Vossenhus

Aus Norder Stadtgeschichte
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Vossenhus

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Basisdaten
Entstehungszeit um 1510
Erbauer Häuptlingsgeschlecht Kankena
Bauweise Ziegelsteinbau
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Am Markt 8

26506 Norden

Das Vossenhus wurde im 16. Jahrhundert erbaut und war zunächst ein reines Wohnhaus. Später wurde es als Gasthof, als Süßwarenfabrik und als Landhandel benutzt. Bekannt ist das heute unter Denkmalschutz stehende Gebäude heute vor allem durch die hier seit 1983 ansässige Stadtbibliothek. Sein Namen bedeutet im Niederdeutschen sinngemäß Fuchshaus; ein Fuchs auf einer Sandsteinplatte ziert das Mauerwerk etwa mittig der zum Markt gewandten Seite.

Geschichte

Der Bau des Gebäudes kann nicht mehr eindeutig datiert werden, ist aber im frühen 16. Jahrhundert zu suchen. Ebenso unklar ist, wer das Gebäude erbaute. Es bestehen jedoch Hinweise darauf, dass die Kankena hierfür verantwortlich sind.[1] Zunächst bestand nur der linke (nördliche) Teil. Es handelte sich um ein für Ostfriesland typisches Steinhaus, das giebelständig zum Marktplatz errichtet wurde, ähnlich wie beispielsweise der Engenahof.[2] Der Steinbau ist durch die weiße Fassade an der dem Markt zugewandten Seite nicht mehr zu erkennen, an den Seiten hingegen schon. Diese Fassade ist das Ergebnis einer 1796 durchgeführten Umgestaltung, in dessen Rahmen auch die Sandsteinplatte mit dem den Namen versinnbildlichenden Fuchs in das Mauerwerk eingelassen wurde.[2]

Als ältester Besitzer des Gebäudes ist der Drost Ulrich Harringa für das Jahr 1606 urkundlich nachweisbar, dem unter anderem auch der Hof Selden Rüst in Westgaste zugerechnet wird.[3] Dieser hat das Gebäude jedoch offenbar bereits 1605 an seinen Schwager, den Norder Bürgermeister Otto Loringa, überlassen. Auch wird ein Heye Beners als Besitzer in diesem Zeitraum genannt.[2] Die genauen Eigentumsverhältnisse bleiben daher unklar. Wahrscheinlich bewohnten sie getrennte Teile des Gebäudes.

Im Jahre 1616 stand das Haus, genannt de Valke, laut einer Steuerliste im Eigentum von Jobst Warner Conring.[3][4] Conring war der erste einer langen Reihe von Landrentmeistern (oberster Finanzverwalter) der Ostfriesischen Stände und ein Vetter des bekannten Universalgelehrten Hermann Conring. Wie das Haus in seinen Besitz gelangte, ist unbekannt. Er veräußerte es bereits am 4. Oktober 1632 wieder an einen unbekannten Käufer.[3] Laut Kaufvertrag gehörten zu diesem Zeitpunkt 19 Diemat Land zum Anwesen.[4]

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gelangt das Gebäude in den Besitz des Reiner Christoph Voss. Nach dessen Tode erbte sein Sohn Johann Christoph Voss den Besitz und ließ das Haus samt Garten, Scheune und Packraum im Jahre 1770 auf seinen Namen eintragen. Seine Witwe erweiterte den Besitz 1784, was von einem wirtschaftlichen Wohlergehen der Kaufmanns- und Weinhändlerfamilie zeugt. Ihr Sohn, der Weinhändler Lambert Voss, richtete 1781 in dem damaligen Giebelhaus einen Gasthof ein. Badegäste auf der Weiterreise nach Norderney konnten von nun an im Vossenhus übernachteten.[3] Lambert ließ auch die Sandsteintafel mit dem Fuchs (niederdeutsch: Voss) an dem Gebäude anbringen.[2]

Erneut wird das Vossenhus im Jahre 1813 im Zusammenhang mit dem Seebergskrug in Norddeich genannt. Der Betreiber bot den im Weinhaus und im Vossenhus logierenden Gästen einen Kutschenservice zu einer Gastwirtschaft an.[5] Die mit dem Seebergskrug zusammenhängende Werbung gilt als erster Beleg touristischer Werbung für Norddeich.

1816 wurde den Heimkehrern des Ostfriesischen Landwehrregiments hier nach dem Sieg über Napoleon bei der Schlacht von Waterloo von Bürgermeister Peter Conerus die sogenannte Ligny-Fahne, benannt nach der Schlacht bei Ligny (Belgien) sowie einen symbolischen Lorbeerenkranz für ihren Sieg überreicht. Die Inschrift lautete: "Ligny-Waterloo. Den tapferen Söhnen des Vaterlandes zum herzlichen Willkommen".[6]

1822 wird das Vossenhus in einem Reisebericht des Auricher Medizinalrates Friedrich Wilhelm von Halem gemeinsam mit dem Weinhaus lobend erwähnt. So heißt es: "In Norden, einer hübschen reinlichen Stadt dürfen die Gastwirte Heun und Voß beide an dem großen, völlig einem Garten gleichenden Marktplatz wohnend, es mit der Bewirtung in jeder Mittelstadt aufnehmen."

Am 24. April 1855 kommt im Gasthof der Ausschuß für den Eisenbahnbau zusammen, der sich für den Anschluss der Stadt an das Eisenbahnnetz einsetzte.[7] Hierzu kam es jedoch erst gut 30 Jahre später.

Im Jahre 1870 verkaufte die Familie Voss das Anwesen an Carl Garbe, der es noch im gleichen Jahr an den Konditormeister Thomas Jodokus Heddinga weiterveräußerte und stattdessen den Reichshof übernahm.[8][9] Heddinga erweiterte sein Geschäft zunächst um eine kleinere Abteilung zur Bonbon-, Schokoladen- und Marzipanherstellung. Aufgrund der guten Geschäftsentwicklung wurde diese Abteilung bald erheblich ausgebaut und man begann mit einer umfangreichen Schokoladenproduktion, das Unternehmen war bekannt als Schokoladenmanufaktur Heddinga‏‎ und wurde 1891 durch Ankauf eines Packhauses nach Süden hin erweitert. Dieses war ursprünglich im Besitz der Tabakmanufaktur Steinbömer & Lubinus, wurde 1884 von Doornkaat zu Getreidelagerzwecken erworben und 1891 schließlich an Heddinga weiter veräußert.[10] Unter Heddingas Sohn und dessen Onkel erreichte das Unternehmen seine Blütezeit. In der Saison, zu Weihnachten und zu Ostern, arbeiten hier rund 130 Männer, Frauen und Kinder. Die Erzeugnisse waren nicht nur in Norden, sondern auch in Ostfriesland und darüber hinaus bekannt. Das Unternehmen existierte bis 1934.[3]

Anschließend wurde das Gebäude bis 1972 Sitz des Landhandels Mennenga & Poppinga, das seinen Sitz nachfolgend in das neue Gewerbegebiet Am Norder Tief verlagerte. Zu dieser Zeit war das Vossenhus derart heruntergekommen, dass ihm im Jahre 1974 im Zuge der Altstadtsanierung der Abriss drohte. Nur der Initiative engagierter Bürger ist es zu verdanken, dass das Haus gerettet werden konnte. Sie führten wichtige Maßnahmen zur Sicherung des Gebäudes durch, wobei das Packhaus allerdings planiert wurde. Die Stadtverwaltung ließ das Vossenhus schließlich von 1980 bis Dezember 1982 durch das Architekturbüro von Oppeln aus dem benachbarten Berum zur Stadtbibliothek umbauen, die dort seit 1983 ihren Sitz hat.[2]

An der Stelle des Packhauses wurde das Weiterbildungszentrum errichtet, welches 1981 eingeweiht wurde.[11]

Beschreibung

Das Gebäude ist ca. 7,20 Meter breit und rund 18,00 Meter lang. Als Ziegelsteine kamen sogenannte Klostersteine zum Einsatz.[2] Ihren Namen hat dieser Steintypus erhalten, weil u.a. die Klöster der Zisterzienser bei der Einführung und Verbreitung der Backsteintechnik eine führende Rolle spielten.[12]

Das Mauerwerk weist ein breites Farbenspektrum auf. Neben schwarzen, die zur Erbauungszeit vermauert wurde, finden sich noch etliche in den Farben Ocker und Grün, glasierte Backsteine. Die Steine wurden mit Lehm gemauert und mit Muschelkalk verfugt. Deckenbalken und Dielen sind aus Eichenholz. Das Walmdach wird von einem für die Bauzeit typischen, liegenden Dachstuhl getragen, der ebenfalls aus Eichenholz besteht. Er ist bis heute im Originalzustand erhalten.[2]

Auf der marktzugewandten Seite befindet sich im linken mittleren Bereich zwischen zwei Fenstern eine Sandstein-Tafel, auf der das Relief eines von Reben umrankten Fuchses zu sehen ist. Darunter stehen die Worte Gasthoff im Weinberge von Voss.[3]

Die Fenster an der Süd- und Nordseite sind halbachsig. Sie verfügten einst im unteren Bereich über verschließbare Holzluken, während der obere Teil bleiverglast war. Eine ähnliche Konstruktion findet sich im benachbarten und in der gleichen Zeit erbauten Haus Vienna. An der Traufseite blieb eine Dachluke mit einer Winde erhalten, mittels der einst Lasten auf den Dachboden befördert wurden.[2]

Trivia

In der Zeit um 1812 hatte das Gebäude die Hausnummer 244.[13]

Galerie

Einzelnachweise

  1. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 46
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 Pühl, Eberhard (2007): Alte Backsteinhäuser in Ostfriesland und im Jeverland, Oldenburg, S. 163ff.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 Das Vossenhus in Norden, abgerufen am 4. Mai 2021
  4. 4,0 4,1 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 192
  5. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 322
  6. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 58
  7. Daten zur Eisenbahnverbindung nach Norden / Norddeich und Sande, abgerufen am 1. Juni 2021
  8. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 128
  9. Canzler, Gerhard (2002): Doornkaat. Eine Firmenchronik, Norden, S. 61
  10. Canzler, Gerhard (2002): Doornkaat. Eine Firmenchronik, Norden, S. 60f.
  11. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 93
  12. Backstein ist nicht gleich Backstein, abgerufen am 4. Mai 2021
  13. Cremer, Ufke (1938): Die Hausnummern Nordens im Jahre 1812, Norden, S. 1

Siehe auch