Ulrichsgymnasium

Aus Norder Stadtgeschichte
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Ulrichsgymnasium

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Basisdaten
Entstehungszeit 1566-1567 (1851)
Erbauer Dominikanerorden / Edzard II.
Bauweise Ziegelsteinbau u.a.
Entwidmung -
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Norddeicher Straße 2-3

26506 Norden

Das Ulrichsgymnasium Norden (kurz: UGN) wurde im Jahr 1567 als Lateinschule gegründet und erstmalig 1631 zum Paedagogium illustre (Gymnasium) erhoben. Es ist eines der ältesten Gymnasien in Deutschland und das älteste in Ostfriesland. Namensgeber ist Graf Ulrich II., ab 1628 Herrscher von Ostfriesland. Er zeichnete sich durch eine maßgebliche Förderung des Schulbetriebs aus und war auch für die Gründung des Ulricianum in Aurich verantwortlich.

Wegen seiner geschichtlichen und städtebaulichen Bedeutung steht der älteste Teil des Gebäudes heute unter Denkmalschutz.[1]

Geschichte

Anfänge

Die Schule wurde, wie auch der Fräuleinshof, auf dem Grund des ehemaligen Dominikanerklosters errichtet, welches im Zuge der Reformation säkularisiert (verweltlicht) und aufgegeben wurde. Als ihr unmittelbarer Vorgänger kann die Lateinschule, untergebracht im Alten Rathaus angesehen werden, die bereits mindestens seit Anfang des 16. Jahrhunderts existierte.

1529 machte Graf Enno II. kurz nach seinem Regierungsantritt die Absicht bekannt, in Norden und in Emden eine Lateinschule zu errichten. Erklärtes pädagogisches Ziel war es, die "Jugend nicht jämmerlich verderben zu lassen" und gleichzeitig der "Verachtung der lateinischen Kunst" entgegenzuarbeiten. 1537 erneuerte Enno II. seine Absichtserklärung mit der Begründung, da Ostfriesland selbst kaum Gelehrte hervorbrachte.[2] Es dauerte allerdings noch weitere 30 Jahre bis Graf Edzard II. 1567 diese Pläne verwirklichte und in Norden diese Schule gründete.[3] Seitdem gilt das Jahr 1567 als Gründungsjahr des Ulrichsgymnasiums.

Lateinschule

Bereits 1566 hatte Graf Edzard II. den niederländischen Gelehrten Johannes Florianus zum Gründungsrektor berufen. Dieser war bereits als Lehrer an der privaten Lateinschule im Alten Rathaus tätig. Der Unterricht begann im folgenden Jahr mit drei Unterrichtsklassen. Das erste Kollegium bestand zunächst aus dem genannten Rektor und zwei Lehrern. Als Schulraum diente anfangs das sogenannte Osterhues (nicht zu verwechseln mit dem Osterhaus), einem östlichen Trakt des ehemaligen Klosters. Zur Finanzierung der neuen Schule, einschließlich des Lehrpersonals, wandte Enno II. eingezogenes Kapital des Klosters Marienthal und des Klosters Norden auf. Hinzu kamen Spenden und Zuwendungen von Privatpersonen sowie eine Schenkung der Linteler Mühle durch Gräfin Anna, der Mutter von Edzard II., die maßgeblichen Einfluss auf die Planungen der Schule hatte und mit den Erlösen aus dem Mühlbetrieb wesentlich zum Unterhalt der Schule beitrug. Auch die Einnahmen aus der Verpachtung der Insel Bant trugen einen Teil zum Haushalt bei und waren in erster Linie für die Lohnzahlung des Rektors vorgesehen.[4]

Das Budget der Schule war somit innerhalb recht kurzer Zeit derart gewachsen, dass es Florianus möglich zwar, zwei weitere Lehrer einzustellen. Hierbei handelte es sich um der lateinischen Sprache mächtigen Akademiker. Damals wie heute war dies die Sprache der Gelehrten, die meisten Menschen konnte damals noch nicht einmal ihre eigene Sprache lesen und schreiben. Solch gebildete Lehrkräfte waren sehr selten, vielmehr wurden die Schüler meistens von nicht-akademischen Lehrkräften unterrichtet, sogenannten Schulmeistern.[3] Hieraus resultierte das heute noch gebräuchliche Wort Me(e)ster als niederdeutsche Bezeichnung für einen Lehrer.

Überschattet wurden die Anfangsjahre der Lateinschule durch konfessionelle Konflikte zwischen Lutheranern und Reformierten. Zwar dominierte in Norden das Luthertum, niederländische Glaubensflüchtlinge hatten aber den bis dahin schwachen calvinistischen Flügel des Norder Protestantismus erheblich gestärkt. Da Lateinschulen jener Zeit primär als Vorstufe der Ausbildung von Geistlichen betrachtet wurden, waren beide evangelischen Konfessionsparteien daran interessiert, einen möglichst großen Einfluss auf den Lehrplan zu gewinnen und die theologische Ausrichtung der Schule zu bestimmen.[2]

Da Anfang der 1570er Jahre eine Rückwanderungswelle der niederländischen und oft sehr gebildeten Glaubensflüchtlinge einsetzte, wurde 1579 der reformierte Universalgelehrte Ubbo Emmius zum Rektor der Lateinschule berufen. Neun Jahre lang übte er dieses Amt an seiner ehemaligen Ausbildungsstätte aus, wurde aber aufgrund seiner seiner reformatorischen Gesinnungen von den lutherisch orientierten Cirksena aus dem Amt gedrängt.[5] Danach leiteten fast drei Jahrhunderte hindurch lutherische Rektoren die Schule, Emmius ging an das Leeraner Gymnasium und später nach Groningen, wo er die dortige Universität mitbegründete. Durch die Entlassung des in Ostfriesland und in den Niederlanden hochgeschätzten Emmius büßte die Norder Schule außerordentlich an Prestige ein.

Vollgymnasium

Unter Graf Ulrich II. wurde die Schule 1631 dann zu einem Paedagogium illustre erhoben und erhielt den Namen Schola Ulriciana (Ulrichsschule). Sie wurde damit zu einem Vollgymnasium, einem echten Gymnasium. Ab sofort war hier der Erwerb der Hochschulreife (Abitur) möglich. Ab diesem Zeitpunkt hatte die Schule acht Klassen und acht Lehrer. Gleichzeitig ließ er das zwischenzeitlich durch Kriege und Naturgewalten stark heruntergekommene Gebäude grundlegend erneuern und finanzierte es aus einem von ihm geschaffenen Stiftungsvermögen. Die auf Dauer angelegte und sehr größzügige Unterstützung bildete den Grundstock für die weitere Entwicklung der Ulrichsschule. Aus der gräflichen Schenkungsurkunde, datiert auf den 21. August 1631, geht hervor, dass die Vorstellungen von Ulrich II. durchaus konkrete Züge annahmen. Er legte Unterrichtsziele fest und dass minderbemittelte Schüler (minderbemittelt im Sinne von wenig vermögend) für wenig Geld Anspruch auf einen Mittagstisch (Mensa) und im Bedarfsfall eine Unterkunft hätten. Das Original der sowohl auf Latein als auch in deutscher Sprache verfassten Urkunde befindet sich heute im Staatsarchiv in Aurich.[6] Aus anderen Unterlagen geht hervor, dass die Kinder für Kost und Logis im Weinhaus untergebracht waren. Bereits 1630 ordnete Ulrich II. an, dass zum besseren Unterhalt der Kirchen und Schulen sowie deren Bediensteten alle öffentlichen Versteigerungen (sogenannte Kerttz-Käufe) wie auch alle bürgerlichen Zusammenkünfte im nahegelegenen Weinhaus stattzufinden haben.[3]

Porträt des Schuldirektors Hibbaeus Magnus in der Zeit um 1638.

Obgleich die Geschichte über Graf Ulrich II. aufgrund seiner Verschwendungssucht und seinem Hang zu den süßen Seiten des Lebens ein eher mäßiges Bild zeichnet, setzte er sich auch in den Folgejahren geradezu vorbildlich für die nach ihm benannte Schule ein. Ein auf den 13. Juli 1639 datierter Kaufvertrag belegt, dass er für 300 Gulden 1 1/2 Grasen Land von der Leegemoorgesellschaft zugunsten der Schule erwarb.[7] Das Land ließ er verpachten und ihr den Erlös zukommen. Desweiteren sorgte er dafür, dass weitere Erlöse aus Verpachtungen an die Schule flossen, so etwa die Verpachtung von 19 Diemat Land des gräflichen Gut Folkershausen bei Esens und seit 1712 auch durch Ländereien in Dornum.[3]

Nachdem die Schülerzahlen aufgrund von Pestepidemien und kriegerischen Auseinandersetzungen wie innere Konflikte und dem Dreißigjährigen Krieg zurückgegangen waren, wurde die Schule 1666 kurzzeitig geschlossen, aber schon wenig später wiedereröffnet. Dennoch begann in dieser Zeit der Niedergang der Schule. Hatte sie 1631 noch vier Klassen mit vier Lehrern, von denen einer Kantor war, waren es 1666 zeitweilig nur noch drei Klassen, ohne dass sie damit den Rang einer Vollanstalt verlor. Der Tiefpunkt wurde zwischen 1750 und 1800 erreicht. In dieser Zeit schwankten die Schülerzahlen zwischen 14 und 34.[5] Auch der für die notdürftigen Kinder zur Verfügung gestellte Mittagstisch wurde 1751 aus Kostengründen eingestellt.[3]

Progymnasium

1815 kam Ostfriesland nach der französischen Besatzung durch Napoleon an das Königreich Hannover (bis 1866). Die königliche Regierung entzog der Schule 1829 den Status eines Vollgymnasiums und wandelte es in ein Progymnasium, ein Untergymnasium um. Damit war der Erwerb der allgemeinen Hochschulreife nicht mehr möglich.[5] Eine ähnliche Statusaberkennung hatte es bereits unter der französischen Besatzung gegeben, als die Schule zur Sekundarschule erklärt wurde.[8] Durch den hannoverschen Erlass konnte das Gymnasium ihre Schüler nun nicht mehr an die Universitäten entlassen, sondern nur an ein Vollgymnasium.[9]

Eine der wenigen positiven Entwicklungen in der hannoverschen Zeit war die Einführung neuer Unterrichtsfächer, die dem Zeitgeist entsprachen. So wurde 1834 erstmals ein Englischunterricht angeboten, ab 1847 bzw. 1849 wurden Zeichnen und Turnen zum Unterrichtsfach.[10][11]

Ungeachtet der Abstufung konnte mit städtischen Zuschüssen eine weitere Klasse im Jahr 1835 eingerichtet werden und noch einmal eine weitere im Jahre 1847. Nachdem die Schülerzahlen wieder anstiegen, wurde die Schule in den Jahren 1851 bis 1875 neu- bzw. umgebaut. Es entstanden neben einem neuen Schulgebäude auch eine Wohnung für den Rektor.[9] Dieser Gebäudeteil ist noch heute an seiner gelben Fassade erkennbar. In dieser Zeit waren neun Lehrer am Gymnasium tätig.[12] Bei den mit dem Neubau einhergehenden Grabungsarbeiten kamen Überreste der umfangreichen Bodenaufschüttungen, die den Bau des Dominikanerklosters seinerzeit in dieser Form überhaupt erst möglich machten, zum Vorschein.[13]

Vollgymnasium

Unter der preußischen Regierung wurde die Schule dann mit einem preußischen Erlass vom 15. März 1877 wieder in den Rang eines Vollgymnasiums erhoben. Sie trug nun den Namen Staatliches Ulrichsgymnasium zu Norden.[3] Die Hochstufung war wohl auch dem Engagement von Norder Bürgern, u.a. Diedrich Gerhard Soltau zu verdanken.[14] Im Zuge der aufkommenden Turnerbewegung wurde 1882 eine Turnhalle angebaut. Diese war seinerzeit noch ausschließlich dem Schulsport vorbehalten, Vereine durften sie erst nach 1920 nutzen, da zu viel Sport noch als gesundheitsschädigend angesehen wurde.[15]

Zum 300-jährigen Jubliläum im Jahre 1867 vermachte Johann Hillern Taaks, damals Norder Bürgermeister der schuleigenen Bibliothek einen beachtlichen Teil an Schriften und Büchern aus seinem Besitz.[16]

Noch in den 1920er Jahren war es üblich, dass die Schüler Schulmützen trugen, die unterschiedliche Bänder aufwiesen und jährlich wechselten.[17] Seit 1928 war auch Mädchen das Ablegen der Reifeprüfung hier möglich, die dies bis dahin nur an der Gräfin-Theda-Schule konnten.[5] Während die Schülerzahlen bis zum Zweiten Weltkrieg kontinuierlich stiegen, wurde die Anzahl der Pädagogen aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage der 1920er Jahre durch Zwangpensionierungen stark reduziert.[2]

Das 1851 errichtete Schulgebäude auf einer Zeichnung von 1884.

Im Jahr 1937 wurde das Ulrichsgymnasium in eine Oberschule umgewandelt. Damit wurde unter anderem ein gymnasialer Bildungsweg mit dem Schwerpunkten Mathematik und Naturwissenschaften eröffnet. Die traditionellen Fächer der humanistischen Bildung traten unter dem Einfluss des Nationalsozialismus in ihrer Bedeutung zurück. Der Religionsunterricht wurden abgeschafft, jüdische Schüler mussten die Schule verlassen. Bereits ein Jahr zuvor wurde der seit 1920 amtierende Schulleiter Prof. Hermann Ites aus politischen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.[18] Ostern 1939 verfügte das Ulrichsgymnasium über 10 Klassen mit 213 Schülern, die von insgesamt 15 Lehrern unterrichtet wurden. Im Herbst desselben Jahres erhielten alle Schüler der Jahrgangsstufe 8 ihr Abgangszeugnisse. Die meisten der Schüler mussten Kriegshilfsdienste verrichten, was so auch in ihren Zeugnissen vermerkt wurde. Die Kellerräume des Schulgebäudes wurden zu Luftschutzräumen umgebaut.[19] Zwischen dem 1. April und dem 1. Juli 1940 wurden sieben Lehrkräfte zum Militärdienst einberufen, unter ihnen befand sich auch der Oberstudiendirektor Weidemann.

Zu Beginn des Schuljahres 1941/42 besuchten 235 Schüler das Gymnasium, darunter 43 Mädchen. Das Schuljahr 1942/43 brachte einen weiteren Anstieg der Schülerzahlen. 248 Schüler (nicht mitgezählt sind aus Emden evakuierte Gastschüler) wurden von nur 8 Lehrern und einem dienstverpflichteten Hilfslehrer unterrichtet. Ende März 1943 erfolgte die Einberufung von 19 Schülern der Jahrgangsstufen 10 und 11 (damals 6. und 7. Klasse) als Luftwaffenhelfer.[5] Nach einem fünfwöchigen Lehrgang auf Norderney wurden sie beim Küstenschutz in der Nähe des Senders Norddeich Radio eingesetzt. In einer als Notschule umfunktionierten Wehrmachtsbaracke erteilten Lehrer des Ulrichgymnasiums dort einen erheblich reduzierten Unterricht.

Im Februar 1945 verfügte der Bremer Reichsverteidigungskommissar die Schließung aller Schulen im Weser-Ems-Gebiet. Im Zuge dieser Anordnung schloss auch das Ulrichsgymnasium Norden seine Pforten auf unbestimmte Zeit. Die Kohlenvorräte wurden konfisziert und in den Klassenräumen ein Marinelazarett eingerichtet. Für die Schüler der Klasse 6 fand der Unterricht im Sitzungssaal des Rathauses statt. Die Klassen 7 und 8 waren im Amtszimmer des Direktors untergebracht. Die Klassen 1 bis 5 wurden zweimal pro Woche ins Rathaus bestellt, um Hausaufgaben entgegenzunehmen.[19]

Entwicklung nach Kriegsende

Anfang Mai besetzen kanadische Streitkräfte die Stadt und nehmen sie kampflos ein. Das Marinelazarett im Ulrichsgymnasium wurde - vermutlich in eine Baracke an der Kastanienallee - verlegt und die Räumlichkeiten des Schulgebäudes vom Armeestab der Besatzungstruppen belegt. Erst ab dem 2. Oktober 1945 wurde das Ulrichsgymnasium wieder als Schule genutzt. Zwischenzeitlich ruhte der Schulbetrieb.[19]

Ein Zeitzeuge und Pädagoge am Ulrichsgymnasium beschrieb die nach 1945 eingetretene Wende als "geistige Revolution, wie es sie höchstens bei der Christianisierung unser Vorfahren gegeben" hat. Von dieser Wende "blieb kein Fach verschont". Vor allem der Deutsch- und der Geschichtsunterricht, der "am allerstärksten vom nationalsozialistischen Ungeist verfälscht worden war", bedurfte einer umfassenden Revision und wurde deshalb - als Chance zur Neubesinnung - für ein ganzes Jahr aus dem Unterrichtsangebot gestrichen. Andere Fächer, die während der NS-Zeit aus dem Lehrplan verschwunden waren, wurden wieder eingeführt. Dazu gehörte der Religions- und der Hebräischunterricht. Auch in naturwissenschaftlichen Fächern, vor allem im Biologieunterricht, musste ein Neuanfang gemacht werden. Zudem wurde die 1933 verbotene Schulandacht wieder eingeführt.[20]

Blick vom Brummelkamp. Links die Tankstelle Jürrens und dahinter die alte sowie die neue Turnhalle des Gymnasiums im Jahre 1954.

Eine wesentliche Neuerung im Schulbetrieb war die 1954 erfolgte Miteinbeziehung von Schülern in die Gestaltung des schulischen Lebens. In diesem Jahr wurde die Schulträgerschaft offiziell vom Landkreis Norden übernommen. Zu den Aufgaben der sogenannten Schülermitverantwortung (kurz: SMV) gehörten unter anderem die Pausenaufsicht, Organisation von Sportschulmeisterschaften, Opern- und Theaterbesuchen und Podiumsdiskussionen zu bestimmten gesellschaftspolitischen Themen sowie die Ausrichtung von Schulfesten. Auch die Herausgabe der Schülerzeitung, deren erste Ausgabe 1956 unter dem Titel Der junge Ulricianer erschien, gehörte in den Verantwortungsbereich der SMV.[21] Ebenfalls 1954 wurde die alte Turnhalle abgebrochen, ein Neubau wurde bereits kurz zuvor in unmittelbarer Nähe fertiggestellt.[22]

Am 1. Februar 1967 wurde das Ulrichsgymnasium von 693 Schülern besucht. Knapp die Hälfte davon kam aus dem Norder Stadtgebiet. Damit entfiel auf 100 Einwohner des Einzugsgebietes durchschnittlich ein Gymnasiast.[23] Zum Auftakt des 400-jährigen Jubiläums fand unter der Leitung von Schulleiter Derk de Haan (seit 1957 im Amt) eine Tagung des Ostfriesischen Philologenverbandes (Ostfriesischer Lehrerverband) im Deutschen Haus statt. Das Programm für die Festwoche gestaltete sich vielfältig und abwechslungsreich. Es umfasste Führungen durch das Gebäude, wissenschaftliche Vorträge und viele weitere Veranstaltungen.[3]

Die Schulgebäude wurden zu Beginn der 1970er Jahre den erheblich gesteigerten Schülerzahlen angepasst. Der große Erweiterungsneubau (Fertigstellung 1972) enthielt neben Klassenräumen die Räume für Naturwissenschaften, das Sprachlabor, ein Deutschstudio (inkl. Bühne) und die Musikräume.[5][24] Auch ein Fackelzug für die Schüler der Klassen 5 bis 10 des Gymnasiums stand auf wegen der Feierlichkeiten dem Plan. Dieser verlief vom Schulgebäude über den Marktplatz, durch die Uffenstraße, über den Neuen Weg, dann entlang der Osterstraße und wieder zurück zum Marktplatz.[3] Seit 1977 ist der Landkreis Aurich als Rechtsnachfolger des Landkreis Norden der Schulträger. Im selben Jahr kommt es zu einem Brand, der einigen Schaden anrichtet.[25]

1971 wurde die Norddeicher Straße (und weitere) umfangreich verbreitert. Eine bis dahin bestehende, das Hauptgebäude umfriedende Mauer mit Zaunelementen musste dem Straßenausbau weichen.[22] Im Zuge der sogenannten 68er-Bewegung, die auch die Schülerschaft des Ulrichsgymnasiums erfasste, erstritt sich die Schülermitverantwortung eine stärkere Position im Schulbetrieb. Aus der Schülermitverantwortung wurde die Schülermitverwaltung, die bis in die Mitte der 1970er Jahre den Schulalltag stark politisierte.[26] Spätestens seit den 1970er Jahren war in der Schülerschaft des Ulrichsgymnasiums schließlich eine hieraus erwachsene marxistisch-leninistische (kommunistische) Zelle aktiv, deren Existenz zu großer Kritik an einem geplanten Jugendzentrum führte, das dennoch - entgegen aller Bedenken - auf Beschluss des Stadtrates (Dezember 1976) eingerichtet wurde, nachdem in der Satzung festgeschrieben wurde, dass eine einseitig politische Bildung verboten sei.[27]

In der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember 1989 fiel das Schulgebäude einer nie aufgeklärten Brandstiftung zum Opfer, durch die das Obergeschoss des Hauptgebäudes mitsamt des 1972 fertiggestellten Erweiterungsbaus vollständig zerstört wurde.[24][28] Die Brandfolgen trafen aufgrund des nötigen Löschwassereinsatzes auch die darunter liegenden Stockwerke schwer.[28] Nach Totalrenovierung und Umbau wurden in den folgenden Jahren weitere Erweiterungen und Umbauten nötig, die Schüler mussten vorübergehend in Lehrräume der Gräfin-Theda-Schule verlegt werden. Auch Räume in der Kreisvolkshochschule sowie das der Schule gegenüberliegende Gemeindehaus wurden provisorisch für den Unterricht hergerichtet. Das Geschehen wurde in einem 2011 erschienenen Film mit dem Titel Brand des UGN 1989 vom ehemaligen Schüler Jonas Hentschel verfilmt.

Bei Erweiterungsarbeiten des Schulgebäudes im Jahre 1992 wurden weitere Funde aus der klösterlichen Vorzeit gemacht. Der Einschätzung der Archäologen zufolge handelt es sich wahrscheinlich um Überreste eines ehemals freistehenden Gebäudes auf dem Klostergelände.[29]

seit 2000

Durch die Übernahme ehemaliger Verwaltungsgebäude des früheren Landkreises Norden und den Anbau eines Gebäudes von 2005 bis 2006 (Abbruch: November/Dezember 2004), das unter anderem eine Mensa enthält, ist das Ulrichsgymnasium Norden zu einem Schulcampus gewachsen. Als einzige Lehranstalt im Gebiet der Norderlandes eine gymnasiale Bildung an. Englisch ist erste Fremdsprache, ab Klassenstufe 6 werden alternativ Latein und Französisch angeboten. Auch in der Oberstufe des Ulrichsgymnasiums werden im Gegensatz zu früheren Zeiten noch Wahlmöglichkeiten angeboten. Neben den Pflichtfächern Mathematik und Deutsch stehen hier die Wahlpflichtfächer Englisch, Französisch, Latein, Gesellschaftswissenschaften (Geschichte, Erdkunde, Politik) sowie drei naturwissenschaftliche Fächer (Physik, Chemie, Biologie) im Lehrplan. Hinzu kommen ab Jahrgangsstufe 11 die Wahlfächer Latein, Französisch, Spanisch, Russisch und Informatik.

Betrieben wird das Ulrichsgymnasium als Ganztagsschule; sie bietet zusätzlich zum Unterricht eine Reihe von Arbeitsgemeinschaften, zum Beispiel im Bereich Kunst, Musik, Theater und Fremdsprachen sowie Wirtschaftsplanspiele und Mediengestaltung. Für die Verpflegung steht eine Mensa zur Verfügung. 2009 besuchten etwa 1250 Schülerinnen und Schüler, die von 120 Lehrern und Lehrerinnen unterrichten wurden. Mehr als die Hälfte der Schüler wohnt außerhalb der Stadt Norden.[5]

Unmittelbar während der Abiturprüfungen am 19. April 2021 kam es zu einer Teilevakuierung des Gebäudes. Die Stadtwerke Norden waren bei einem gegenüberliegenden Reihenhaus im Einsatz, nachdem Bewohner Gasgeruch bemerkt hatten. Die Mitarbeiter der Stadtwerke stellten eine erhöhte Gaskonzentration fest und alarmierten die Feuerwehr, die daraufhin mit einem Großaufgebot anrückte und gemeinsam mit der Polizei die Umgebung evakuierte. Die Prüflinge konnten ihre Prüfung jedoch in entlegeneren Gebäudeteilen fortführen.[30]

Schuldirektoren

Die nachfolgende Auflistung enthält auch die an der alten bzw. privaten Lateinschule tätigen Schulleiter bzw. -direktoren.

Zeitraum Vollständiger Name
1511 - 1536 Meyster Johan Pipers
1536 - 1540 Theodorus Bottmanus
1540 - 1545 Scipio (Nachname unbekannt)
1545 - 1566 Ptolemäus Johannes
1566 - 1572 Johannes Florianus
1572 - 1573 Dr. Nicolaus Sascherus
1573 - 1574 Johannes Florianus
1574 - 1574 Ludolph Piotterus
1574 - 1579 Dr. Laurenzius Orschott
1579 - 1588 Ubbo Emmius
1589 - vakant -
1596 - 1597 Ulricus Hemringius
1597 - 1603 Jacob Martini
1603 - 1604 Herman Mesander
1604 - 1607 Joachim Everhardi
1607 - 1613 Henricus Brehorst
1613 - 1619 Johann Oldewelt
1619 - 1624 Hibbaeus Magnus
1624 - 1627 Johann Coenring
1627 - 1640 Johann Lange
1660 - 1667 Joachim Rachel
1667 - 1681 Johann Busch
1681 - 1683 - vakant -
1683 - 1713 Lorenz Schnell
Zeitraum Vollständiger Name
1713 - 1750 Heinrich Gottlieb Leutholf
1750 - 1785 Johann Joachim Gerhard Wideburg
1785 - 1814 Johann Friedrich Meyer
1814 - 1821 David Friedrich August Jani
1821 - 1842 Anton Ernst Taaks
1842 - 1870 August Heidelberg
1870 - 1873 Dr. Max Gottfried Hoche
1873 - 1875 Dr. Heinrich Babucke
1875 - 1881 Dr. Richard Schneider
1881 - 1887 Dr. Franz Münnich
1887 - 1901 Prof. Friedrich Hermann
1901 - 1920 Dr. Carl Stegmann
1920 - 1936 Prof. Hermann Ites
1936 - 1942 Wilhelm Weidemann
1942 - 1946 Friedrich Maertens
1946 - 1957 Dr. Karl Ehlers
1957 - 1970 Derk de Haan
1970 - 1976 Karl Heinz Thies
1976 - 1988 Johann Eilers
1988 - 1989 Joachim Strybny (kommissarisch)
1989 - 1999 Dr. Jürgen Fiedler
1999 - 2000 Joachim Strybny (kommissarisch)
2000 - 2010 Harald Rüdig
2010 - heute Wolfgang Grätz

Schülerzahlen

Schuljahr Anzahl
1750-1800 zw. 14 und 34
1864 82
1873 165
1874 - 1875 136
1877 - 1878 172
1879 - 1880 199 (im Winter 191)
1927 284
1941 - 1942 235
1942 - 1943 248 *
1967 693

* nicht mitgezählt sind Gastschüler aus dem von massiven Luftangriffen betroffenen Emden

Persönlichkeiten

In ihrer über 450-jährigen Geschichte hat das Ulrichsgymnasium eine Reihe an bedeutenden Persönlichkeiten vorgebracht. Die folgende Liste unternimmt einen Versuchen, einige von ihnen in alphabetischer Reihenfolge zu benennen.

  • Enno Rudolph Brenneysen: Schüler des Ulrichsgymnasiums, war unter Georg Albrecht Kanzler in Ostfriesland.
  • Hermann Conring: Norder Lateinschüler, war Professor in Helmstedt und Begründer der Wissenschaft der deutschen Rechtsgeschichte.
  • Ufke Cremer: Lehrer am Ulrichsgymnasium und bedeutendster Norder Heimatforscher.
  • Johannes Deknatel: Bekannter mennonitischer Theologe des 18. Jahrhunderts.
  • Ubbo Emmius: Späterer Gründungsrektor der Reichsuniversität Groningen (Niederlande), war als Schüler und ab 1579 für neun Jahre als Rektor an der Schule tätig.
  • David Eilsemius: Norder Lateinschüler, war reformierter Theologe und Historiker.
  • Johann Hülsemann: Norder Lateinschüler, war lutherischer Theologe und einer der Verhandlungsführer beim Thorner Religionsgespräch.
  • Wilhelm Krieger: Deutscher Bildhauer.
  • Sandra Lüpkes: Schriftstellerin und Drehbuchautorin.
  • Herbert Müller: Schüler des Ulrichgymnasiums, Kunsterzieher und Maler.
  • Hildegard Peters: Lehrerin am Ulrichsgymnasium und Malerin.
  • Johann Christian Reil: Schüler des Ulrichsgymnasiums, war ein bekannter Mediziner. Namensgeber des Johann-Christian-Reil-Hauses.
  • Friedrich Swart: Schüler des Ulrichgymnasiums, war Volkswirt, leitender Direktor des Verbandes deutscher Genossenschaften in Polen und galt als ungekrönter König der Deutschen in Polen. Er verfasste die Friesische Agrargeschichte.
  • Sicco Theodor van Hülst: Landwirt, Politiker und Mitglied des Reichstags; ehemaliger Besitzer des heutigen Rathauses
  • Karl Vissering: Funktionär und Landwirt; Besitzer des Guts Lintel; Onkel des Kriegsverbrechers Wilhelm Keitel
  • Wilhelm Ihno Adolph von Freeden: Lehrer am Ulrichsgymnasium, war ein deutscher Mathematiker, Naturwissenschaftler und Ozeanograph sowie Gründer der Norddeutschen Seewarte.

Trivia

Nach alter Hausnummerierung hatte das Gymnasium die Hausnummer 550.[31]

Galerie

Allgemeine Fotos

Neubau der Mensa (2005-2006)

Literatur

  • Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener
  • Cremer, Ufke (1927): Beiträge zur Geschichte des staatlichen Ulrichs-Gymnasiums zu Norden. Zum 50jährigen Bestehen des Vollgymnasiums 1877–1927, Norden
  • de Haan, Derk: 400 Jahre Ulrichsgymnasium Norden: 1567-1967, Norden

Einzelnachweise

  1. Liste der Baudenkmale in Norden, abgerufen am 12. November 2021
  2. 2,0 2,1 2,2 Peters, Bernhard (1967): Das Ulrichsgymnasium 1567–1967. In: Derk de Haan: 400 Jahre Ulrichsgymnasium Norden. Norden, S. 27ff.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 15ff.
  4. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 72
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 Internetseite des Ulrichsgymnasiums Norden, abgerufen am 15. April 2021
  6. StAA, Rep. 135, Nr. 15
  7. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 66
  8. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 83
  9. 9,0 9,1 Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 87
  10. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 68
  11. Ocken, Ihno (1996): Entstehung und Entwicklung des Sports in der Stadt Norden, Norden, S. 35
  12. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 248
  13. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 64
  14. Basse-Soltau, Ursula (2007): Biographie des Diedrich Gerhard Soltau, veröffentlicht bei der Ostfriesischen Landschaft
  15. Ocken, Ihno (1996): Entstehung und Entwicklung des Sports in der Stadt Norden, Norden, S. 6
  16. Bericht der Universität Göttingen, abgerufen am 6. März 2021
  17. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 108
  18. Biographie des Harmannus Ites in der Personendatenbank der Ostfriesischen Landschaft
  19. 19,0 19,1 19,2 Kaszemek, Hildegard (1967): Das Ulrichsgymnasium Norden von Ostern 1939 bis 1. Mai 1945. In: Derk de Haan: 400 Jahre Ulrichsgymnasium Norden. Norden, S. 36f.
  20. Wessels, Ebbel Roelfs (1967): 1567 und 1945. Zwei entscheidende Jahre in der Geschichte des Ulrichsgymnasiums. In: Derk de Haan: 400 Jahre Ulrichsgymnasium Norden. Norden, S. 34
  21. Radlow, Udo (1967): SMV. In: Derk de Haan: 400 Jahre Ulrichsgymnasium Norden. Norden, S. 58
  22. 22,0 22,1 Sanders, Adolf (1999): Norden - wie es früher war, Gudensberg, S. 17
  23. Rack, Eberhard (1967): Einzugsbereich und Schülerstruktur des Ulrichgymnasiums. In: 400 Jahr Ulrichsgymnasium Norden. In: Derk de Haan: 400 Jahre Ulrichsgymnasium Norden. Norden, S. 49
  24. 24,0 24,1 Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 81
  25. Freiwillige Feuerwehr Norden (1986): 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr der Stadt Norden, Norden, S. 16
  26. Universität Oldenburg (2012): Biographie des Arno Schmidt, abgerufen am 15. April 2021
  27. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 83
  28. 28,0 28,1 Strybny, Joachim (2017): Alte Aula in neuem Glanz. In: Bodo Paul Hoffmann: MDLXVII - 2017. 450 Jahre Ulrichsgymnasium Norden. Eine Festschrift. Norden, S. 98
  29. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 66
  30. Einsatzbericht der Feuerwehr Norden vom 19. April 2021, abgerufen am 20. April 2021
  31. Cremer, Ufke (1938): Kontrollverzeichnis der Stadt Norden von 1812, Norden, S. 1

Siehe auch