbaracken erst in den 1960er Jahren nicht mehr als solche benötigt wurden und abgerissen werden konnten.[102]

Nördlich der historischen Kernstadt entstand ab 1950 das Stadtviertel Norden-Neustadt auf dem Grunde von Ostlintel und Westlintel, vornehmlich, um die Vielzahl der Vertriebenen angemessen unterzubringen. Bis heute erinnert ein Großteil der Straßennamen an die Vergangenheit der Bewohner, da sie überwiegend nach ehemals deutschen Städten wie beispielsweise Königsberg, Breslau oder Stettin benannt wurden.

Dank der Währungsreform im Jahre 1948 linderte sich die wirtschaftliche Notlage der Bevölkerung zunehmend, sodass die Lebensmittelrationierung im März 1950 beendet werden konnte.[103] Das aufkommende Wirtschaftswunder führte einerseits zu einer deutlichen Steigerung des Wohlstands, andererseits drängten viele geburtenstarke Jahrgänge auf den Markt und nicht alle, die wollten, fanden sofort eine Arbeit. Auch der Strukturwandel in der Landwirtschaft, in der mit modernen Maschinen bessere Erträge verzeichnet wurden, durch die Zuwanderung von Vertriebenen und wegen des Mangels an alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten jenseits der Landwirtschaft waren die 1950er Jahre ein Jahrzehnt, das von hoher Arbeitslosigkeit geprägt war. So wanderten viele junge Norder ab, vor allem in das prosperierende Ruhrgebiet, wo nicht wenige im Bergbau eine Beschäftigung fanden.[104] Mit dem Wirtschaftswunder verließen auch viele ehemals Geflüchtete und Vertriebene die Stadt wieder auf der Suche nach (besseren) Arbeitsplätzen.

Stadtjugendtag 1952.
Torfbeschaffung mit dem LKW (um 1956).

Am 1. Januar 1951 traf der schwedische Fußballverein Nybro Idrottsförening in Norden ein und spielte gegen den FC Norden. Es war das erste internationale Fußballturnier der Nachkriegszeit. Das schwedische Volk erwies sich bereits im Vorfeld als Freund Nordens; es kam zu zahlreichen Spenden für die notleidende Stadt und ihre Bewohner. Ein weiteres großes Sportereignis folgte 1952 mit dem Stadtjugendtag.

Zum 5. Oktober 1951 erhielt die Stadt eine neue Verfassung, die die Vorgaben der neuen deutschen Gemeindeordnung nun auch formal durchsetzte.[105] In der neuen Verfassung wurde somit festgehalten, dass der Stadt ein Bürgermeister mit eher repräsentativen und ein Stadtdirektor für die eigentliche Verwaltungsleitung vorsteht. 1952 wurde Tidofeld, damals noch Teil der Gemeinde Lütetsburg, nach Norden eingemeindet und unmittelbarer Bestandteil der Kernstadt. Im gleichen Jahr kaufte die Stadt Vierzig Diemat der seinerzeit noch eigenständigen Gemeinde Westermarsch I ab, um hier weiteres Bauland erschließen zu können. Anders als Vierzig Diemat wurde Tidofeld im Jahre 1996 ein eigenständiger Stadtteil.

Typischer Siedlungshof in Leybuchtpolder.

Mitte der 1950er Jahre erfolgte ein großzügiger Ausbau der Infrastruktur in der Stadt, so etwa 1958 der Bau der Kanalisation, begonnen im historischen Stadtkern. Zudem wurden neue Schulen gebaut, so beispielsweise die Nadörster Schule. Schon jetzt wurden Rufe nach einer Umgehungsstraße für die Innenstadt laut, die immer stärker durch den immer dichteren Straßenverkehr belastet wurde. Möglich wurden zahlreiche Investitionen, die bis in die 1960er Jahre getätigt werden, jedoch nur dank erheblicher Zuschüsse von Bund, Land und Landkreis.[106] Mit dem Slogan Das Grüne Tor zum Meer wurde seinerzeit schon früh für Norden als Urlaubsort geworben.

Vom 24. Juni bis 3. Juli 1955 feierte die Stadt die 700-Jahrfeier, die an die erste urkundliche Erwähnung der Stadt im Norder Vertrag von 1255 erinnern sollte.[107] Bis heute wird dieses Jahr fälschlicherweise als Gründungsdatum der Stadt angesehen. Tatsächlich erfolgte eine formelle Stadtgründung erst im Jahre 1277.

1960 bis 1969

Zum 1. Dezember 1965 wurden die bis dahin eigenständigen Gemeinden von Westermarsch I, Westermarsch II, Neuwesteel und Leybuchtpolder zur Samtgemeinde Leybuchtpolder zusammengefasst.

Für die bessere medizinische Versorgung im Landkreis wurde 1966 ein neues Kreiskrankenhaus an der Osterstraße errichtet. Das Städtische Krankenhaus an der Feldstraße wurde entwidmet und an die Stadtwerke Norden übergeben. Die zahlreichen Baracken, die ehemals als Lazarett dienten, wurden schon vorher abgerissen. Als einzige ist noch jene Baracke an der Kastanienallee erhalten, die als Außenstelle des städtischen Krankenhaus diente. Sie wird bis heute als Vereinsheim für drei Norder Vereine genutzt.

Ein Vertriebenenausweis von 1955.
Norden auf einer Postkarte aus den späten 1960er Jahren.

Obwohl Norden ironischerweise den Zweiten Weltkrieg mit nur sehr geringen Schäden überstand und seine historische und schützenswerte Altstadt, anders als Emden, praktisch gänzlich erhalten konnte, wurde ein Großteil dieser 1968 durch die sogenannte Altstadtsanierung dem Erdboden gleichgemacht. Den Baumaßnahmen fiel ein nicht unbeachtlicher Teil der historischen Grundstruktur der Stadt zum Opfer. Die das Ortsbild maßgeblich prägenden Gebäude an der nördlichen Kirchstraße, der Sielstraße, der Großen Lohne und Steenbalgen wurden hierbei abgebrochen und gingen dadurch für immer verloren. Die Wohnungsbaugesellschaft Neue Heimat errichtete auf dem nun freien Gelände mehrere, an Hochbunker erinnernde Mehrfamilienhäuser und dazu drei nicht minder unansehnliche Wohnhochhäuser auf dem heutigen Jan-ten-Doornkaat-Koolman-Platz, der bis dahin noch ein Teil der Kirchstraße war. Unter dem Jan-ten-Doornkaat-Koolman-Platz wurde unter dem Eindruck des sich verschärfenden Kalten Krieges ein Nuklearwaffensicherer Tiefbunker errichtet, der bis heute jedoch hauptsächlich als Tiefgarage verwendet wird. Als weitere Maßnahme wurden mehrere Straßen rund um den Marktplatz verbreitert, außerdem mussten die Alleebepflanzungen der Bahnhofstraße und der Norddeicher Straße weichen.

Unzählige weitere, stadtbildprägende und bedeutende Gebäude wurden - zum großen Teil ohne jegliche Not - abgerissen und entweder durch nichtssagende Neubauten, Parkplätze oder Straßenzüge ersetzt. Gebäude wie das Schöninghsche Haus und das Vossenhus entkamen nur knapp diesem Schicksal, was einzig und allein dem Engagement mehrerer Norder Bürger wie Veit Wucherpfennig zu verdanken war. Da jedoch in den 1970er Jahren allmählich ein Umdenken stattfand, wurde glücklicherweise ein Großteil der historischen Baustruktur erhalten. Ein sehr gutes Beispiel für diesen Sinneswandel sind die große Bemühungen um den detailgetreuen Wiederaufbau der Dritten Schwester oder der Erhalt des Engenahofs, bei dem zwar der marode Innenteil abgerissen, die historisch wertvolle Fassade sowie der Kellerbau jedoch erhalten wurden.

Am 11. August 1969 wurde die englische Stadt Bradford-on-Avon zur Partnerstadt Nordens.[108][109] Später benannte man ihr zu Ehren die Bradforder Straße in Westlintel.

1970 bis 1979

Zwischen 1969 und 1979 wurde im durch den Tourismus aufblühende, jedoch erst ab 1972 zu Norden gehörenden Stadtteil Norddeich erheblich in die Infrastruktur investiert. Es entstanden ein Meerwasserhallenbecken, neue Promenaden und ein aufgespülter Sandstrand.[110] Dies führte dazu, dass Norddeich seit 1979 die offizielle Bezeichnung Staatlich anerkanntes Nordseebad zuerkannt wurde. Norden-Norddeich ist damit das größte staatlich anerkannte Nordseebad an der ostfriesischen Nordseeküste. Ab 1978 wurde auch mit dem Bau der Seehundstation begonnen, die sich bis dahin am Schwanenteich befand.

Blick vom Wasserturm in Richtung Stadt. Die Gärten liegen noch heute An der Welle (1979).

Auch in den Küstenschutz wurde investiert; den Baumaßnahmen fiel unter anderem die beliebte Landgaststätte Großer Krug zum Opfer. Weitere, kräftige Investitionen in die Infrastruktur führten auch zu einem Ausbau des Verkehrsnetzes. Mehrere Straßen in der Innenstadt wurden erweitert, so etwa Am Markt, die Uffenstraße und die Heringstraße. Für den Ausbau mussten neben historischen Bauten auch der bekannte Pannkooksboom weichen, der 1971 gefällt wurde.[111]

Durch die niedersächsische Kommunalreform 1972 kamen die bis dahin selbstständigen (Samt-)Gemeinden Leybuchtpolder, Neuwesteel, Norddeich, Ostermarsch, Süderneuland I, Süderneuland II, Westermarsch I und Westermarsch II zum Stadtgebiet und wurden fortan als Stadtteile gezählt. Auch Bargebur wurde von der Gemeinde Lütetsburg abgespalten und Norden zugewiesen. Die Stadt erreichte dadurch ihre heutige Ausdehnung von 106,33 km² (von zuvor 14 km²).[112]

Bei der Kreisreform 1977 wiederum verlor die Stadt den Sitz des gleichnamigen Kreises und gehört seither als Mittelzentrum zum Landkreis Aurich mit der Kreisstadt Aurich. Dies war vor allem bedingt durch den einsetzenden wirtschaftlichen Niedergang der Stadt und des Umlandes sowie der geringeren Einwohnerzahl gegenüber dem Altkreis Aurich, wenngleich Aurich selbst früher eine sehr viel geringere Einwohnerzahl als Norden hatte. Auch war Aurich seit den Cirksenas und später als Sitz der preußischen Regierungsbehörden von größerer Bedeutung und eine Behördenstadt geworden. Die Stadt bezeichnet sich daher selbst auch als Hauptstadt Ostfrieslands.

Steigende Arbeitslosigkeit und mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten führten bei der aufstrebenden Nachkriegsgeneration zu großer Resignation. Lange und konfliktreiche Verhandlungen erreichten schließlich den Bau eines Jugendzentrums an der Parkstraße.[110] Im Februar des Jahres verursachen anhaltende Schneefälle die sogenannte Schneekatastrophe, die das öffentliche Leben lahm legte und die Behörden und Menschen vor große Herausforderungen stellte.

1980 bis 1989

Postkarte von etwa 1985.

Wirtschaftlich ging es Norden in den 1980er Jahren außerordentlich schlecht. Die Schließung eines erst 1970 errichteten Zweigwerks des Büromaschinenherstellers Olympia in Tidofeld und der langsame Niedergang von Doornkaat sowie weiterer Betriebe trieben die Arbeitslosigkeit in die Höhe. Beinahe 30 % der Norder Erwerbsfähigen waren zu dieser Zeit arbeitslos gemeldet. Der traurige Höchststand wurde am Jahresbeginn 1986 mit 29 % erreicht.[108]

1989 erfolgte die Umwandlung des Neuen Wegs und der westlichen Osterstraße zu (provisorischen) Fußgängerzonen. Fortan verwaiste der südliche Neue Weg und wurde kaum noch frequentiert. Ein Umstand, der sich bis heute erhalten hat. Um den Einkaufsstandort Norden zu fördern, entwickelten Norder Kaufleute in den 1980er Jahren den Werbeslogan Kam mal na Nörden (Komm' mal nach Norden).[113] Tatsächlich ist der Leerstand in der Norder Innenstadt bis heute sehr gering, was vor allem dem geschickten Zusammenspiel zwischen der städtischen Wirtschaftsförderung und der sehr engagierten Norder Kaufmannschaft zu verdanken ist.

1990 bis 1999

1990, kurz nach dem Fall der Berliner Mauer, wurde Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern zur Partnerstadt von Norden.[108] Es war damit die zweite Stadt neben dem englischen Bradford-on-Avon. Auch zu Ehren von Pasewalk benannten die Stadtobersten eine Straße.

In den 1990er Jahren siedelten sich wieder vermehrt Betriebe an, vor allem im Leegemoor, das sich fortan zu einem blühenden Gewerbegebiet entwickelte. Die hohe Arbeitslosigkeit nahm dadurch sukzessive ab, ist aber - bis heute - regelmäßig die höchste in Ostfriesland. Das Ende des 1980er Jahre begonnenen Provisorium, eine Fußgängerzone aus dem Neuen Weg zu machen, wurde nun durch Baumaßnahmen umgesetzt. Die Fahrbahn wurde verkleinert, die Gehwege verbreitert. 1999 wurde auch die innerstädtische Osterstraße verkehrsberuhigt, blieb jedoch aufgrund ihrer Wichtigkeit für den Kraftfahrzeugverkehr eine Einbahnstraße.[108] Langsam, aber sicher entwickelte sich die Stadt vorwiegend in einer Nord-Süd-Achse mit wirtschaftlichem Schwerpunkt im Süden und touristischem im Norden.[114] Schon in den 1980er Jahren, mehr noch in den 1990er Jahren, war die Stadt dazu übergegangen, den Marktplatz Stück für Stück attraktiver zu gestalten, den Gebäuden historische Details zurückzugeben und historische Merkmale nachträglich besonders hervorzuheben.

1996 wurde Tidofeld, das seit seiner Eingemeindung im Jahr 1952 zur Kernstadt gehörte, ein eigenständiger Stadtteil. Die Gründung des neuen Stadtteils ging einher mit der Bebauung der Flächen nördlich der Heerstraße. Im September des Jahres manipulierten drei SPD-Kandidaten die Kommunalwahlen, sodass diese nach einer erfolgreichen Klage vor dem Oldenburger Verwaltungsgericht am 8. November 1998 wiederholt werden musste.[115]

Die Geschichte der stolzen Küstenfunkstelle Norddeich Radio endete am 31. Dezember 1998. In das Gebäude zog nachfolgend ein Callcenter einer Telekom-Tochtergesellschaft ein.

2000 bis 2009

Durch Ausweisung mehrerer Neubaugebiete wuchs der (erweiterte) Stadtkern vor allem Mitte der 2000er Jahre beträchtlich. Unter anderem wurden zahlreiche Neubauten in Vierzig Diemat (nördlich der Straße Am Norder Tief) sowie westlich des Warfenwegs erschlossen.

2005 feiert die Stadt die 750-Jahrfeier und gedachte dabei der ersten gesicherten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1255 im sogenannten Norder Vertrag. Wie schon bei der 700-Jahrfeier im Jahre 1955 wird die Ersterwähnung der Stadt fälschlicherweise mit dem Gründungsdatum verwechselt. Nichtsdestotrotz feierten die Norder ausgelassen mit Straßenfesten, Aufführungen und allerlei Programm. Eines der Highlights war die Nachstellung des Brandes der Andreaskirche im Jahre 1531 nach Brandschatzung durch Balthasar von Esens. Die Andreaskirche wurde hierbei zwar lediglich etwas spartanisch mittels Gerüst dargestellt, doch bot das Schauspiel drumherum einen interessanten Einblick in die Stadthistorie.

Am Sonntag, den 2. Juli 2006 wurde die Norder Innenstadt im Rahmen des Ab.in.die.Mitte-Projekts Norden-Nordsee: Natürlich mit Wasser zum Ort eines besonderen Schauspiels. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk bauten gemeinsam einen ein Kilometer langen Wasserlauf quer durch die Stadt, der von der alten Pumpe auf dem Marktplatz gegenüber Rathaus bis hin zum Cage lief, wo das Wasser schließlich in das Norder Tief abgelassen wurde. Der etwa eineinhalb Meter breite Wasserlauf hatte eine Gefällstrecke von etwa drei Metern, an drei Stellen wurde das Brunnenwasser eingespeist. Schätzungsweise zwei Millionen Liter Wasser flossen so durch die Stadt. Der Hintergrund der Aktion Leben an und auf der Wasserstraße ging auf die bauliche Entwicklung Nordens im Stadtkernbereich zurück: Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts existierte an der rückwärtigen Seite der Geschäftsgrundstücke am Neuer Weg in Nordsüdrichtung ein Die Helle genannter, offener Wasserlauf. Dieser begann im Garten der Behrendsschen Villa (heute WBZ-Garten) und mündete in Höhe der Dammstraße in das Norder Tief.[116]

Nach Jahrzehnten der Diskussion und des Bemühens um Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan erhielt Norden im Jahr 2009 endlich eine Umgehungsstraße, die Teil der Bundesstraße 72 wurde. Durch den Bau wurde die innerstädtische Verkehrsbelastung erheblich reduziert. Zugleich verloren die Bahnhofstraße, Burggraben die Norddeicher Straße ihren Status als Bundesstraße und wurden zu Landesstraßen.

2009 wurde die Stadt in das mit ihren für die Altstadt geplanten Sanierungsmaßnahmen in das Städtebauförderungsprogramm des Landes und des Bundes aufgenommen. Zum Tragen kam dabei die Programmkomponente Städtebaulicher Denkmalschutz. Im Rahmen des Programms wurden Fördermittel bereitgestellt, um die erkannten städtebaulichen Missstände zu beseitigen. Insgesamt umfasste das Sanierungsgebiet eine Fläche von 28,9 Hektar.

2010 bis 2019

2010 erhielt Norddeich den Status als Staatlich anerkanntes Nordseeheilbad, was der höchsten touristischen Anerkennungsstufe für Orte an den deutschen Küsten entspricht.

Im Oktober 2013 wurde bekannt, dass der Landkreis Aurich und die Stadt Emden über ein gemeinsames Krankenhaus in bzw. bei Georgsheil nachdachten und die Machbarkeit prüfen wollten. Bei einem Bau einer solchen Zentralklinik würden die beiden Standorte der Ubbo-Emmius-Klinik sowie das Hans-Susemihl-Krankenhaus geschlossen. Im Juni 2017 fand ein Bürgerentscheid zur Frage statt, ob eine Zentralklinik in Georgsheil gebaut werden soll. Während die Bürger des Landkreises Aurich dafür stimmten, lehnten die Einwohner der Stadt Emden dies ab. In einem zweiten Bürgerentscheid in Emden zur gleichen Fragestellung im Mai 2019 votierten 54,75 % der Wahlberechtigten für einen Bau. Das Schicksal der Norder Klinik als reguläres Krankenhaus wurde damit besiegelt, wenngleich dieses bis zum heutigen Tage in Betrieb ist und ein Bau der Zentralklinik nach wie vor auf sich warten lässt und unvermindert hoher Kritik ausgesetzt ist.

Die frühen 2010er Jahre waren vor allem von einem beispiellosen Bauboom geprägt, wie er sich auch bundesweit abzeichnete. Es entstanden mehrere Baugebiete, die vielen Einheimischen und Zugereisten einen Bauplatz boten. Gegen Mitte der 2010er Jahre ebbte dieser Trend trotz weiterhin großer Nachfrage ab. Begründet wurde dies unter anderem mit einer befürchteten Oberflächenversieglung und Zersiedlung des Landschaftsbilds. Paradoxerweise wurden jedoch die Siedlungsgebiete Auf dem Lehmstück und Südlich Wigboldstraße nicht in Norden, sondern in dem seit jeher ländlich und landwirtschaftlich geprägten Westermarsch II erschlossen. Ein bereits 2011 für die Dorferneuerung in Leybuchtpolder und Neuwesteel fertiggestelltes Konzept zur städtebaulich verträglichen Umsetzung neuer Bauplätze bei gleichzeitigem Entgegenwirken des demografischen Wandels kam hingegen bislang nicht zur Umsetzung.[117]

In der Amtszeit von Bürgermeister Schmelzle vervielfältigte sich der Baupreis für einen Quadratmeter erschlossenen Baulands innerhalb von drei Jahren um annähernd 150 %. Am 25. April 2018 beschloss der Rat der Stadt Norden eine Erhöhung des bisherigen Preises von 40,90 € pro Quadratmeter auf 55,00 Euro, am 17. September 2019 auf 80,00 Euro und am 13. Juli 2021 schließlich auf 95 Euro. Seit letztgenanntem Datum galt diese Preisdeckelung zudem nur noch für 50 % der Grundstücke, die andere Hälfte konnte zu deutlich höheren Preisen veräußert werden. In der Folge wichen vor allem junge Familien in das Umland aus, während in Norden vor allem größere Mehrparteienhäuser für Zweitwohnungsbesitzer und Senioren aus Nordrhein-Westfalen entstanden, deren Wohnungspreise bis etwa 2014 noch typischerweise dem eines großen Einfamilienhauses mit Doppelgarage entsprachen. Sehr häufig wurden für den Bau solcher großer Gebäude ortsbildprägende und erhaltenswerte Gebäude älteren Baujahres ohne Not durch (oftmals auswärtige) Investoren abgebrochen und dadurch die kleinteilige, stadtbildprägende Struktur unwiderruflich beschädigt. Eine derart schwerwiegende Misshandlung des Stadtbildes, dem kaum städtische Regelungen entgegenstanden, gab es seit der Altstadtsanierung in den 1960er bis 1970er Jahren nicht mehr.

Der Stadtrat versuchte einerseits, dem Problem durch Programme zur Kaufförderung älterer Häuser durch junge Familien zu begegnen (Jung kauft Alt), doch beschloss praktisch zeitgleich und paradoxerweise die eklatanten Erhöhungen beim Wohnbauland. Auch Bürgermeister Schmelzle stellte sich nicht gegen die Zerstörung des Stadtbilds, was ihm insbesondere im Vorfeld der Kommunalwahlen 2021 umfassende Kritik der Bürgerschaft und anderer Kandidaten um das Amt des Bürgermeisters einbrachte. Die Entscheidung der Gebührenerhöhung bei der Baulandvergabe wurde vor allem mit gestiegenen Erschließungskosten begründet. Im Gegensatz zu anderen Gemeinden vergibt Norden seit 1993 alle nicht-hoheitlichen (alle nicht zwingend durch staatliche Stellen zu bewältigenden) Aufgaben zur Baulanderschließung an private Investoren, während selbst kleine Kommunen mit bedeutend kleinerem Verwaltungsapparat wie die Samtgemeinde Hage selbst Bauland erschließen und dadurch deutlich günstigere Preise anbieten können. Hierdurch erhalten diese sich die Kaufkraft und den Anteil der kommunalen Zuteilungen der Einkommenssteuer junger Familien bzw. steigern diese durch entsprechenden Zuzug sogar noch. Anhand entsprechender Punktesysteme werden zudem einheimische Personen bzw. Familien mit Bezug zur Gemeinde anderen Bewerbern, insbesondere nicht mehr einkommenssteuerpflichtigen Senioren und Zweit- und Drittwohnungssuchenden aus Nordrhein-Westfalen sowie Investoren, vorgezogen.

2020 bis 2029

Die COVID 19-Pandemie erreichte im Frühjahr 2020 auch die Stadt Norden. Ab dem Sommer wurde vom Landkreis Aurich das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes im innerstädtischen Bereich und an frequentierten Bereichen am Norddeicher Hafen verfügt. Zeitweise kam es zu einem Aufenthaltsverbot für Zweitwohnungsbesitzer und Personen mit touristischen Intentionen. Dies führt dazu, dass der sonst stark frequentierte Ortskern von Norddeich zu Ostern 2020 einer Geisterstadt glich. Paradoxerweise stieg im gleichen Jahr die Zahl der Einwohner um 741 auf 25.614, was prozentual und absolut den stärksten Zuwachs seit der niedersächsischen Kommunalreform von 1972 mit den damit verbundenen Eingemeindungen darstellte. Zurückzuführen war dies mutmaßlich vor allem auf eine Vielzahl nicht amtlich registrierter Erst- oder Zweitwohnungsbesitzer, die sich in Anbetracht des behördlichen Aufenthaltsverbotes und dem damit verbundenen Repressalien nachträglich anmeldeten. Auch 2021 stieg die Einwohnerzahl um weitere 130 Neubürger.

Zum Sommer 2020 kehrte der Tourismus, in geringerem Maße und durch zahlreiche Vorschriften eingeschränkt, zurück. Durch anhaltende Schließungen gastronomischer Betriebe und Beherbergungsstätten verloren zuvor viele Menschen ihre Arbeit oder konnten nur dank Kurzarbeitergeld bzw. staatlichen Zuschüssen ihre (wirtschaftliche) Existenz bewahren. Auch Jahrmärkte und der Weihnachtsmarkt fielen aus, das Weihnachtsfest war geprägt von stringenten Einschränkungen auf kleine Personenzahlen bzw. zwei Haushalte. Erst im Frühjahr bzw. Sommer 2021 wurden die Regelungen nach und nach gelockert, auch vor dem Hintergrund der ersten Impferfolge, sodass der Tourismus ab Ostern 2021 wieder an Fahrt gewinnen konnte. Die Zahl der Tagestouristen erreichte dabei einen neuen Höchststand, was aus Sicht des Infektionsschutzes als kritisch betrachtet wurde.

Bei den Kommunalwahlen am 12. September 2021 erreichte Bürgermeister Schmelzle gerade einmal 20,18 % der Stimmen, während Florian Eiben als einer seiner fünf Herausforderer einen Stimmenanteil von 40,66 % auf sich vereinigen konnte. Da jedoch keiner der Kandidaten einen absoluten Stimmenanteil erringen konnte, kam es zwei Wochen später zu einer Stichwahl, die Eiben mit einem klaren Sieg für sich entscheiden konnte.[118] In den sozialen Medien war bereits im Vorfeld der Wahlen erkennbar, dass dem bisherigen Amtsinhaber ein eher kritisches Zeugnis ausgestellt wurde. Vor allem wurde der Ausverkauf der Stadt an auswärtige Investoren und Neubürger, die dadurch bedingte Zunahme lebloser Rollladensiedlungen mit pflegeleichten, aber unansehnlichen Kiesgärten sowie die durch den gravierenden Anstieg bei Grundstücks- und Baukosten bedingte Abwanderung steuerzahlender Mitbürger, die die Stadt in Ermangelung an Alternativen verließen. Dennoch war die Amtszeit Schmelzles durchaus von bedeutenden Erfolgen geprägt, wie etwa den Beginn des umfangreichen Ausbaus des Norddeicher Strands (Masterplan Wasserkante) zu einer noch attraktiveren Umgebung und dem Kauf des ehemaligen Doornkaatgeländes, wodurch die Stadt nun Eigentümer eines Geländes mit einem vielfältigen und hohen Potential wurde.

Verwaltung und Politik

Vergangenheit

Friesland - und damit auch Ostfriesland - unterstand, anders als sonst zur Zeit des mittelalterlichen Lehnswesens üblich, keiner zentralen Herrschaft. Dieses Vorrecht, die Friesische Freiheit bekamen die Friesen der Legende nach von Karl dem Großen persönlich verliehen. Die Friesen unterstanden damit nur dem Kaiser und hatten ansonsten keine Herren über ihnen zu dulden. Stattdessen organisierten sie sich selbst in - mehr oder weniger - demokratischen Genossenschaften, in denen prinzipiell jeder gleichberechtigt war. Diese grundsätzliche Gleichberechtigung galt jedoch vielmehr für alle Eigentümer von Hofstellen und zugehörigem Land in ihren jeweiligen Dörfern und Kirchspielen (Pfarrbezirk). Die öffentlichen Ämter der Richter (Redjeven) wurden durch jährliche Wahlen besetzt. Theoretisch standen diese Ämter allen Friesen offen, doch faktisch wurden diese insbesondere durch die Mitglieder der größten und wohlhabendsten Familien bekleidet.

Dieses mehr oder weniger feste Konstrukt konnte bis in das 14. Jahrhundert bestehen, ehe sich schließlich aus den wenigen reichen und einflussreichen Familien - entgegen der Prinzipien der Friesischen Freiheit - ein Adel bildete. Das 14. Jahrhundert war durch viele schwere Sturmfluten, wie die Erste Dionysiusflut oder die Zweite Marcellusflut sowie eine verheerende Pestepidemie geprägt. Viele Menschen kamen ums Leben und für die Überlebenden gab es größere Sorgen, um die sie sich kümmern mussten als die politische oder genossenschaftliche Teilhabe. Der aufstrebende Adel, der die Krisen besser als der große Teil der armen Bevölkerung überstand, nutzte diese Umstände, um seinen Einfluss zu vergrößern. Viele von ihnen verstanden es, die Lage geschickt zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sie sahen ihre Autorität nicht mehr vom Willen der Gemeinde abhängig, sondern ihrem eigenen. Nach und nach formierten sich mehrere Häuptlingsgeschlechter in Ostfriesland. In der Westermarsch gelangten zunächst die Idzinga an die Macht, deren Hauptsitz in Itzendorf in der östlichen Westermarsch war. Ihre Steinhäuser, mit denen sie sich ohnehin von den oftmals erbärmlichen Behausungen der meisten Mitmenschen abhoben, vergrößerten sie weiter und formten daraus den ostfriesischen Typus an Burgen. Auch begannen sie, Söldnerheere aufzustellen, um ihren Machtanspruch im Zweifel mit Gewalt durchsetzen zu können.

Vor allem durch Kriege mit der mächtigen Hanse und dem Wiedererstarken der Großbauern verlor das Häuptlingswesen nach und seine Bedeutung. 1464 erhob Kaiser Friedrich III. den Häuptling Ulrich Cirksena in den Reichsgrafenstand und belehnte ihn mit Ostfriesland. Die Cirksena regierten noch bis 1744, als ihr Geschlecht im Mannesstamm erlosch und Ostfriesland an Preußen fiel. Das Amt Norden (Vorläufer des Landkreis Norden) wurde durch vom Grafen bzw. Fürsten eingesetzte Vogte und Drosten verwaltet, deren Aufgabe in etwa mit denen eines Landrats vergleichbar war. Unter ihnen standen die Norder Bürgermeister, von denen es - anders als heute - grundsätzlich zwei oder mehr Bürgermeister gab, die überwiegend die Beschlüsse des Stadtrates bzw. des Landesherren umsetzten. Die Liste der Bürgermeister der Stadt Norden lässt sich bis in das späte 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Die Gesamtheit aus Rat und Bürgermeistern wurde Magistrat genannt.

Egal ob unter preußischer oder hannoverscher Herrschaft: Die Norder scheinen im Gros treue, kronloyale Untertanen gewesen zu sein.[119] Bis heute hat sich an der überwiegend konservativen Einstellung nicht viel geändert, auch wenn die Zeiten liberaler sind als früher und keine bürgerlich-konservative Oberschicht mehr den Ton in der Gesellschaft angibt. Nach dem Erstarken der Sozialdemokratie ist Norden insbesondere seit der Nachkriegszeit eine ihrer Hochburgen und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands lange Zeit die Partei mit den meisten Stimmen. Arbeiterbewegungen (1875 gab es erste, erfolglose Versuche, eine Gewerkschaft zu etablieren) hatten in Norden und in Ostfriesland allgemein jedoch Schwierigkeiten, Fuß zu fassen, da die soziale und staatliche Kontrolle groß war und zudem auswärtige Agitatoren kaum Stimmung machen konnte, da diese - anders als die Ostfriesen - nur hochdeutsch sprachen. Nicht zuletzt wegen mehrerer, auswärtiger Arbeiter, die 1894 und 1895 beim Wiederaufbau des 1893 niedergebrannten Lütetsburger Schlosses mithalfen und eifrig Stimmung bei ihren einheimischen Kollegen machten, war aber auch hier der Siegeszug sozialdemokratischer Bewegungen nicht mehr aufzuhalten.[120]

Administrativ war die Stadt bis 1904 in sogenannte Kluften unterteilt, die wiederum in Rotten zerfielen. Es gab die Norderkluft, die Osterkluft, die Süderkluft und die Westerkluft. Eine Hausnummerierung gab es bis dahin nur jeweils innerhalb diesen Kluften, Straßennamen spielten nur eine untergeordnete, eher alltagssprachliche Rolle bzw. waren größtenteils noch gar nicht vergeben.

Bei den Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919, bei der erstmals auch Frauen wählen durften, konnten die Deutsche Demokratische Partei (DDP) sowie die Deutsche Volkspartei (DVP) 1.606 der Norder Stimmen auf sich vereinigen, die beiden sozialdemokratischen Parteien 1.261 Stimmen. Die übrigen, kleinen Parteien, die dem rechten Spektrum zuzuordnen waren, erhielten nur 639 Stimmen.

Gegenwart

Am 8. Juni 1945 ernannte die britische Militärregierung Dr. Albert Schöneberg zum ersten Nachkriegsbürgermeister der Stadt Norden. Anfang 1946 konstituierte sich auf Anweisung der Besatzungsbehörden der erste Nachkriegsstadtrat. Hauptaufgabe des ernannten Stadtrates, der aus politisch nicht belasteten Mitgliedern bestand, war die Umsetzung der von der Militärregierung nach britischem Muster entwickelten neuen Deutschen Gemeindeordnung, die damit verbundene Re-Demokratisierung der kommunalen Strukturen und die Vorbereitung der ersten Kommunalwahlen. Wichtigstes Ziel der neuen Kommunalordnung war die Abschaffung des nationalsozialistischen Führerprinzips und seine Ersetzung durch das Prinzip gemeinschaftlicher Verantwortung. Bereits im März 1946 wurde Schöneberg durch die Militärregierung als Bürgermeister abgesetzt. An seine Stelle trat Johann Fischer als zweiter Nachkriegsbürgermeister.

Der von der Besatzungsmacht neben dem Bürgermeister ernannte Stadtdirektor Georg Schubach musste bereits im Oktober 1947 sein Amt wieder abgeben, da er sich mit falschen Angaben um dieses Amt beworben hatte. Im Juni 1950 verurteilte ihn die Strafkammer Aurich wegen Betruges zu einer Haftstrafe. Schubachs Nachfolge trat Walter Klein an.

Die ersten freien Kommunalwahlen nach 1932 fanden in Ostfriesland am 15. September 1946 statt. Das Norder Wahlergebnis brachte für die SPD neun Mandate, die CDU erhielt sechs, die FDP fünf Sitze und die KPD einen Sitz im Norder Rathaus. Anfang Oktober fand in Anwesenheit des britischen Militärgouverneurs die konstituierende Ratsversammlung statt, bei der Johann Fischer (SPD) einstimmig zum Bürgermeister gewählt wurde. Im Herbst 1948 wurden im neu gegründeten Niedersachsen eine zweite Kommunalwahl durchgeführt. Zwar blieb nach diesen Wahlen die SPD stärkste Fraktion im Norder Rathaus, der von ihr gestellte Bürgermeister Fischer wurde jedoch mit den Stimmen von CDU, FDP und der neu im Rathaus vertretenen freiwirtschaftlich orientierten Radikal-Sozialen Freiheitspartei (RSF) abgewählt. An seine Stelle trat der Freidemokrat Dr. Albert Schöneberg. Stellvertretender Bürgermeister wurde der RSF-Ratsherr Wieland Nordwall. 1956 wurde Johann Fischer wieder ins Bürgermeisteramt berufen. Dessen Nachfolger wurde 1959 der SPD-Ratsherr Hinrich Donner.

Obwohl bereits unmittelbar nach der britischen Besatzung alle führenden NS-Funktionäre verhaftet wurden, setzten sich in den Folgejahren auch weiterhin rechtsextremistische Tendenzen fort. Gegen Ende der 1940er bzw. Anfang der 1950er Jahre traten in Norden Redner der im Oktober 1952 verbotenen Sozialistische Reichspartei (SRP) sowie der Deutschen Reichspartei (DRP) auf.[121] Die Deutsche Reichspartei existierte bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1965, viele Mitglieder traten der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) bei.

Von 1964 bis 1998, also mehr als drei Jahrzehnte, war Norden eine Hochburg der SPD. Die Sozialdemokraten erhielten bei Kommunalwahlen meistens die absolute Mehrheit der Stimmen, bei der Kommunalwahl 1972 waren es 60 Prozent der Stimmen. Die Sozialdemokraten stellten auch den Bürgermeister. Mehrere Norder SPD-Politiker vertraten den Wahlkreis Aurich/Emden im Bundestag und den Wahlkreis Norden im Niedersächsischen Landtag, so etwa Walter Theuerkauf. Auf kommunaler Ebene ist die SPD zwar nach wie vor stärkste Kraft, hatte jedoch bereits bei der Wahl 1998 ihre absolute Mehrheit eingebüßt und stellte auch nicht mehr den Bürgermeister. Ein Bündnis aus CDU, FDP und der freien Wählergemeinschaft ZoB löste im Stadtrat die SPD als dominierende Kraft ab. Dies wiederholte sich bei den Kommunalwahlen 2001, 2006 und 2011. Hintergrund waren Turbulenzen nach der turnusgemäßen Kommunalwahl 1996. Drei SPD-Kandidaten wurden beschuldigt, durch Manipulationen höhere Ergebnisse erzielt zu haben. Das Verwaltungsgericht Oldenburg wurde angerufen und kam zu dem Urteil, dass die Wahl wiederholt werden müsse. Dies geschah am 8. November 1998; die SPD verlor dabei ihre absolute Mehrheit.

Bei Landtags- und Bundestagswahlen galten die Wahlkreise, in denen die Stadt Norden liegt, ebenfalls lange als Hochburgen der SPD. So erreichte sie bei der Bundestagswahl 2005 im Wahlkreis Aurich/Emden mit 55,9 Prozent der Zweitstimmen noch das beste Ergebnis dieser Partei in Deutschland. Bei der Bundestagswahl 2009 allerdings mussten die Sozialdemokraten deutliche Verluste hinnehmen und rutschten erstmals seit Jahrzehnten unter die 40-Prozent-Marke.

Bei der Wahl zum niedersächsischen Landtag 2008 erreichte die SPD mit 41,8 Prozent der Zweitstimmen zwar das beste Ergebnis unter allen niedersächsischen Wahlkreisen, blieb aber ebenfalls klar hinter den Ergebnissen vergangener Landtagswahlen zurück, die oft bei mehr als 50 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen lagen. Bei der Landtagswahl in Niedersachsen 2013 konnte sich die SPD auf 46,4 Prozent verbessern.

Die Wählergemeinschaft ZoB (Zukunftsorientierte Bürger), 1995 gegründet, ist inzwischen eine bedeutende Fraktion im Norder Rat. Ihre Mitglieder sind nicht allein vorher parteilose Bürger, sondern auch mehrere ehemalige SPD-Politiker, die ihrer Partei aus Unzufriedenheit den Rücken kehrten. Mit Barbara Schlag stellte die Partei von 1998 bis 2016 das Amt des Bürgermeisters. Von 1998 bis 2001 bekleidete sie das Amt zunächst ehrenamtlich, danach hauptamtlich. Dies war Folge einer Neuerung der Niedersächsische Gemeindeordnung im Jahre 1996, wonach das Amt des Stadtdirektors abgeschafft wurde, der bis dahin die Verwaltung leitete, während der Bürgermeister hauptsächlich repräsentative Aufgaben wahrnahm. Da jedoch alle noch amtierenden (Ober-)Stadtdirektoren bis zum Ende ihrer Dienstzeit im Amt bleiben durften, wurde sie erst 2001 hauptamtliche Bürgermeisterin. Schlag war damit nicht nur die erste hauptamtliche Bürgermeisterin von Norden, sondern auch die erste Frau überhaupt in diesem Amt.

Seit dem 1. November 2016 war Heiko Schmelzle (CDU) hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt Norden, der zuvor bereits Mitglied des deutschen Bundestags war. Ihm folgte zum 1. November 2021 der aus Oldenburg stammende Florian Eiben ins Amt. Eiben wurde damit der jüngste Norder Bürgermeister der Nachkriegszeit.

Bildung und Medien

Die genauen Anfänge des Norder Schulwesens lassen sich nicht mehr eindeutig nachvollziehen. Sicher ist, dass es bereits Klosterschulen im Kloster Marienthal und im Kloster Norden gab, deren Mönche als strenge, aber gute Lehrer galten. Spätestens seit Anfang des 16. Jahrhunderts ist schließlich eine (private) Lateinschule im Alten Rathaus nachweisbar, aus der später das Ulrichsgymnasium erwuchs. Die meisten Schulen waren indes kleine Volksschulen, in denen die einfache Bevölkerung unterrichtet wurde. Die Zahl der Schulen korrelierte stark mit der Bevölkerungsentwicklung sowie den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umständen.

Neben den allgemeinbildenden Schulen verfügt Norden über eine Berufsbildende Schule - die Conerus-Schule - sowie eine Kreisvolkshochschule zur Erwachsenenweiterbildung. In der ehemaligen Gräfin-Theda-Schule ist heute eine Musikschule ansässig. Schulträger aller Schulen - mit Ausnahme des Ulrichsgymnasiums und der Conerus-Schule, deren Träger der Landkreis Aurich ist - ist die Stadt Norden selbst. Die lehrende Beamtenschaft besteht indes, wie überall, aus Landesbeamten bzw. -angestellten.

Die führende Tageszeitung im Altkreis Norden ist der Ostfriesische Kurier, herausgegeben vom Soltau Kurier Norden (SKN). Daneben besteht in Norden eine Außenstelle der Bezirksredaktion Emden/Norden der Ostfriesen-Zeitung. Im Verlag SKN erscheint außerdem monatlich das Ostfriesland Magazin. Die Redaktion befindet sich in Norden. Der Verlag gibt auch Regionalliteratur und Telefonbücher heraus.

Die Deutsche Telekom ist in Norden mit einer international hochbedeutsamen Seekabelendstelle vertreten, von der aus Unterseekabel in alle Welt führen. Sie ist ein wichtiges interkontinentales Kommunikationsrelais für Telefon und Internet in Deutschland und wird von US-Sicherheitsbehörden als wichtig für die nationale Sicherheit der USA erachtet. Aufgrund seiner Referenztechnik ist das Competence Center Submarine Cables Norden (CCSC) gleichzeitig Technologieführer, Beratungsstelle und Einsatzgruppe im glasfaserbasierten Backbone der Deutschen Telekom.

In Utlandshörn im Stadtteil Westermarsch II war bis zum 31. Dezember 1998 die Küstenfunkstelle Norddeich Radio beheimatet. Der seit Oktober 2015 als Flüchtlingsunterkunft und davor als Callcenter der Telekom genutzte Komplex sollte kurzzeitig für touristische Zwecke (Fußballgolf und ähnliches) genutzt werden. Diese Pläne wurden jedoch wieder verworfen.

Seit dem 30. April 2014 sendet Radio Nordseewelle als kommerzieller Lokalrundfunksender für Ostfriesland sein Programm aus einem Studio an der Ostseite des Marktplatzes. Der Sender ist auf der UKW-Frequenz 88,2 MHz zu empfangen.

Religion

Norden war seit Beginn der christlichen Missionierung im 7. bis 8. Jahrhundert christlich bzw. katholisch geprägt. 1517 schlägt Martin Luther die 95 Thesen an die Tore der Schlosskirche Wittenberg, in der er die Missstände in der katholischen Kirche aufzeigt. Bereits zwei Jahre später sendet er einen Mönch namens Stephani nach Norden, um seine Lehren im Dominikaner- und im Benediktinerkloster zu verbreiten. Die Reformation schreitet in Norden zügig voran und findet bis in das Grafenhaus offenes Gehör. In der Folge werden beide Klöster säkularisiert und ihre Besitztümer konfisziert. Die Klosterinsassen verlassen die Stadt, schließen sich anderen Orden an oder konvertieren. Das Kloster Marienthal wird fortan als Gasthaus für die Armenpflege genutzt, auf dem Grund des Dominikanerklosters errichtet Enno II. Cirksena seinen Stammsitz. Hier entsteht später der Fräuleinshof sowie die Lateinschule als Vorläufer des Ulrichsgymnasiums. Im Zuge der Reformation kommt es jedoch auch zu einer Spaltung zwischen den Anhänger der evangelisch-lutherischen und der evangelisch-reformierten (calvinistischen) Ausrichtung, an deren Ende sich die Lutheraner durchsetzen können.

Katholiken gibt es in Norden seit der Reformation kaum noch. Die wenigen Verbliebenen müssen sich aus Angst vor Verfolgung im Untergrund treffen und erhalten erst im 19. Jahrhundert wieder ein eigenes Gotteshaus, die Ludgeruskirche. Spätestens seit dem 16. Jahrhundert ist auch eine jüdische Gemeinde für Norden nachweisbar. Ihr Zentrum entwickelte sich rund um den heutigen Synagogenweg. 1940 löste sich die Gemeinde durch die nationalsozialistische Verfolgung auf (siehe auch: Geschichte der jüdischen Gemeinde von Norden).

Die Reformierten werden noch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts offener Ablehnung der lutheranischen Norder Bevölkerung ausgesetzt. Erst 1684 kann die Bargeburer Kirche, damals noch vor den Toren der Stadt, unter dem Schutz brandenburgischer Truppen fertiggestellt werden. Der Lütetsburger Graf war seinerzeit Schatzmeister des Großen Kurfürsten von Brandenburg, der mit seinen Truppen Greetsiel besetzt hielt und ebenfalls reformiert gesinnt war.

Von nicht unerheblicher Bedeutung für die Stadt war auch die seit 1556 existierende mennonitischen Gemeinde von Norden, der viele bedeutende Norder Persönlichkeiten wie Jan ten Doornkaat Koolman angehörten. In den Folgejahren siedeln sich noch weitere Ausrichtungen des christlichen Glaubens in Norden an, so etwa die Herrnhuter Brüdergemeine im Jahre 1757 und die Baptistengemeinde im Jahr 1900. Weitere Freikirchen kommen im 20. Jahrhundert dazu, so etwa die Neuapostolische Gemeinde an der Knyphausenstraße, die jedoch nur bis 2015 Bestand hatte.

Offizielle Gemeinden nicht-christlichen Glaubens gibt es seit dem Niedergang der jüdischen Gemeinde in Norden nicht mehr. Zwar leben mehrere Muslime, Buddhisten und Hinduisten in Norden, doch sind diese mit Gemeinden in anderen Städten verbunden.

Wirtschaft und Infrastruktur

Öffentliche Einrichtungen

Der größte Arbeitgeber in Norden ist der öffentliche Sektor. Im Einzelnen betrachtet ist die Ubbo-Emmius-Klinik Norden mit über 650 Beschäftigten der größte Arbeitgeber.[122] Die Stadtverwaltung und die stadteigenen Wirtschaftsbetriebe der Stadt Norden weisen ebenfalls jeweils dreistellige Mitarbeiterzahlen auf. Weitere bedeutende Arbeitgeber sind die zahlreichen Schulen, Ämter und Behörden. In Norden befindet sich unter anderem der Hauptsitz sowie eine Betriebsstelle des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Die niedersächsische Hafenbehörde Niedersachsen Ports (NPorts) unterhält ebenfalls eine größere Außenstelle an der Bahnhofstraße. Außerdem ist in der Stadt eine Betriebsstelle des NLWKN vorhanden. Sitz und Betriebsstelle beschäftigen in der Stadt zusammen 210 Mitarbeiter.

Die Deichacht Norden ist für den Großteil des Seedeiches in der Stadt verantwortlich. Ein kleinerer Teil, der Störtebekerdeich bei Leybuchtpolder, wird von der benachbarten Deichacht Krummhörn betreut. Im Osten erstreckt sich das Verbandsgebiet bis in die Gemeinde Dornum. Die Deichacht ist für die Unterhaltung von rund 30 Kilometern Seedeich zuständig und wird in Personalunion mit dem Entwässerungsverband Norden, der für die Entwässerung der tief liegenden Gebiete hinter dem Deich verantwortlich ist, geführt.

In Norden befindet sich ein Polizeikommissariat, das seinen Hauptsitz im historischen Engenahof befindet und der Polizeiinspektion in Aurich angegliedert ist. Eine weitere Außenstelle befindet sich im - ebenfalls historisch bedeutsamen - Weinhaus auf der anderen Seite des Marktplatzes. Die Norder Polizei ist mit seinen zahlreichen Polizeistationen für das Gebiet des Altkreises Norden verantwortlich. Das Norder Amtsgericht ist für die Stadt, die Inseln Juist, Norderney und Baltrum sowie die (Samt-)Gemeinden Hage, Brookmerland, Großheide und Dornum zuständig, nicht aber für die Krummhörn und Hinte. Der gleiche Zuständigkeitsbereich gilt für das Norder Finanzamt. In der Stadt befindet sich zudem eine Geschäftsstelle der Arbeitsagentur (Bezirk Emden), die die Stadt Norden, die Inselgemeinde Baltrum und die (Samt-)Gemeinden Hage, Brookmerland, Großheide und Dornum betreut. Norden ist weiterhin Sitz des lutherischen Kirchenkreisamtes des Kirchenkreis Norden.

Die Auricher Kreisverwaltung betreibt in Norden eine Außenstelle, die häufig nachgefragte Dienstleistungen des Landkreises anbietet, beispielweise eine Außenstelle des Sozialamtes am Fräuleinshof und eine Außenstelle der Straßenverkehrsbehörde in der Stellmacherstraße.

Der Brandschutz und die Hilfeleistung bei Unglücksfällen wird von der 1886 gegründeten Freiwilligen Feuerwehr Norden in ausschließlich ehrenamtlicher Tätigkeit sichergestellt. Die Wehr hat jährlich weit über 300 Einsätze abzuarbeiten. Daneben gibt es mehrere, weitere Hilfsorganisationen. Die nach der Feuerwehr größten sind das Technische Hilfswerk und das Deutsche Rote Kreuz. Seit dem 31. Mai 2009 befinden sich Feuerwehr und THW im neu errichteten Hilfeleistungszentrum (HLZ) an der Osterstraße 93 in unmittelbarer Nähe zur Umgehungsstraße. Auch diese arbeiten ausschließlich ehrenamtlich.

Landwirtschaft

Die Landwirtschaft spielt nicht nur in Bezug auf den Flächenanteil, sondern auch als Arbeitsmarktfaktor nach wie vor eine Rolle. War sie noch bis nach der Industrialisierung der bedeutendste Wirtschaftszweig, spielt sie heute für den Arbeitsmarkt eine eher geringe Rolle, wenngleich noch eine bedeutende Zahl in der Landwirtschaft beschäftigt. Es war naturgemäß auch der erste und lange Zeit einzige Erwerbszweig der Bewohner. Bodenschätze hat es in Ostfriesland nie gegeben und auch verarbeitendes Gewerbe gibt es hier erst seit dem Mittelalter.[123] In den Marschgebieten dominierte bis 1600 die Viehhaltung und Ochsenmast sowie die Zucht von Friesenpferden.[124]

Die Bedeutung der Landwirtschaft für die Stadt Norden im engeren Sinne (Altstadt) begann jedoch faktisch erst mit der Eingemeindung der Sandbauerschaft im Jahre 1919. Bis dahin hatte es im ursprünglichen Stadtgebiet keine reelle Landwirtschaft gegeben, was - bedingt durch den sandigen Geestboden und der recht geringen Fläche - auch nur sehr eingeschränkt möglich war.[68] Den armen Geestbauern gegenüber standen die äußerst wohlhabenden Marschbauern, die ihre Höfe seit jeher in der sehr ertragreichen, fruchtbaren Marsch (Westermarsch und Ostermarsch sowie teilweise Lintelermarsch) rund um die Stadt und die Geest hatten. Naturgemäß war das eher tiefliegende Land stark von Sturmfluten gefährdet, weshalb die Bauern ihre Höfe schön früh auf sogenannten Warften errichteten; künstliche Erhöhungen, die zumindest den Hof, nicht aber die Felder und alles tiefliegendere schützten.[125] Aber auch sie begannen erst nach dem Dreißigjährigen Krieg mit dem Ackerbau, nachdem die Truppen des gefürchteten Söldnerführers Peter Ernst II. von Mansfeld das Land verwüsteten. Bis dahin wurden die landwirtschaftlichen Flächen vor allem für die Viehzucht genutzt und beispielsweise Getreide vorwiegend aus dem Ostseeraum importiert.[126]

Neben den Höfen sind viele Dienstleister für die Landwirtschaft in Norden ansässig. Im Norddeicher Hafen liegen eine Vielzahl an Kuttern vor Anker. Die meisten Höfen, von denen ein Großteil von enormer historischer Bedeutung ist, befinden sich seit Generationen in Familienbesitz und werden neben ihrer klassischen Widmung auch für den Tourismus genutzt (Ferien auf dem Bauernhof). Eine geringe Zahl von Höfen wird ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt. Eine Sonderrolle nimmt zudem Tomtes Hof ein, welcher ein pädagogisches Konzept verfolgt.

Aufgrund der Küstenlage mit stetigen und kräftigen Winden eignen sich insbesondere die dünn besiedelten Außenbereiche der Stadt für die Nutzung von Windenergie. Das Panorama außerhalb der Kernstadt ist maßgeblich von Windenergieanlagen geprägt. Die absolute Mehrheit wurde von der in Aurich ansässigen Firma Enercon errichtet.

Die Bandbreite der Landwirtschaft ging seit den 1950er Jahren zurück. So werden seit den 1970er Jahren keine Zichorien mehr angebaut, die noch um 1950 in vier Fabriken, unter anderem zu Kaffee-Ersatzprodukten, verarbeitet wurden.[127] Auch Zuckerrüben, die nach dem Zweiten Weltkrieg heimisch wurden und deren Produktion ab 1949 in großem Stil betrieben wurde, werden kaum noch angebaut.[128] Ebenfalls keine Bedeutung mehr hat die seit dem 11. Jahrhundert nachweisbare Salzgewinnung aus Seetorf, die im Mittelalter ein wichtigster Wirtschaftszweig war. Dabei wurden Seetorfstücke in Bronzekesseln mit Walzwasser ausgekocht und das beim Verdunsten niederschlagende Salz aufgefangen.[129] Spätestens seit 1564 wurde französisches sowie spanisches Seesalz und Lüneburger Salz eingeführt, so dass man die Salzsiederei in Westermarsch II zu Beginn des 17. Jahrhunderts aufgeben musste.

Vor allem durch den Preisdruck auf dem Weltmarkt und der globalen Überproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse geriet auch die Norder Landwirtschaft seit den 1970er Jahren in eine tiefe Krise.[130] Durch die Begrenzung der Abnahmemengen konnte dieser gefährliche und existenzbedrohende Abwärtstrend jedoch weitestgehend gestoppt werden.[131]

Tourismus

Von existenzieller Bedeutung für die Stadt ist der Fremdenverkehr, der insbesondere seit den 1950er Jahren maßgeblich gefördert wird. Ein geregeltes Badeleben ist für Norddeich, damals noch als Ortsteil der Gemeinde Lintelermarsch, seit 1882 nachweisbar.[132] Bis zum Ersten Weltkrieg betätigten sich mehrere private Kurvereine nebeneinander um die Tourismusförderung und arbeiteten dabei anfangs mehr gegen- als miteinander.[133] Der Krieg sowie die wirtschaftlichen Probleme der Nachkriegsjahre führten zu einem starken Rückgang des Fremdenverkehrs. Der am 26. Mai 1925 neu ins Leben gerufene Kurverein Norden-Norddeich konnte diese Entwicklung allerdings abbremsen. Bereits ein Jahr später ist jedes Fremdenzimmer belegt.[134] In der Kleinen Mühlenstraße war ein Büro zur Wohnungsvermittlung für Gäste ansässig.[133] Großer Profiteur des erstarkenden Tourismus ist auch die Reederei Frisia, die neben Waren auch Fahrzeuge und Menschen in großer Anzahl zwischen Festland und Norderney sowie Juist transportiert.

Der Tourismus spielt bis heute eine große Rolle für das Wirtschaftsleben Nordens, sowohl in der Hotellerie und Gastronomie, bei Dienstleistungen wie dem Fähr- und Flugbetrieb nach Juist und Norderney als auch indirekt wie etwa im Einzelhandel. Verzeichnete Norden-Norddeich 1995 erst knapp 113.000, so waren es 20 Jahre später schon 2,6 Millionen Tagesgäste. 2019 verzeichnete allein Norddeich jährlich etwa 1,7 Millionen Übernachtungen.[135] In Norddeich, das seit 2010 die offizielle Bezeichnung Staatlich anerkanntes Nordseeheilbad führt, liegt auch der Schwerpunkt des Norder Tourismus. Beherbergungsmöglichkeiten finden sich auch in größerer Zahl in der Kernstadt, zudem auch auf Bauernhöfen in allen weiteren Ortsteilen. Eng verwachsen mit Norddeich ist der östliche Teil Westermarsch II, dessen nordwestliche Teile oftmals fälschlicherweise Norddeich zugerechnet werden. Die Grenze zwischen beiden Stadtteilen verläuft im nördlichen Bereich etwa mittig des Dörper Wegs. Interessant ist, dass nicht einmal die Norddeicher Kultidiskothek Metas Musikschuppen in Norddeich liegt. Auch Norddeich Radio hat sich nie in Norddeich, sondern immer in Westermarsch II bzw. mit dem Sender Osterloog auch in der Lintelermarsch befunden.

Spätestens seit dem Niedergang der Firma Doornkaat ist der Tourismus das wichtigste, wirtschaftliche Standbein von Norden. Bedingt durch die Lage der Stadt am nordwestlichsten Rand des deutschen Festlands ist nicht (mehr) mit der Ansiedlung bedeutender Industriebetriebe zu rechnen. Dies ist jedoch - in Anbetracht des Tourismus - auch gar nicht mehr gewünscht. In der Vergangenheit wurden daher auch vielversprechende Vorhaben wie die Ansiedlung der Firma Enercon in ihren Anfangstagen, einer Großraumdiskothek oder eines gewaltigen Vergnügungsparks in Hinblick auf eine mögliche Verschandelung der Landschaft von Rat und Verwaltung abgelehnt.

Handwerk und Gewerbe

Die größten privaten Arbeitgeber sind im Gewerbegebiet Leegemoor zu suchen. Bedeutendste Arbeitgeber sind hier die Glave Gruppe (ehemals Norder Bandstahl bzw. CO Stahl) und der Soltau Kurier Norden (SKN).[136] Insgesamt arbeiten etwa 2.000 Menschen in den Leegemoorern Betrieben. Ehemals (auch überregional) bedeutende Betriebe wie die Eisenhütte, die Firma Doornkaat und die Tabakmanufaktur Steinbömer & Lubinus gingen allesamt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein. Besonders der Verlust der Firma Doornkaat bescherte der Stadt einen lange Zeit nicht zu verschmerzenden wirtschaftlichen Schaden.

Historisch betrachtet war die Altstadt noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem von kleinen Handwerksbetrieben geprägt, die ihren Sitz in den meist noch eingeschossigen Bauwerken hatten.[137] Der Trend zum Schaffen von reinen Gewerbegebieten begann in Norden in den 1970er Jahren, begonnen 1977 mit der Erschließung der Stellmacherstraße und nachfolgend weiterer Flächen in Leegemoor. Das Gewerbegebiet dort ist das mit Abstand größte und verfügt als einziges noch über freie Flächen. Die weiteren Norder Gewerbegebiete befinden sich im Umfeld der Gewerbestraße, in Tidofeld und Am Norder Tief.[138]

Dienstleistungen

Von zunehmender Wichtigkeit sind die sozialen Berufe. Es gibt eine Vielzahl an Betreuungseinrichtungen, die sich überwiegend in privater, teilweise in öffentlicher Hand befinden. Die größte Betreuungseinrichtung ist das Johann-Christian-Reil-Haus, das einer kreiseigenen Gesellschaft gehört. Ein nicht unerheblicher Teil an Betreuungseinrichtungen wird von der Arbeiterwohlfahrt und der Behindertenhilfe betrieben.

Straßenverkehr

Das Straßennetz ist dicht verzweigt, naturgemäß dominieren Gemeindestraßen, deren Träger die Stadt selbst ist. Bedeutendste Anbindung an den überregionalen Straßenverkehr ist die Bundesstraße 72. Sie beginnt in Schneiderkrug im Landkreis Cloppenburg und endet am Fähranleger in Norddeich. Durch sie wird die Stadt Norden mit dem nächsten Verkehrsknotenpunkt in Georgsheil verbunden, wo sie auf die B 210 trifft. Diese wiederum führt nach Emden, von wo aus der Anschluss an die A 31 besteht. Die Bundesstraße verlief über Jahrzehnte unmittelbar durch die Norder Innenstadt (Norddeicher Straße, Burggraben, Bahnhofstraße), was besonders in den Sommermonaten durch den Reiseverkehr von und nach Norddeich Mole für eine erhebliche Verkehrsbelastung sorgte. Seit Juli 2009 verläuft die B 72 vom südlichen Stadtrand Nordens bis zum Fähranleger in Norddeich über eine neue östlich der Stadt angelegte Umgehungsstraße. So konnten im Innenstadtbereich verkehrsberuhigende Maßnahmen, wie der Bau von Kreisverkehren oder die Abschaffung des Burggrabens als Einbahnstraße, umgesetzt werden. Eine früher geplante Verlängerung der A 31 aus dem Raum Emden/Riepe bis Norddeich wurde dagegen nicht gebaut, obgleich die Forderungen hiernach nicht verhallt sind.

Von vier Landesstraßen führen von Norden aus jeweils zwei in südliche und östliche Richtung. Die L 4 beginnt an der B 72 in Süderneuland I und führt bis nach Pewsum. Die L 27 beginnt am südlichen Ortseingang Norddeichs und führt am Marktplatz vorbei über Westermarsch II, Westermarsch I und über Neuwesteel und Leybuchtpolder bis nach Greetsiel. Am gleichen Punkt beginnt auch die L 5 und führt in östlicher Richtung die B 72 kreuzend über Ostermarsch, Neßmersiel, Dornumersiel und Bensersiel nach Neuharlingersiel, fast immer in unmittelbarer Sichtweite des Seedeichs. Die L 6 beginnt an einem Kreisverkehr der B 72 auf der Grenze zu Lütetsburg und verbindet die Stadt weiter mit Hage, Westerholt, Esens, Neuharlingersiel und Carolinensiel, wo sie endet.

Der öffentliche Nahverkehr wird durch Busse des Verkehrsverbunds Ems-Jade sichergestellt, welche fast alle den Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) am Bahnhof Norden anfahren. Eine Hauptlinie verkehrt als Erschließungsbus der kompakten Innenstadt zum Fähranleger in Norddeich, weitere nach Greetsiel und Pewsum in der südlichen Nachbargemeinde Krummhörn sowie nach Esens und Carolinensiel. Die meistfrequentierte Hauptlinie führt nach Georgsheil mit der Möglichkeit zur Weiterfahrt nach Aurich oder Emden. Einige Nebenlinien dienen praktisch ausschließlich dem Schulverkehr.

Schienenverkehr

Ein bedeutendes Ereignis war der Anschluss an das nationale Eisenbahnnetz im Jahre 1883. Die Strecke wurde 1892 bis zum Norddeicher Fähranleger, genannt Norddeich Mole, weitergeführt. Dadurch gewann die Stadt für den Durchgangsverkehr von Touristen nach Norderney und anderen Ostfriesischen Inseln an Bedeutung. Heute ist die Norder Schienanbindung Teil der Bahnstrecke Rheine-Norddeich Mole.

Bis in die 1950er Jahre hinein war Norden Standort eines Bahnbetriebswerkes, zu dem ein vierständiger Ringlokschuppen gehörte, der noch existiert und unter anderem als Eisenbahnmuseum vom Verein Museumseisenbahn Küstenbahn Ostfriesland genutzt wird. Der Verein betreibt auch die historische Strecke der Küstenbahn weiter. Ein zum Bahnbetriebswerk gehörender Wasserturm wurde 1984 gesprengt. Das Gebäude der Güterabfertigung wurde im Zuge der Errichtung der neuen Bahnstation Anfang der 2000er Jahre wie das ehemalige Empfangsgebäude - bis auf einige technische Anlagen - abgerissen.

Nach der Schließung des Bahnhofs Nadörst und des Bahnhofs Norden-Stadt existieren noch drei Fernverkehrsbahnhöfe: Den Bahnhof Norden, der eigentlich in Süderneuland I liegt, der Bahnhof Norddeich und der Bahnhof Norddeich-Mole. Der Niedergang des Eisenbahnknotenpunktes Norden erreichte nach Schließung des Bahnbetriebswerks und der Einstellung des Personenverkehrs zwischen Norden und Esens auf der Ostfriesischen Küstenbahn am 28. Mai 1983 seinen vorläufigen Höhepunkt: War der Bahnhof Norden bis dahin noch Ausgangspunkt für Züge, die die Küstenbahn über Esens in Richtung Sande befuhren, so wurde er danach zu einer reinen Durchgangsstation zwischen Emden und Norddeich. Das Teilstück zwischen Dornum und Esens wurde abgebaut und als Radweg genutzt. Der Personenverkehr zwischen Norden und Esens wird jetzt ausschließlich von Omnibussen bedient. Bis 1989 wurde die Strecke Norden–Dornum vereinzelt noch von Güterzügen befahren, anschließend wurde die Strecke an die Anliegergemeinden verkauft.

Unter dem Projektnamen Zukunftsbahnhof wurde im Rahmen einer grundlegenden städtebaulichen Erneuerung des südlichen Stadtrandes Mitte der 2000er Jahre auf dem in Richtung Innenstadt gelegenen Gelände der ehemaligen Norder Güterabfertigung mit dem Bau einer modernen Eisenbahnstation und eines vorgelagerten zentralen Omnibusbahnhofs begonnen. In diesem Zusammenhang wurde ein neues Empfangsgebäude errichtet. Das baufällige, weiter südlich gelegene alte Empfangsgebäude wurde zwar mit der Einweihung der neuen Bahnhofsanlagen aufgegeben, blieb jedoch noch mehrere Jahre erhalten, da sich hier noch wichtige bahntechnische Einrichtungen befanden. Nach jahrelangem Leerstand ohne Nutzung war es allmählich zu einer unansehnlichen Ruine verkommen, wurde schließlich abgerissen und durch den Neubau eines Tiermarktbedarfs ersetzt. Ein sich ebenfalls im südlichen Bereich des Norder Bahnhofs befindliches Stellwerksgebäude wurde an einen privaten Käufer veräußert und wird seit 2018 renoviert.

Luftverkehr

Der 1968 am Westerlooger Strohweg erbaute Flugplatz ist ein Sonderlandeplatz und befindet sich etwa vier Kilometer nördlich des Stadtzentrums. Von dort fliegt die Frisia Luftverkehr GmbH planmäßig Norderney und Juist sowie teilweise Baltrum an. Weiterhin werden Sonder- und Rundflüge angeboten.

Einzelnachweise

  1. Niemeyer, Manfred (2012): Deutsches Ortsnamenbuch, Berlin, S. 456
  2. 2,0 2,1 Haddinga, Johann / Stromann, Martin (2000): Norden/Norddeich - Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor, Norden, S. 36
  3. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 28
  4. 4,0 4,1 Möhlmann, Günther (1959): Norder Annalen. Aufzeichnungen aus dem Dominikanerkloster in Norden, Aurich, S. 31
  5. Möhlmann, Günther (1959): Norder Annalen. Aufzeichnungen aus dem Dominikanerkloster in Norden, Aurich, S. 64
  6. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 89
  7. Cremer, Ufke (1934): Die Einwohner der Stadt Norden im Jahre 1811, Norden, S. 14
  8. Gilbert, Ludewig Wilhelm (1791): Handbuch für Reisende durch Deutschland, Leipzig, S. 385
  9. Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde auf Alemannia Judaica, abgerufen am 30. April 2022
  10. 10,0 10,1 10,2 10,3 10,4 10,5 10,6 10,7 10,8 Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 16
  11. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 13
  12. Zahlen und Daten auf Norden.de, abgerufen am 20. April 2021
  13. Internetseite vom Nationalpark Wattenmeer, abgerufen am 20. April 2021
  14. Rack, Eberhard (1998): Kleine Landeskunde Ostfriesland, Oldenburg, S. 94
  15. Norden.de: Einwohnerzahl nach Ortsteilen, abgerufen am 20. April 2021
  16. 16,0 16,1 Haddinga, Johann / Stromann, Martin (2000): Norden/Norddeich - Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor, Norden, S. 33
  17. 17,0 17,1 17,2 Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 7
  18. 18,0 18,1 18,2 18,3 18,4 18,5 18,6 Sanders, Adolf (1999): Norden - wie es früher war, Gudensberg, S. 3
  19. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 7
  20. Haddinga, Johann / Stromann, Martin (2000): Norden/Norddeich - Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor, Norden, S. 32
  21. 21,0 21,1 Rack, Eberhard (1967): Besiedlung und Siedlung des Altkreises Norden, Münster, S. 33
  22. Canzler, Gerhard (1989): Handel und Wandel, Norden, S. 9
  23. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 9
  24. Rack, Eberhard (1967): Besiedlung und Siedlung des Altkreises Norden, Münster, S. 32
  25. Rack, Eberhard (1967): Besiedlung und Siedlung des Altkreises Norden, Münster, S. 34
  26. Fehntjer Kurier - Wer nicht will deichen, der muss weichen, abgerufen am 21. April 2021
  27. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 324
  28. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 16
  29. Haddinga, Johann / Stromann, Martin (2000): Norden/Norddeich - Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor, Norden, S. 36
  30. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 179
  31. Haddinga, Johann / Stromann, Martin (2000): Norden/Norddeich - Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor, Norden, S. 32
  32. Sanders, Adolf (1988): Unsere Stadt hinterm Deich, Norden, S. 5
  33. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 10
  34. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 326
  35. Möhlmann, Günther (1959): Norder Annalen. Aufzeichnungen aus dem Dominikanerkloster in Norden, Aurich, S. 33
  36. Möhlmann, Günther (1959): Norder Annalen. Aufzeichnungen aus dem Dominikanerkloster in Norden, Aurich, S. 33
  37. Köller, André (2015): Agonalität und Kooperation: Führungsgruppen im Nordwesten des Reiches 1250-1550, Göttingen, S. 307
  38. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 327
  39. Möhlmann, Günther (1959): Norder Annalen. Aufzeichnungen aus dem Dominikanerkloster in Norden, Aurich, S. 55
  40. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 43
  41. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 66
  42. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 54
  43. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 105
  44. Schreiber, Gretje (2020): Die Bewohner des Bürgerhauses in Norden. Haus der Bürgerstiftung Norden, Norden, S. 13
  45. Rack, Eberhard (1967): Besiedlung und Siedlung des Altkreises Norden, Münster, S. 47
  46. Sanders, Adolf (1988): Unsere Stadt hinterm Deich, Norden, S. 57
  47. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 107
  48. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 110
  49. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 111
  50. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 33
  51. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 113
  52. 52,0 52,1 Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 94
  53. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 131
  54. 54,0 54,1 Canzler, Gerhard (1989): Handel und Wandel, Norden, S. 14
  55. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 142
  56. Canzler, Gerhard (1989): Handel und Wandel, Norden, S. 328
  57. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 79
  58. Canzler, Gerhard (1987): 200 Jahre Schwanenapotheke, Norden, S. 17
  59. 59,0 59,1 59,2 Canzler, Gerhard (1989): Handel und Wandel, Norden, S. 18
  60. Preußische Grundkarte von ca. 1895 (Erste Landesaufnahme)
  61. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 84
  62. Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 15
  63. Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 93
  64. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 293
  65. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 118
  66. Bourdeaux, Jürgen (2020): Peter Bourdeaux. Kaufmann und Telegrafist in Norden, Bad Mergentheim, S. 35
  67. Bourdeaux, Jürgen (2020): Peter Bourdeaux. Kaufmann und Telegrafist in Norden, Bad Mergentheim, S. 20
  68. 68,0 68,1 Sanders, Adolf (1999): Norden - wie es früher war, Gudensberg, S. 30
  69. 69,0 69,1 Ramm, Heinz (1989): Popke Fegter (18741946). Sein Leben und sein Wirken im Norderland, Norden, S. 51
  70. 70,0 70,1 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 210
  71. 71,0 71,1 Chronik der Sparkasse Aurich-Norden, abgerufen am 2. Juni 2021
  72. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 42
  73. Ocken, Ihno (1996): Entstehung und Entwicklung des Sports in der Stadt Norden, Norden, S. 24
  74. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 17
  75. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 240
  76. Ramm, Heinz (1989): Popke Fegter (1874-1946). Sein Leben und sein Wirken im Norderland, Norden, S. 60f.
  77. Haddinga, Johann / Stromann, Martin (2000): Norden/Norddeich - Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor, Norden, S. 45
  78. 78,0 78,1 Ökumenischer Arbeitskreis (2021): Kleiner Rundgang durch Norden, Norden, S. 6
  79. Ramm, Heinz (1989): Popke Fegter (1874-1946). Sein Leben und sein Wirken im Norderland, Norden, S. 82
  80. 80,0 80,1 80,2 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 241
  81. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 27
  82. Ökumenischer Arbeitskreis (2021): Kleiner Rundgang durch Norden, Norden, S. 13
  83. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 241
  84. Haddinga, Johann (1995): Kriegsalltag in Ostfriesland, Norden, S. 19
  85. Forster, Hans / Schwickert, Günther (1988): Norden. Eine Kreisstadt unterm Hakenkreuz, Norden, S. 302f.
  86. Beschreibung von Norden in der historischen Ortsdatenbank der Ostfriesischen Landschaft
  87. Haddinga, Johann (1995): Kriegsalltag in Ostfriesland, Norden, S. 152
  88. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 10
  89. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 13
  90. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 72
  91. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 43
  92. Forster, Hans / Schwickert, Günther (1988): Norden. Eine Kreisstadt unterm Hakenkreuz, Norden, S. 310
  93. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 8
  94. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 120
  95. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 245
  96. 96,0 96,1 96,2 Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 76
  97. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 135
  98. 98,0 98,1 Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 77
  99. Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 80
  100. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 127
  101. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 132f.
  102. Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 79
  103. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 246
  104. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 60
  105. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 84
  106. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 66
  107. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 63f.
  108. 108,0 108,1 108,2 108,3 Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 85
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Siehe auch