Steinbömer & Lubinus

Aus Norder Stadtgeschichte
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Steinbömer & Lubinus

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Basisdaten
Gründung 19. März 1769
Auflösung 30. Juni 1972
Rechtsform Offene Handelsgesellschaft (OHG); später

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

Hauptsitz Neuer Weg 119-120

26506 Norden

Steinbömer & Lubinus (später nur noch Steinbömer bzw. Steinbömer Tabak) war eine Norder Tabakmanufaktur mit über 200 Jahre langer Tradition. Das Unternehmen existierte bis 1972 und gehörte lange Zeit neben der Firma Doornkaat und der Eisenhütte zu den wichtigsten Arbeitgebern der Stadt. 1832 gehörte es sogar zu den zehn größten Unternehmen im Königreich Hannover, zu dem Ostfriesland seinerzeit gehörte. Zugleich war es auch das erste Norder Unternehmen, das eine nennenswerte Anzahl an Personen beschäftigte, die über einen regulären Familienbetrieb hinausgingen.

Während der Großen Depression (1873-1896) geriet Steinbömer & Lubinus in wirtschaftliche Not und ging infolgedessen 1883/1884 in den Konkurs. Durch die Hilfe von Jan ten Doornkaat Koolman II. konnte das Unternehmen jedoch gerettet werden. 1917 ging das Unternehmen an die Firma Onno Behrends Tee über, zu dem es bis zur Schließung gehörte. Die kleine, traditionsreiche Marke konnte sich schlichtweg nicht mehr gegen die große Konkurrenz (Marlboro etc.) behaupten, war und ist aber dennoch das am längsten existierende Unternehmen in der Geschichte der Stadt Norden.

Geschichte

Anfangsjahre

Justus Friedrich SteinbömerJohann Heinrich Lubinus
Die Familienwappen von Steinbömer (links) und Lubinus (rechts).

Steinbömer & Lubinus wurde 1769 von den beiden Pastorensöhnen Justus Friedrich Steinbömer und Johann Heinrich Lubinus in Norden gegründet. Während die Vorfahren von Lubinus bereits seit mehreren Generationen in Ostfriesland als Pastoren ansässig waren, stammte Steinbömer aus Westfalen, wo seine Vorfahren Kaufleute, Leineweber und Pfarrer waren. Den Entschluss zur Firmengründung fassten sie am 19. März 1769 bei einem Gespräch mit dem Ortspfarrer von Weene, wo auch die Geschäftsvereinbarung unterzeichnet wurde.

Ausschlaggebend für die Gründung war ein Dekret des preußischen Königs Friedrich dem Großen aus dem Jahre 1764, in dem er verfügte, dass in den Städten und Flecken Ostfrieslands neue Fabriken gegründet und auswärtige Fachkräfte ins Land geholt werden sollten.[1] Der preußische Staat beabsichtigte damit vor allem die Urbarmachung dieses von der Natur gesegneten Landes mit fruchtbarster Erde, das aber dennoch wirtschaftlich rückständig war und praktisch ausschließlich von der Landwirtschaft lebte. Zudem waren die preußischen Staatskassen durch den Siebenjährigen Krieg geleert, sodass allumfassende Wirtschaftsmaßnahmen getroffen werden sollten.

Steinbömer und Lubinus kannten sich bereits aus ihren Studientagen und fassten 1768 auf nicht genau bekannte den gemeinsamen Entschluss, in Norden eine Tabakfabrik zu gründen. Die Standortwahl lag zum einen darin begründet, dass Ostfriesland ein Sonderprivileg auf Befreiuung von der Tabaksteuer hatte und der Norder Magistrat sich zudem in einer Sitzung dazu entschlossen hatte, eine Tabakfabrik anzusiedeln, um den preußischen Vorgaben gerecht zu werden. Das Tabakrauchen war erst ein Jahrhundert zuvor, im Dreißigjährigen Krieg, durch Söldnerheere nach Ostfriesland gekommen.

Am 1. Mai 1769 begann der eigentliche Startschuss des Unternehmens, das ein Startkapital von 2.000 Reichstalern in Gold aufwies. Die Ostfriesen bezogen ihren Tabak bis dahin aus den benachbarten Niederlanden, da keine zuverlässigen Landwege ins Binnenland existierten, der Seehandel dank des Norder Hafens jedoch mit dem kulturell sehr verwandten Nachbarland florierte. Um das Geschäftsrisiko zu minimieren, handlelte man anfangs auch mit Leinen. Nachdem Steinbömer die Schwester von Lubinus' Frau am 2. Mai 1770 heiratete, waren die beiden Geschäftspartner auch durch Schwagerschaft miteinander verbunden.

Am 3. Dezember 1770 erhielten sie schließlich das Norder Bürgerrecht. 1771 kauften sie ein stattliches Anwesen am Neuen Weg 7, das zunächst von beiden Familien gemeinsam bewohnt wurde, später dann der alleinige Familiensitz der Steinbömers war.

Aufstieg

Am 21. Januar 1771 erwarb die junge Tabakmanufaktur bei einer Auktion im Weinhaus ein Nebengebäude des Anwesens der später so genannten Behrendsschen Villa aus dem Nachlass der Witwe des Bürgermeisters Hermann Wichmann Grems.[2][3] Die Villa, die zu dieser Zeit noch die Anschrift Süderkluft, 5. Rott, Nr. 226 trug, wurde jedoch von dem Müller Reentje Janssen erworben, der die Tabakfabrikanten überbot. Diese nahmen daher Verhandlungen mit Janssen auf, da sie großes Interesse an er strategisch günstigen Lage des Hauses hatten. Am 11. Februar 1771 kaufen sie es ihm schließlich für die beträchtliche Summe von 5.279 Goldgulden ab, wobei Janssen selbst ihnen ein großzügiges Darlehen von 10.000 Goldgulden gewährt.[2]

Das Anwesen mit seinen Nebengebäuden wurde fortan zur Keimzelle des Unternehmens. Förderlich war dabei das großzügige Darlehen Janssens, mit der Investitionen in Mensch und Material möglich waren. Die Firma entwickelte sich schnell und hervorragend. Auch brachte der junge Steinbömer großes fachliches Wissen als gelernter Apotheker mit. Seinerzeit galt Tabak noch als Heilpflanze und wurde dort entsprechend angeboten.[4] Daher wurde er auch am 17. Dezember 1773 in die Krämerzunft aufgenommen, obwohl man kurz zuvor noch einen Rechtsstreit wegen des Zunftmitgliedern vorbehaltenen Verkaufs führen musste. Letztlich war ihm der Verkauf von Tabak und anderer Handelsartikel nach der Zunftaufnahme auch im eigenen Ladengeschäft offiziell möglich, nachdem der Rechtsstreit mangels Nennung des Tabakhandels in der Zunftrolle zugunsten der Tabakmanufaktur entschieden wurde. Einzige Einschränkung war, dass man fortan nicht mehr mit Leinen handeln durfte.

Eine Werbereklame des Unternehmens aus dem Jahre 1917.

Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg führt zu einem wirtschaftlichen Niedergang Frankreichs und Großbritanniens, währenddessen die Wirtschaft des neutralen Preußens florierte. Das Tabakrauchen kommt immer mehr in Mode und führt damit einhergehend zu stattlichen Umsätzen. 1784 können sie daher den Restschuldbetrag von 4.000 Reichstalern in Gold nebst Zinsen an ihren Kreditgeber Janssen zurückzahlen. Zwei Jahre später, 1786, errichtetet die Firma mit dem Packhaus (Neuer Weg 119) den ersten großen, eigenen Neubau und baut ihre Produktionsstätte damit weiter aus.

Blütezeit

Trotz zunehmender Konkurrenz - es gab im Jahre 1805 allein in Norden noch vier weitere Tabakfabriken (siehe Abschnitt Mitbewerber) - konnten sich Steinbömer & Lubinus am Markt behaupten. Es war seinerzeit auch das erste derartige Unternehmen in Norden und hatte um den Jahreswechsel 1805 / 1806 bereits 33 Mitarbeiter, die jährlich 317.000 Pfund Rauch- und Schnupftabak verarbeiteten.[5][6] Exportiert wurde zu dieser Zeit vor allem nach Ostfriesland, ins Jeverland, nach Oldenburg, ins Münsterland sowie nach Bremen, Thüringen und ins Bergische Gebiet; ab 1787 auch in die Niederlande.

Das Fabrikgelände am nördlichen Neuen Weg auf einem Porzellanteller von 2000.

Nach seinem Tode 1809 übernahm der gleichnamige Sohn von Mitbegründer Steinbömer zusammen mit Mitgesellschafter Peter Friedrich Lubinus und nach dessen Tod schließlich allein die Firmenleitung, welche er 45 Jahre inne hatte. Während der Französischen Besatzungszeit (1806-1816) drückten höhe Zölle den Gewinn und führten zur wirtschaftlich schweren Zeiten für die Tabakindustrie. Neben der Produktion von Tabak wurden deshalb bald auch Seife und Kerzen hergestellt. 1811 beschäftigte das Unternehmen deshalb nur noch 24 Arbeiter und verarbeitete nur noch 200.000 Pfund pro Jahr.[7] Neben den Zöllen drohte zeitweise die Beschlagnahme sämtlicher Produktionsgüter, die der französische Staat im Monopol zu verkaufen versuchte.

Nach dem Sieg über Napoleon in der Schlacht bei Waterloo (Belgien) kam Ostfriesland zunächst wieder zu Preußen, dann jedoch an das Königreich Hannover. Die neuen Herrscher erwiesen sich nicht ganz so wirtschaftsfreundlich den Ostfriesen gegenüber, doch schon 1832 zählte Steinbömer & Lubinus wieder zu den größten zehn Unternehmen im Königreich Hannover und war die größte der 41 Tabakfabriken in Ostfriesland. In Hooksiel am Ufer der Jade wurde 1835 kurzzeitig ein Zweigwerk gegründet, um noch bis 1836 bestehende Export- und Zollschwierigkeiten mit dem Großherzogtum Oldenburg zu unterlaufen, in dessen Hoheitsgebiet Hooksiel seinerzeit lag. Das Werk wurde bereits 1838 wieder aufgegeben.

Für den Seetransport erwarb man 1844 mit der Johanne schließlich ein eigenes Schiff.[7] Es unterhält für die Firma die wichtige Handelsverbindung vom Norder Hafen nach Hamburg, Bremen, Groningen und Amsterdam. Weiterhin wurde in Norden eine Kolonialwarengroßhandlung für Tee, Kaffee, Öl und weitere Güter angegliedert, um das unternehmerische Risiko zu verteilen.

1849 wurde die Eisenhütte gegründet und der Großteil des dazugehörigen Besitzes, darunter auch eine von der Tabakmanufaktur als Lager genutzte Scheune, ging an den westfälischen Kaufmann Julius Meyer. Steinbömer & Lubinus musste die Scheune daraufhin - nach gütlicher Einigung mit Meyer - räumen.[8]

Als Justus Friedrich Steinbömer jun. 1854 starb, fielen Fabrik und Großhandlung an Arend Wilhelm Steinbömer. Der Konsul, wie der energische Arend Wilhelm in Norden aufgrund seiner Tätigkeit als Konsul in Großbritannien genannt wurde, hatte neben seiner erfolgreichen Tätigkeit als Unternehmer mehrere öffentliche Ehrenämter inne, so war er seit dem Revolutionsjahr 1848 Kommandant der Norder Bürgerwehr, war Mitglied des Stadtrats, leitete die Mobiliar-Feuerversicherungsanstalt und vertrat seine Heimatstadt bei der Ostfriesischen Landschaftsversammlung in Aurich. Außerdem kämpfte er bei den Landesbehörden dafür, die Eisenbahnlinie 1856 über Emden hinaus bis nach Norden zu verlängern, um so einen besseren Anschluss an das Binnenland und günstigere Absatzmöglichkeiten für den Norder Handel zu bekommen. Norden erhielt diesen notwendigen Bahnanschluss schließlich 1883; die Bauarbeiten dafür waren gleichzeitig eine dringend notwendige Maßnahme, die damalige hohe Arbeitslosigkeit zu mildern.

Auf Initiative des Konsuls und Bürgermeister Taaks stattete König Georg V. von Hannover der Stadt Norden am 9. September 1857 einen offiziellen Besuch ab. Ein festliches Ereignis, das den kleinstädtischen Alltag lange überstrahlte. Der blinde König pflegte im Staatsbad Norderney seinen Sommerurlaub zu verbringen und auch gelegentlich auf dem Wege dorthin im Hause Steinbömer für eine Tasse Tee Halt zu machen. Zweifellos hatte der Konsul die Firma zu ihrer größten Ausdehnung und Anerkennung und zu höchstem wirtschaftlichen Erfolg geführt. 1869 erfolgte eine umfangreiche Erweiterung des Produktionsgeländes. Das neue Hauptgebäude gehörte zu den höchsten der Stadt und überragte mit einer imposanten Dachkonstruktion die gesamte Nachbarschaft, zwei neue, mächtige Schornsteine ergänzten das Stadtpanorama. Weiterhin wird neben Tabak auch Seife produziert, der Kolonialwarenhandel hingegen aufgegeben.

Auszeichnung einer internationalen Jury (Weltausstellung 1873 in Wien).

Die Wirtschaftsrezession und politische Umstände nach der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 bewirkten, dass sich eine unternehmerische Krise entwickelte, an deren Ende 1883 bzw. 1884 der Firmenkonkurs kurz bevorstand. Auch der 1869 in die Firma gekommene, in Bremen kaufmännisch ausgebildete Peter Friedrich Lubinus, konnte das Unheil nicht abwenden.[9] Hilfe wurde Steinbömer & Lubinus in dieser Situation dadurch zuteil, dass der Norder Brennereibesitzer Jan ten Doornkaat Koolman II. die gesamte Firma für 51.000 Mark aufkaufte und sie kurz darauf zu äußerst günstigen Bedingungen wieder an Steinbömer zurück verkaufte; die Produktion konnte damit fortgeführt werden.[10] Offenbar behielt er jedoch ein Packhaus an der Uffenstraße ein und verkaufte es 1891 an die Schokoladenmanufaktur Heddinga.[11]

1875 ging die Unternehmensführung in die vierte Steinbömer-Generation über und lag nun bei Justus Friedrich Steinbömer IV., der die Tradition der Namensgebung, nachdem der erstgeborene Sohn stets diesen Namen erhält, fortführte. Als Lubinus die Firma 1885 verließ und nach Bremen verzog, wurde Steinbömer alleiniger Geschäftsführer. Die Seifenproduktion musste im selben Jahr eingestellt werden.[10] Steinbömers Sohn, der ebenfalls Arend Wilhelm hieß, war seit 1889 als Prokurist in der Firma tätig. Die Fabrikation kam wieder in Gang, auf der Ostfriesischen Ausstellung für Landwirtschaft und Gewerbe im Jahre 1894 erhielten Steinbömers für ihre Rauch- und Kautabakprodukte sogar die Goldmedaille zuerkannt. Während dieser Zeit verarbeitete das Unternehmen auch Tabak aus den deutschen Kolonien in Übersee und stellte erstmals Zigarren her.

Als Arend Wilhelm, mittlerweile Geschäftsführer, 1904 völlig unerwartet starb, musste sein Vater, der sich bereits aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hatte, mit seinen 66 Jahren erneut die Firmenleitung übernehmen. Dazu war er jedoch zu unbeweglich und nicht mehr genügend vertraut mit zeitgemäßer Unternehmensführung, die zum Beispiel Produktwerbung und Maschineneinsatz erforderte. Die Fabrik veraltete, die Umsätze gingen zusehends zurück. Als er 1916 starb, war niemand mehr aus der Familie da, der die Firma aus der Krise hätte herausholen und weiterführen können. Der sich immer weiter verschärfende Erste Weltkrieg erschwerte die Situation zusätzlich. Sein Enkel und Hoffnungsträger, der auch Justus Friedrich hieß, war 1915 als Kriegsfreiwilliger in Belgien gefallen. Damit war in Norden nach sechs Generationen die Familie Steinbömer im Mannesstamm erloschen. Die Firma ging zum 5. Dezember 1917 in den Besitz des Kaufmanns und Teefabrikanten Onno Behrends über, der sie aus dem Nachlass der Familie erwarb und sich auch die Eisenhütte aneignete, um Geld aus seinem Asienhandel anzulegen.

Niedergang

Werbeanzeige aus der Zeit um 1965.

Die Zeit während und nach dem Ersten Weltkrieg erschwerte den Handel mit dem Orient, da das einflussreiche Osmanische Reich, das noch zu Kriegszeiten mit dem Deutschen Reich verbündet war, an Einfluss einbüßte und jener der verfeindeten Engländer in der Region zunahm. Behrends investierte große Summen in das Unternehmen, doch starb er 1920 unerwartet, was der Tabakfabrik einen weiteren, schweren Schlag verschaffte. Diese große Aufgabe kam nun auf seinen Sohn Bernhard Behrends zu, der zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 19 Jahre alt war und sich erst kürzlich an der Universität Leipzig eingeschrieben hatte, um dort Handelswissenschaften zu studieren. Dieses Studium konnte er durch den Tod seines Vaters nicht mehr antreten und übernahm mit Hilfe und unter Vormundschaft seiner Mutter Dora Behrends die Firmengeschäfte. Vorzeitig wird er jedoch für mündig erklärt und übernahm die Generalvollmacht von seiner Mutter. Diese blieb jedoch noch bis 1931 faktische Eigentümer des Unternehmens.

Zugute kommt dem unerfahrenen Behrends die Erfahrung der verbliebenen Stammbelegschaft, die den Krieg überlebt hat und ihren jungen Geschäftsführer nach Kräften unterstützt. Als einer der ersten, größeren Maßnahmen verlegte er die Produktion an den Hauptstandort des Behrendsschen Unternehmens Am Fridericussiel. Die veralteten Gerätschaften vom Neuen Weg wurden weitestgehend nicht übernommen, sondern durch moderne ersetzt. Die ehemalige Liegenschaft wird jedoch weiterhin für Lagerzwecke genutzt. Die Inflation versetzt der gesamtdeutschen Wirtschaft einen schweren Schlag, noch dazu kommt ein Brand auf dem Süderneulander Betriebsgelände am 13. November 1924. Die Produktionsstätten bleiben größtenteils von den Flammen verschont, doch werden die Büro- und Handelsräume zerstört, wodurch zahlreiche historische Unterlagen beider Unternehmen verloren gingen. Während die Tabakverarbeitung in Süderneuland fortgeführt werden kann, wird die Teeproduktion überwiegend an den Neuen Weg verlegt, bis die Produktionsstätten Am Fridericussiel bis 1925 wieder aufgebaut werden konnten. Nach großen Anstrengungen gelangt die Marke Steinbömer & Lubinus in den 1930er Jahren wieder zu alter Blüte. Exportiert wurde nun vor allem nach Brandenburg, Sachsen, Thüringen, Schlesien, Pommern sowie Ost- und Westpreußen.

Die auf wirtschaftliche Autarkie abzielenden Nationalsozialisten verhinderten kurz darauf eine weitere Expansion. Tabak wird witterungsbedingt vor allem in wärmeren Gefilden angebaut, weshalb auch die kleinen deutschen Anbaugebiete in Eichsfeld, Baden und der Rheinpfalz kaum den großen Bedarf im Lande decken konnten. Hinzu kam, dass Geschäftsführer Behrends ein erklärter Gegner der neuen Machthaber war und dadurch oft Ziel von Anfeindungen war. Während des Zweiten Weltkriegs konnte man nichtsdestotrotz Tabak aus den besetzten Ostgebieten erwerben und verarbeiten.[12] Ab 1940 produzierte Onno Behrends am Neuen Weg einen Kaffeersatz, vermutlich aus Zichorien, unter dem Namen OBO.[13] Nach dem Krieg bauten viele ostfriesische Kleinbauern wieder Tabak an, denen Steinbömer & Lubinus die Pflanze dankbar abkaufte.[12] Auch in den großen Gewächshäusern Wiesmoors wurde Tabak herangezogen. Doch die wirtschaftlich schweren Jahre der Nachkriegszeit und der Verlust eines Großteils des Stammpersonals auf den Kriegsschauplätzen führen zu einer erneuten Misere.

Längst kam der neue Tabak auch nicht mehr an die altgewohnte Qualität heran. Vielfach war spöttisch von Tabak der Marke Bahndamm Südseite die Rede. Erst nach der Währungsreform 1948 konnte mit der neuen, stabilen Währung wieder sonnengereifter Tabak aus dem Ausland importiert werden. Bedingt durch den Einfluss der kanadischen und britischen Besatzungssoldaten stieg hierbei die Nachfrage nach Tabak aus Virginia (Vereinigte Staaten), welcher den bisherigen aus Indonesien und dem Orient größtenteils ersetzte.

1969 wurde eine Festschrift anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Firma veröffentlicht, doch schon drei Jahre später endete die Geschichte der Firma. Gegen die Konkurrenz der internationalen Tabakkonzerne hatte das kleine Unternehmen keine Chance mehr. Zum 30. Juni 1972 wurde die Fabrik aufgelöst. Marke und Name gingen an die Manufacture de Tabacs Heintz van Landewyk in Luxemburg. Aus dem öffentlichen Bewusstsein der Norder ist das historische Traditionsunternehmen trotz seiner einst immensen Bedeutung heute weitestgehend verschwunden. Das historische Produktionsgelände wurde kurze Zeit später abgebrochen, schon vor 1970 existierten die Schornsteine jedoch nicht mehr.[14] Der überwiegende Rest wurde wahrscheinlich erst mit dem Bau der Kreisvolkshochschule im Jahre 1981 abgebrochen, lediglich das alte Packhaus (Neuer Weg 119), das Kontor (Neuer Weg 120) und die Behrendssche Villa dienen noch als stille Zeitzeugen für das bis heute am längsten existierende Unternehmen der Stadt.

Produkte

  • Norder Vogel (Naturreine, helle Spezialmischung von Feinschnitt-Tabak aus dem Orient)
  • Steinbömer Gelb (Schwarzer Krauser)
  • Steinbömer Gelb extra (Schwarzer Krauser)
  • Steinbömer Gold (helle, milde Spezialmischung von Tabak aus Virginia und Kentucky)
  • Steinbömer Silver
  • Steinbömer Slaukopp (heller Feinschnitt-Tabak)
  • Krokodil

Mitbewerber

Um die Wende zum 19. Jahrhundert gab es noch folgende Tabakmanufakturen in Norden, die Steinbömer & Lubinus jedoch alle überdauerte:

Galerie

Literatur

  • Behrends, Berend-Heiko (1969): Zwei Jahrhunderte Steinbömer Tabak, Norden
  • Schuh, Friedrich (1997): Ostfriesische Landschaft. Geschichte der Familie Steinbömer, Aurich

Einzelnachweise

  1. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 58
  2. 2,0 2,1 Behrends, Berend-Heiko (1969): Zwei Jahrhunderte Steinbömer Tabak, Norden, S. 8
  3. Canzler, Gerhard (1989): Handel und Wandel, Norden, S. 59
  4. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 59
  5. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 79
  6. Canzler, Gerhard (1989): Handel und Wandel, Norden, S. 14
  7. 7,0 7,1 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 61
  8. Ramm, Heinz (1989): Popke Fegter (1874-1946). Sein Leben und sein Wirken im Norderland, Norden, S. 96
  9. Schuh, Friedrich (1997): Ostfriesische Landschaft. Geschichte der Familie Lubinus, Aurich (Link)
  10. 10,0 10,1 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 62
  11. Canzler, Gerhard (2002): Doornkaat. Eine Firmenchronik, Norden, S. 60f.
  12. 12,0 12,1 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 63
  13. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 65
  14. Medienzentrum des Landkreises Aurich (Bildarchiv: 0469129.jpg)

Siehe auch