Westgaste

Aus Norder Stadtgeschichte
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Westgaste

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Basisdaten
Administrativer Stadtteil Norden
Ungefähre Lage westlich des Stadtgebiets

Westgaste ist ein Stadtviertel von Norden und damit Bestandteil des eigentlichen Stadtgebiets. Der Name bezieht sich auf eine westlich der Stadt, erhöht gelegene Geest (Gaste), die als Gegenstück zu der ihr nachfolgenden, tiefliegenden Westermarsch betrachtet werden kann. Obgleich der Begriff Westgaste als geografische Bezeichnung und im täglichen Sprachgebrauch der Norder eine bedeutende Rolle spielt, war es nie ein fest definiertes Viertel, sondern hat nur vage Grenzen.

Historisch war die Westgaste bis zur Eingemeindung nach Norden im Jahr 1919 Teil der Norder Umlandgemeinde Sandbauerschaft, einem Zusammenschluss verstreuter Kleinstsiedlungen, die sich um die Stadt Norden bildeten und diese wie einen Dreiviertelring im Norden, Osten und Westen umschloss.

Geografie

Blick über die Westgaste zum Schulzentrum Wildbahn (1979).

Wie der Name bereits vermuten lässt, befindet sich (die) Westgaste auf einer Geest (Gaste) im Westen der Stadt Norden. Geografisch grob umgrenzen lässt sich das Viertel in etwa wie folgt: Im Westen durch die Grenze nach Westermarsch I, im Nordwesten bis zum Westlinteler Weg, im Norden bis zum Spiet im Osten bis zur Langen Riege bzw. Feldpfad und im Süden bis zum Bürgermeisterviertel und dem Altendeichsweg. Diese Grenzen sind nicht festgelegt, doch bilden sie im wesentlichen den Kern um die hohe Westgaste, obgleich die Grenze zwischen Stadt und Sandbauerschaft in Höhe der Weberslohne lag. Man kann die Straßen, die nach der Eingemeindung 1919 folgten, jedoch nicht mehr eindeutig der Altstadt oder Westgaste zuordnen.[1]

Die Erhebung der Westgaste besteht vorwiegend aus sandigem Boden, wie es für ein Geestland typisch ist. Nur in tieferen Lagen der Westgaste findet man marschtypischen Kleiboden. Eine Bohrung aus dem Jahr 1897 ergab zunächst eine schwache Lage Sand, dann Geschiebemergel und darunter Diluvialsand. Am Fuße des Hügels ist schon Klei über dem Sand gelagert. An der Oberfläche des Abhangs befand sich in 0,90 Metern Tiefe Kleiboden, darunter bis 2,50 Metern Tiefe feinkörnige Sande, dann bis 6,20 Meter Diluvialsande mit Geschieben, bis 6,80 Meter Geschiebelehm und bis 20,80 Meter Geschiebemergel. Darunter folgten bis 22,50 Meter schwach mergeliger feiner Sand und sodann bis 30,60 Meter feinkörnige Quarzsande teils mit größeren und kleineren Kohlestücken und schließlich bis 34 Meter grobkörniger Quarzsand.[2]

In einer Tiefe von 26 bis 28 Metern wurden in dem feinkörnigen Quarzsand Glaukonitkörnchen beobachtet, in dem grobkörnigeren von 30 bis 31 Metern und 32 bis 33 Metern Kohlenreste und Magneteisen. Diese Quarzsande von 22,50 Metern an erinnern nun in ihrer Ausbildung sehr an tertiäre Quarzsande.[2]

Geschichte

Die Bauerschaft Westgaste war als Teil einer Siedlung in der Sandbauerschaft bereits relativ früh besiedelt. Es handelte sich um einen Zusammenschluss von Bauern, die sich hier um größere Höfe und Häuser, wie die Westerburg ansiedelten und später mit weiteren Bauernschaften wie Ekel, Westlintel und Ostlintel zur Gemeinde Sandbauerschaft zusammenschlossen.[3]

Die Westgaste war wohl bereits zur Eiszeit besiedelt, worauf Funde eines frühzeitlichen Friedhofs sowie von Feuersteinen und Kies hinweisen.[4][5] In jedem Fall bildete die Westgaste den Endpunkt eines mittelalterlichen Heerwegs, der von Osten aus der Richtung Jever-Esens kommend nach Süden in die Richtung Emden-Leer umbog.[4]

Die Westgaste mit dahinter liegender Westermarsch (1979).

Das dominierende Geschlecht der Westgaste waren die Hadelsen oder die Mannena, von denen eins wohl die nahe des Schwanenteichs gelegene Westerburg (auch: Westerhus) errichteten. Auf ihrem Grund steht heute die, mittlerweile für Wohnzwecke genutzte, Neuapostolische Kirche. Auf alten Karten ist erkennbar, dass sich die Höfe der Westgaste auf einer vergleichsweise große Fläche verteilten. So wurden als Nebenorte Westgaste-Fremouthswarf, Westgaste-Mahnland und Westgaste-Selden Rüst erwähnt. Auch Martensdorf kann als Nebenort der Westgaste betrachtet werden, obgleich es historisch eine eigene Bauerschaft war, jedoch relativ schnell wüst fiel.

Für das Jahr 1848 sind 155 Einwohner belegt, die sich auf 25 Wohnhäuser verteilten. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Haushaltsgröße von sechs bis Personen.[6] Ein wichtiger Arbeitgeber wurde 1882 die Brauerei Doornkaat, an die heute noch die Brauhausstraße erinnert. Die in den Folgejahren steigenden Einwohnerzahlen machten gegen Ende des 19. Jahrhunderts den Bau einer Schule erforderlich.

Überregionale Bedeutung erlangte der Ort zudem durch den Bau der Empfangsstelle von Norddeich Radio in den frühen 1920er Jahren. Wegen der dichter werdenden Bebauung und Störungen durch elektronische Geräte wurden die Signale gestört, sodass bereits 1931 der Umzug nach Utlandshörn erfolgen musste. An die alte Empfangsstation erinnern noch heute der Funkweg und das Gebäude Im Spiet 28, das heute als Mehrparteienhaus genutzt wird.

1938 bis 1939 wurde der Wasserturm am höchsten Punkt der Westgaste errichtet, wodurch die Stadt erstmals einen Anschluss an die Wasserversorgung bekam. Bis dahin war es üblich, Trinkwasser aus öffentlichen und privaten Brunnen sowie Zisternen zu beziehen. Während des Zweiten Weltkriegs diente das Dach des Turms als Flakstellung zum Schutz vor alliierten Luftangriffen. In der Nachkriegszeit folgte schließlich, wie überall in Norden, eine intensivere Bebauung im Umfeld des schon sehr alten Hollander Wegs. Im angrenzenden Westlintel entstanden vor allem Reihen- und Mehrfamilienhäuser. Im Bereich der Brauhausstraße gibt es heute ebenfalls solche, die jedoch größtenteils - bis auf jene am Funkweg - schon in der Zeit um 1930 errichtet wurden und unter anderem als Dienstwohnungen für Armee- und Postbedienstete erbaut und genutzt wurden.

Erwähnenswerte Gebäude

Die frühere Küstenfunkstelle Norddeich Radio in Westgaste.

Erhaltene Gebäude

Das bedeutendste, erhaltene Gebäude ist wohl der Hof Selden Rüst aus dem 16. Jahrhundert.

Die Fremouthswarf befindet sich westlich der Straße Bedmor. Es war ursprünglich ein Gehöft und seit 1897 als Freemoutswarf und 1930 als Westgaste-Fremouthswarf urkundlich erfasst. Letzter Name wird auch auf der preußischen Grundkarte von ca. 1895 genannt.

Abgebrochene Gebäude

Das historisch wohl bedeutendste Gebäude ist die Westerburg am Ende der Alleestraße, die zu den Wehrhäusern, die die Stadt umschlossen und ihrer Verteidigung dienten, da Norden nie eine Befestigung im Sinne einer Stadtmauer hatte. Die Westerburg wurde 1969 abgerissen. In unmittelbarer Nachbarschaft steht seit 1965 die Neuapostolische Kirche, die allerdings mittlerweile als Mehrparteienhaus genutzt wird.

Seit 1882 befand sich im Umfeld der heutigen Brauhausstraße eine Bierbrauerei, die jedoch spätestens 1940 ihren Betrieb einstellte. Im Umfeld befand sich seit 1898 eine eine Schule. Weiterhin erwähnenswert ist das Gebäude Im Spiet 28, das jedoch auch zu Westlintel gerechnet werden kann. Es diente bis 1931 als Betriebszentrale für die am heutigen Funkweg befindliche Empfangsanlage von Norddeich Radio.

Einzelnachweise

  1. Preußische Grundkarte von ca. 1895 (Erste Landesaufnahme)
  2. 2,0 2,1 Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft Band 49 Heft c (1897), S. 38f.
  3. Schreiber, Gretje (2011): Höfe in der Sandbauerschaft, Manuskript
  4. 4,0 4,1 Rack, Eberhard (1967): Besiedlung und Siedlung des Altkreises Norden, Münster, S. 33
  5. Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 14
  6. Statistisches Handbuch für das Königreich Hannover von 1848

Siehe auch