Vertriebenenlager Tidofeld

Aus Norder Stadtgeschichte
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Vertriebenenlager Tidofeld

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Basisdaten
Kategorie Orte in Tidofeld
Stadtteil/-viertel Tidofeld
Genaue Lage südlich der Heerstraße

Das Vertriebenenlager Tidofeld war zwischen 1946 und 1960 eines der größten Aufnahmelager für Vertriebene und Flüchtlinge des Zweiten Weltkriegs in Niedersachsen. Es befand sich im heutigen Norder Stadtteil Tidofeld, südlich der Heerstraße und entstand auf dem Grund einer ehemaligen Wehrmachtskaserne, die in den letzten Kriegsmonaten herausragende Bedeutung als Sitz des Seekommandanten Ostfriesland erlangte.

Unter den Bewohnern entstand eine große Solidarität, die zur Gründung mehrerer Betriebe und Vereine sowie schließlich einer dauerhaften Siedlung auf dem Grund des Lagers selbst führte. Seit 1952 war der Ort deshalb auch mit einer kleinen Bedarfshaltestelle an die Bahnstrecke der Ostfriesischen Küstenbahn angeschlossen.

Geschichte

Luftaufnahme von Tidofeld, aufgenommen von der britischen Luftwaffe (RAF) am 1. März 1943. Das Lager ist im unteren linken Viertel des Bildes zu erkennen.

1938 - April 1945

Wie der gesamte, Tidofeld genannte Ort, gehörte das Gebiet des Vertriebenenlagers bis 1952 zur Gemeinde Lütetsburg und war persönlicher Besitz der Lütetsburger Fürsten bzw. Grafen. Im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht wurde das Gelände beschlagnahmt, da es sich strategisch günstig für Truppenbewegungen zwischen den Kriegshäfen in Emden und Wilhelmshaven befand. Es wurde daher auch als Marine-Durchgangslager bezeichnet.

Die Bauarbeiten begannen 1938 und endeten mit dem Kriegsausbruch am 1. September 1939. Als Bauarbeiter kamen vor allem auch Wehrmachtssoldaten zum Einsatz.[1] Neben einem großen Hauptgebäude (wegen seiner Form auch H-Gebäude genannt), das wohl ursprünglich ein Krankenhaus bzw. Lazarett werden sollte, entstanden mehrere Baracken, ein Sportplatz, Wirtschaftsgebäude und zwei Doppelhäuser (Huntestraße 4-7) für die kommandierenden Offiziere. Diese sind, ebenso wie das Hauptgebäude, bis heute erhalten. Alle anderen Gebäude existieren nicht mehr. Ein Teil des Hauptgebäudes wurde zudem kriegsbedingt nicht vollständig fertiggestellt.[2]

Das Lager unterteilte sich in die Bereiche Lager 1 (2. Schiffsstammabteilung) und Lager 2 (8. Marine-Ersatzabteilung bzw. Marineartillerie).[3] Zeitweise waren letztgenannter Einheit auch Teile der Emder Marineartillerie sowie eine Motorkompanie zugewiesen.[4][2] Die 2. Schiffsstamm-Abteilung war Friedenstruppenteil mit Standort Wilhelmshaven und wurde im Juni 1937 aufgestellt. Sie unterstand dem 2. Admiral der Nordsee und wurde im April 1941 nach Tidofeld verlegt. Am 1. Januar 1944 wurde die Abteilung zur 8. Marine-Ersatz-Abteilung umgegliedert.[5]

Im Lager 1 versahen junge Marinerekruten ihre Grundausbildung, die naturgemäß überwiegend aus der Region, vereinzelt aber auch aus niederländischen Freiwilligen bestand. Besonders in den letzten Kriegsjahren wurden diese oft unmittelbar nach oder noch während der Ausbildung an der Front eingesetzt.[3] Die nationalsozialistischen Machthaber veranstalteten im Lager zudem alljährlich einen Tag der Wehrmacht, um die Bevölkerung zu begeistern und neue Rekruten zu gewinnen.[4]

Admiral Kurt Weyer, ab 1944 Seekommandant Ostfriesland.

Geleitet wurde das Lager von bis zu vier Offizieren, der ranghöchste trug mindestens den Dienstgrad eines Korvettenkapitäns.[6] Ab dem 2. November 1944 wurde die Kaserne zum Sitz des Seekommandanten Ostfriesland. Die Stelle wurde neu geschaffen, um die Marineeinheiten an der ostfriesischen Küste besser koordinieren zu können. Einziger Offizier in dieser Position war Admiral Kurt Weyher (1901-1991), dem sämtliche Marineeinheiten von Emden bis Wilhelmshaven (teilweise auch Küstengebiete in den Niederlanden) nebst der ostfriesischen Inseln unterstellt wurden. Gegen Kriegsende gab Weyher der Norder Obrigkeit sein Einverständnis für eine kampflose Übergabe der Stadt an die alliierten Truppen. Damit hatte er nicht unerheblichen Anteil daran, dass die Stadt den Krieg weitestgehend unbeschadet überstand.[7]

Mai 1945 - 1959

Noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa wurden Norden und Umgebung zunächst von kanadischen Truppen besetzt und kam letztlich als Teil der Britischen Besatzungszone unter die Kontrolle der britischen Militärregierung. Das Lager selbst wurde zunächst von niederländischen Streitkräften besetzt. Die Briten erklärten das nördliche Ostfriesland nach dem Krieg zum Internierungsgebiet für rund 100.000 Soldaten. Auch auf dem Wehrmachtsgelände in Tidofeld richteten sie ein Internierungs- und Entlassungslager für deutsche Kriegsgefangene ein, vor allem Angehörige der deutschen Hollandarmee wurden hier interniert.[8][9] Die Internierten wurden von den Briten zwischen dem westlichen Raum der Weser und den Niederlanden gefangengenommen. Sie galten formell als Kriegsgefangene, konnten sich jedoch weitestgehend frei bewegen und unterstanden anfangs noch ihren Vorgesetzten aus Kriegszeiten. Viele von ihnen verdingten sich in der Landwirtschaft oder beim Torfabbau ein Zubrot und wurden nach und nach entlassen.[10]

Einige, entsprechend ausgebildete Ex-Soldaten fanden eine Anstellung beim Bürohaus Janssen, wo sie Schreibmaschinen reparierten.[11] In Ermangelung neuer Geräte durch die Wirtschafts- und Währungskrise waren derartige Reparaturen sehr gefragt. Andere (ehemalige) Soldaten, die in sogenannten Bäckerei-Kompanien der Wehrmacht eingesetzt waren, halfen in der Bäckerei ten Cate an der Osterstraße beim Brot backen für die Lagerinsassen.[12]

Am 9. Mai des Jahres explodierten im Lager rund 1000 Kilogramm Sprengstoff nach einer offenbar gezielten Sprengung durch kanadische Soldaten.[13][14] Der Sprengstoff stammt ursprünglich von den Sendestationen von Norddeich Radio in Utlandshörn und Osterloog, wo er Anfang April 1945 von der Wehrmacht gelagert wurde, um die Einrichtungen rechtzeitig vor der Einnahme durch die Alliierten sprengen zu können. Aufgrund vermehrter Luftangriffe auf diese Anlagen wurde der Sprengstoff ins Lager Tidofeld umgelagert.[14] Unter den größtenteils traumatisierten Einwohnern kam es zu großem Schrecken angesichts der gewaltigen, unangekündigten Explosion.[13] Die Turnhalle des Lagers wurde durch den Vorfall erheblich beschädigt.

Ab Anfang 1946 begannen erste Planungen zur Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen, die aus den ehemals deutschen Ostgebieten und den ausgebombten Großstädten in großen Zahlen nach Ostfriesland und auch nach Norden kamen. Die Briten begannen daraufhin mit der Vergabe des Wohnraums. Das Gelände war mit seinen zahlreichen Baracken und Gebäude hierfür geradezu prädestiniert und gehörte schon bald mit insgesamt über 1.000 gleichzeitig dort wohnenden Menschen zu den größten Lager innerhalb der Grenzen der heutigen Bundesrepublik.

Eines der beiden Offiziers-Doppelhäuser in der Zeit um 1940.

Anfang März 1946 wurde die Verwaltung des Lagers auf Geheiß des Landkreises Norden der Stadt Norden übertragen, da die Gemeinde Lütetsburg mit ihrer kleinen und hauptsächlich ehrenamtlichen Verwaltung hierfür nicht in der Lage gewesen wäre. Die Stadtverwaltung äußerte diesbezüglich Bedenken, da eine Übernahme der Baracken auch dazu führen würde, dass der Stadt mehr Flüchtlinge und Vertriebene zugeteilt werden würden. Der Landkreis drohte der Stadt daraufhin latent, dass das Lager ansonsten der ausgebombten Stadt Emden zur Nutzung überlassen werden könnte, wodurch Norden wertvoller und dringend benötigter Wohnraum verloren gehen würde. Am 16. März des Jahres kam der sogenannte Tidofeld-Ausschuss zusammen, der neben dem Bürgermeister auch Mitglieder des Stadtrates und hohe Beamte der Stadtverwaltung umfasste und der nachfolgend die Geschicke des Lagers bestimmte.

Wenngleich sie nun wenigstens ein Dach über dem Kopf hatten, lebten die Menschen auf engstem Raum. Privatsphäre gab es angesichts der engen Behausungen (etwa 30 Menschen teilten sich anfangs jeweils eine Baracke) sowie gemeinsamer Sanitäranlagen und fehlender Trenntüren kaum. 1946 lebten hier bereits etwa 1.200 Menschen auf einer Fläche von nicht einmal 0,3 km². 1951 lebten immerhin noch rund 1.100 Menschen hier, Ende der 1950er Jahre waren es noch 750. Die Zahl wäre geringer ausgefallen, kämen zu den restlichen Vertriebenen nicht auch noch heimkehrende Kriegsgefangene. Die Arbeitslosenquote war angesichts eines geringen Angebots äußerst hoch und wird für 1951 mit 70 % angegeben.[10]

Eines der beiden Offiziers-Doppelhäuser an der Huntestraße, aufgenommen am 2. Juni 2022.

Obgleich es erklärtes Ziel der Militärregierung war, die Bewohner nur kurzfristig in dem Lager zu quartieren und keine alten Nachbarschaften unter den manchmal aus dem gleichen Ort stammenden Vertriebenen aufkommen zu lassen, erreichten sie letztlich genau das Gegenteil und es entstand eine große Solidarität unter den Bewohnern. Bereits wenige Monate nach der Freigabe des Lagers entstanden neben mehreren, bescheidenen Handwerksbetrieben und Kaufmannsläden auch eine Schule, eine Gaststätte (Onkel Pitt's), eine Freiwillige Feuerwehr und sogar eine Barackenkirche. Die Räumlichkeiten dieser Kirche und die laufenden Kosten wurden unter den Bewohnern solidarisch geteilt und die drei im Lager vertretenen Konfessionen (evangelisch-lutherisch, evangelisch-baptistisch und römisch-katholisch) hielten ihre Gottesdienste abwechselnd ab.[10][15]

Bereits am 1. August 1946 wurde zudem eine Poststelle im Lager eröffnet, bei der auch die Baracken eigene postalische Erreichbarkeiten erhielten. Die Abschnitte des Lagers wurden in römischen Ziffern unterteilt, die Baracken bekamen arabische Ziffern. So war beispielsweise Tidofeld I/10 im ehemaligen Lager 1 und dort die Baracke 10.

Zum 13. August 1946 wurde im ehemaligen Hauptgebäude eine Schule eingerichtet, die bis heute gemeinhin als Lagerschule Tidofeld bekannt ist. Im Februar 1947 eröffnete im gleichen Gebäude eine Blechwarenfabrik ihre Pforten, die von einem Lagerbewohner gegründet worden war und ab 1950 auch Drahtzäune herstellte. Das ständige Hämmern störte den Unterricht ungemein.[2] Nach der Schließung des Werks nahm am 5. Dezember 1961 die Lingener Wäschefabrik (Lincron) in den Räumlichkeiten ihren Betrieb auf.[16] Spätestens jetzt wurde das H-Gebäude im Bau vollendet. Seit 1975 wird die Wäscherei von der Behindertenhilfe Norden betrieben.

Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 und der weitestgehenden Rückgabe der Souveränität an die Deutschen kam auch das Lager unter die Kontrolle der örtlichen Behörden. Tidofeld, das trotz seiner Verwaltung durch die Stadt noch immer zu Lütetsburg gehörte, kam 1952 zu Norden und wurde 1996 schließlich ein eigenständiger Stadtteil. Rechtliche Unklarheiten in Bezug auf das Eigentum an dem Gebiet wurden zugunsten von Wilhelm Edzard Fürst zu Innhausen und Knyphausen entschieden und die Beschlagnahme des Geländes durch die Wehrmacht damit rückwirkend als rechtswidrig erachtet. Wilhelm Edzard veräußerte das Land jedoch zu sehr günstigen Konditionen an die Bewohner und ermöglichte ihnen dadurch die Ansiedlung.

1952 wurde der Ort mit einer kleinen Bedarfshaltestelle an die Bahnstrecke der Ostfriesischen Küstenbahn angeschlossen. Mit dem Einsetzen des Wirtschaftswunders und dem fehlenden Angebot an Arbeitsplätzen in der Umgebung zog es mehr und mehr Bewohner in der Hoffnung auf Arbeit fort, vor allem in das prosperierende Ruhrgebiet. Diejenigen, die blieben, fanden Arbeit in der Nähe und lebten weiterhin in großer Solidarität.

ab 1960

Ein Vertriebenenausweis von 1955.

Ursprünglich plante die Stadt Norden, die Siedlung in Tidofeld vollends aufzugeben. Die Bewohner sollten in dem - hauptsächlich für sie errichteten - Stadtteil Neustadt unterkommen. Doch für viele war der Ort so wichtig, dass sie nach zähen Verhandlungen erwirken konnten, dass eine neue Siedlung an der bisherigen Stelle errichtet wurde.[10] Am 28. Februar 1958 wurde die erste Baracke (Nummer 27 oder 28) abgerissen. Im gleichen Jahr waren dann schon die ersten 111 Siedlungshäuser errichtet, bei denen es sich zunächst um kleinere Wohnhäuser handelte. Ab 1961 wurden dann auch auch Wohnblocks erbaut.[8] Die neuen Straßen verliefen weitestgehend entlang der bisherigen Lagerwege und wurden allesamt nach Flüssen benannt. Die letzte Baracke wurde 1964 abgebrochen.[17] Bis 1960/1961 hatten mehr als 6.000 Personen das Lager durchlaufen. Die Unterhaltskosten beliefen sich bis dahin auf 621.533,18 DM.

Der ehemalige Sportplatz (heute Jadestraße und Allerstraße erstrecken) wurde bis zum Neubau des Motodroms in Halbemond die Rennstrecke des Motorsportclubs Norden.[18] Der Verein, der seine Rennen bis dahin vor allem auf dem Jahnplatz veranstaltete, hatte den ehemaligen Sportplatz am 14. Januar 1957 erworben und am 10. Juni des Jahres dort erstmals ein Rennen abgehalten.

Am 15. Juni 1961 erfolgte die Grundsteinlegung der Gnadenkirche Tidofeld als Nachfolger der bisherigen Lagerkirche. Bereits am 19. Dezember des Jahres wurde die neue Kirche mit einem Gottesdienst feierlich eingeweiht. Sie diente fortan der evangelisch-lutherischen Konfession. Heimatvertriebene, die Mitglieder anderer Konfessionen waren, schlossen sich den bestehenden Kirchengemeinden in der Stadt an. Aufgrund schwindender Besucherzahlen wurde die Gnadenkirche 2006 offiziell säkularisiert. Nach jahrelanger, schon ab 2005 beginnender Planungen und Vorbereitungen befindet sich in ihr seit 2013 eine Dokumentationsstätte, die sich mit dem Schicksal von von Flucht und Vertreibung betroffenen Menschen weltweit im Allgemeinen und der ehemaligen Bewohner Tidofelds im Speziellen widmet. Die Dokumentationsstätte wurde am 2. November des Jahres offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt.[15]

Neben Wohnhäusern entstanden auch einige Gewerbeobjekte, so etwa Einkaufsläden des täglichen Bedarfs am nördlichen Beginn der Rheinstraße. Hier siedelten sich die Schlachterei von Heinrich Siwek (Rheinstraße 37), der Lebensmittelhändler Johannes Saeger (Rheinstraße 36) sowie ein Friseursalon (ebenfalls 36) an.

Struktur und Organisation

Marinelager

Aufbau und Unterteilung

Übersichtsplan des Lagers.
Blick vom H-Gebäude in Richtung Turnhalle (undatierte Aufnahme).

Das Lager unterteilte sich in die Bereiche Lager 1 (ehemals Schiffsstammabteilung) und Lager 2 (ehemals Marine-Ersatzabteilung). Insgesamt gab es 28 Wohnbaracken, 10 Wirtschaftsbaracken, eine Turnhalle mit Sportplatz, ein Exerzierplatz sowie ein großes, aber erst nach dem Krieg fertiggestelltes Hauptgebäude in Massivbauweise, das wegen seiner Form auch H-Gebäude genannt wurde. Für die kommandierenden Offiziere des Lagers wurden zwei große Doppelhäuser (Baujahr 1939) an der heutigen Huntestraße 4-7 errichtet. Diese sind, ebenso wie das Hauptgebäude , bis heute erhalten. Alle anderen Gebäude und auch der Sportplatz existieren nicht mehr bzw. sind überbaut.

Alle Gebäude innerhalb der einzelnen Lager wurden aufsteigend nummeriert. Diese waren dadurch nach der Entmilitarisierung postalisch zu erreichen. Die Lagerkirche hatte beispielsweise die Anschrift Tidofeld I/2, befand sich also im Lager 1, Baracke 2. Dort befand sich auch der Hauptzugang zum Lager.

Ebenfalls zum Lager gehörte ein großer Sportplatz, der sich östlich der Turnhalle befand und auf der heute ebenfalls bebaut ist. Auf dem Grund der Turnhalle wurde später das Telematikzentrum errichtet. Das Hauptgebäude beherbergt heute eine Wäscherei der Behindertenhilfe Norden sowie bis 2013 auch ein Kindergarten, der sich seitdem in mittelbarer Nähe an der Emsstraße befindet.

Kommandanten

Das Lager wurde zu Kriegszeiten von einem Stabsoffizier geleitet, der mindestens den Rang eines Korvettenkapitäns hatte.[6] Ihm unterstanden mindestens drei weitere Offiziere.

Dienstantritt Dienstgrad und Name
Juni 1937 * Korvettenkapitän Maximilian Glaser
Januar 1940 Korvettenkapitän M.A. Sclickers
Juli 1940 Korvettenkapitän Fels
November 1940 Korvettenkapitän (Ing.) Muth
Oktober 1942 Kapitän zur See Willy Schröder
Oktober 1943 Korvettenkapitän Coester
1. Januar 1944 Korvettenkapitän der Reserve Wilhelm Schröder
März 1944 Korvettenkapitän Franz Meyhöffer
2. November 1944 Admiral Kurt Weyer

* Das Lager Tidofeld wurde erst ab 1938 eingerichtet. Korvettenkapitän Glaser wird somit seinen Dienst noch in Wilhelmshaven begonnen haben.

Vertriebenenlager

Aufbau und Unterteilung

Anschrift Nutzung Anschrift Nutzung Anschrift Nutzung
Baracke 1 Wohnbaracke Steinhaus 11 Wohnhaus Baracke 21 Wohnbaracke
Baracke 2 Wohnbaracke Turnhalle 12 Lagerschule Baracke 22 Wohnbaracke
Baracke 3 Wohnbaracke Baracke 13 Wohnbaracke Baracke 22a Wohnbaracke
Baracke 4 Wohnbaracke Baracke 14 Wohnbaracke Steinhaus 24 Wohnhaus und Bäckerei
Baracke 5 Wohnbaracke Baracke 15 Wohnbaracke Baracke 25 Wohnbaracke
Baracke 6 Wohnbaracke Baracke 16 Wohnbaracke Baracke 26 Wohnbaracke
Baracke 7 Wohnbaracke Steinhaus 16a Wohnhaus Baracke 27 Wohnbaracke
Baracke 7b Wohnbaracke Baracke 16b Wohnbaracke Baracke 28 Wohnbaracke
Baracke 8 Wohnbaracke Baracke 17 Wohnbaracke Baracke 29 Wohnbaracke
Baracke 9 Wohnbaracke Baracke 18 Wohnbaracke Baracke 30 Wohnbaracke
Baracke 9a Wohnbaracke Baracke 19 Wohnbaracke Steinhaus 31 Wohnhaus
Baracke 10 Wohnbaracke Baracke 20 Wohnbaracke Steinhaus 32 Wohnhaus

Verwaltung

Die Verwaltung oblag der Stadt Norden. Diese war damit auch Eigentümer sämtlicher Häuser und Baracken im Lager.

Herkunft der Bewohner

Die allermeisten Bewohner kamen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten wie Schlesien, Pommern, Westpreußen und Ostpreußen, weshalb sich auch Namen von Flüssen auf dem Gebiet des ehemaligen Lagers befinden, die seit 1945 nicht mehr in Deutschland liegen. Insgesamt haben etwa 6.000 Menschen das Lager durchlaufen, jedoch nicht zeitgleich dort gelebt. Unter den vielen Bewohnern des Lagers befand sich auch ein Großonkel des bekannten deutschen Fußballtrainers Jürgen Klopp. Sein Großonkel, Reinhold Klopp, wurde mit seiner Familie nach dem Krieg aus Pommern vertrieben und kam zunächst in Tidofeld unter, bis er nach einigen Jahren in die Krummhörn zog.

Ein weiterer bekannter Bewohner war Werner Klemke, ein Grafiker, Trickfilmzeichner und Illustrator, der hier als (ehemaliger) Soldat der Wehrmacht nach Kriegsende von den Briten interniert wurde und Verfasser des wohl ersten deutschen Kinderbuchs der Nachkriegszeit ist.[19]

Vereinsleben

Nach Kriegsende gründete ehemalige Wehrmachtssoldaten aus Österreich mit anderen Bewohnern des Vertriebenenlagers eine Fußballmannschaft, die sich nach den Nationalfarben Österreichs Rot-Weiß-Rot nannte. Die Mannschaft gehörte seinerzeit zu den besten und ihre Spiele zogen stets große Massen von Zuschauern an.[20] Als Heimstadion diente der Sportplatz des Lagers.

Desweiteren gab es eine Freiwillige Feuerwehr, die der weiteren Entfernung zu den Feuerwehrhäusern in Norden sowie Lütetsburg Rechnung trug.

Bevölkerungsentwicklung

Jahr Einwohner
1946 1.200
1947 1.150
1948 1.001
1949 1.050
1950 1.073
Jahr Einwohner
1951 1.091
1952 1.042
1953 1.063
1954 926
1955 916
Jahr Einwohner
1956 917
1957 750
1958 687
1959 461
1960 336

Unterhaltskosten

Jahr Einwohner
1946 43.057,17 DM
1947 37.877,24 DM
1948 31.115,21 DM
1949 21.633,55 DM
1950 36.435,91 DM
Jahr Einwohner
1951 232.190,71 DM
1952 13.742,12 DM
1953 24.765,35 DM
1954 25.396,40 DM
1955 38.238,23 DM
Jahr Einwohner
1956 29.857,29 DM
1957 31.352,00 DM
1958 29.572,00 DM
1959 15.650,00 DM
1960 10.650,00 DM

Galerie

Weiterführende Links

Literatur

  • 50 Jahre Tidofeld. 1946-1996

Einzelnachweise

  1. Foraita, Heinz (1985): Dein sind die Zeiten, Herr. Die Geschichte der Katholischen Gemeinde Norden. Herausgegeben zur 100-Jahr-Feier der St.-Ludgerus-Kirche zu Norden, Norden, S. 23
  2. 2,0 2,1 2,2 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 146
  3. 3,0 3,1 Forum der Wehrmacht (Zeitzeugenberichte)
  4. 4,0 4,1 Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 41
  5. Lexikon der Wehrmacht, abgerufen am 19. Juni 2022
  6. 6,0 6,1 Forster, Hans / Schwickert, Günther (1988): Norden. Eine Kreisstadt unterm Hakenkreuz, Norden, S. 275
  7. Lohmann, Walter / Hildebrand, Hans (1956): Die deutsche Kriegsmarine 1939 - 1945, Bad Nauheim, S. 3f.
  8. 8,0 8,1 Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 46
  9. Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 78
  10. 10,0 10,1 10,2 10,3 Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 45f.
  11. Ostfriesischer Kurier vom 21. Mai 2016, S. 41
  12. Ostfriesischer Kurier (1999): Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart (Sonderdruck), Norden, S. 65
  13. 13,0 13,1 Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 45
  14. 14,0 14,1 Geschichte der Sendestation Osterloog auf Rundfunk-Nostalgie.de, abgerufen am 5. April 2021
  15. 15,0 15,1 Geschichte der Gnadenkirche Tidofeld, abgerufen am 30. Juli 2021
  16. Auf den Spuren von Flüchtlingen, abgerufen am 18. Mai 2021
  17. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 147
  18. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 148
  19. Haddinga, Johann (2020): Ehrenplatz: Erstes Kinderbuch nach Kriegsende, in: Ostfriesischer Kurier vom 24. Dezember 2020, Nr. 300, S. 4
  20. Ocken, Ihno (1996): Entstehung und Entwicklung des Sports in der Stadt Norden, Norden, S. 4

Siehe auch