Westgaster Mühle

Aus Norder Stadtgeschichte
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Westgaster Mühle

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Basisdaten
Entstehungszeit 1863 (1550, 1856)
Erbauer O. F. Onnen
Bauweise Galerieholländer
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Alleestraße 65

26506 Norden

Die Westgaster Mühle (auch: Gaster Mühle) ist eine 1863 erbaute und bis 1975 mit Wind betriebene Mühle im Stile eines Galerieholländers in Westgaste. Der Name ist seit 1781 überliefert.

Geschichte

Die früheste Erwähnung einer Mühle in Westgaste stammt vom September 1550, wobei der erste Besitzer erst namentlich im 17. Jahrhundert genannt wurde. Diese holzerne Bockwindmühle stand damals noch weiter nordöstlich ihres heutigen Standortes, ungefähr an der Einmündung des Mühlenwegs und der Mühlenlohne.[1] Seinerzeit stand das Betreiben einer Mahlmühle noch unter Genehmigungspflicht des Landesherren, an den ein jährlicher Betrag, das sogenannte Windgeld, zu zahlen war. Zudem machte dieser von seinem Vorrecht als Grundherr Gebrauch und verpflichtete die umliegenden Bauern dort und nirgendwo anders zu mahlen, was auch als Mühlenzwang bezeichnet wurde.

1717 wurde Johann Janssen Muhlen Pächter des Mühlenanwesens für sechs Jahre. Jährlich waren 94 Reichsthaler Heuer zu entrichten. Dieser Pachtvertrag wurde noch vor Ablauf der 6 Jahre aufgelöst. 1731 wird als neuer Pächter Melchert Renken Goldenstein genannt. 1781 bis mindestens 1794 wird Roolf Rieken Janssen neuer Pächter. Zu diesem Zeitpunkt wird die Mühle erstmals als Westgaster Mühle bezeichnet.

1818 werden die Erben des Claes Ulrichs neue Besitzer der Westgaster Mühle. 1834 wird sie in der Mühlenbrand-Societät Ostfriesland (Brandversicherung für Mühlen) als Rockenmühle auf der Gaste mit 4.000 holländischen Gulden versichert. 1846 wird Ode Gerdes als Besitzer genannt. Bis 1856 war offenbar ein J. R. Steinblock Müller zu Westgaste.[2]

1856 wird die alte Bockwindmühle schließlich abgebrochen. O. F. Onnen, der neue Besitzer, ließ sie daraufhin am heutigen Standort als dreistöckigen Galerieholländer wiedererrichten. Der Grund für die Verlegung war, dass sie sich dann auf direkterem Wege in die Westermarsch befand und so besser für die Bauern erreichbar war.[3] Dieser 18.000 Reichstaler teure Bau wird bereits 1862 durch einen Blitzschlag zerstört und daraufhin ein Jahr später wieder aufgebaut. Die Höhe der Mühle beträgt nun 27 Meter. In diese Zeit fällt wohl auch der Bau des anliegenden Gebäudes (Müllerhaus).

Im 19. Jahrhundert und bis Anfang des 20. Jahrhunderts sollen - in guten Zeiten - bis zu 12 Menschen Arbeit in der Westgaster Mühle gefunden haben, die von der Säuberung über die Verarbeitung bis zur Auslieferung des gemahlenen Korns jeden Arbeitsschritt ausführten. Bei gutem Wind war das in einer Stunde eine Tonne Korn, die gemahlen wurde, allerdings mit drei Mahlgängen. So konnte es auch vorkommen, dass die Mannschaft der Mühle die ganze Nacht durcharbeiten musste.

1921 wird die Mühle erneut schwer beschädigt. Ein starker Sturm riss die Mühlenkappe mit Flügelkreuz herunter. Die herunterstürzenden Flügel zerstörten die Galerie und das Nebengebäude des Mühlenbetriebes. Die Mühle glich dadurch fast einer Ruine. Ein Jahr später erwirbt Franz Hinrichs die Mühle vom letzten Eigentümer innerhalb der Familie Onnen, Hinrich Onno. Dieser schafft 1925 eines Sauggasmotor als Sekundärbetrieb an, den er bereits drei Jahre später durch einen 25 PS starken Dieselmotor der Marke Deutz ersetzt.

In den 1930er Jahren werden zwei von drei mit Windkraft angetriebene Schrotmahlgänge ausgebaut. Dafür wird ein mit einem Elektromotor angetriebener Schrotmahlgang mit einem Durchmesser von 1,30 m eingebaut und es erfolgte eine betriebliche Umstellung auf Feinmüllerei. Dazu wurden zwei Doppelwalzenstühle installiert, die durch einen 40 PS starken Deutz-Dieselmotor angetrieben werden.

1950 arbeiten sieben Beschäftigte für Müller Hinrichs: Zwei Fahrer, zwei Lehrlinge und zwei zwei Gesellen. Auch sein Schwiegersohn Friedrich Hartwig ist in der Mühle tätig. Dieser übernimmt ab 1974 auch die Mühle von seinem Schwiegervater. Hartwig lässt die Mühle ab 1975 nur noch mit Motorkraft arbeiten, da die Windrose erste Schäden aufweist. Gemahlen wird indes kaum noch. Vielmehr wandelt sich der Betrieb zu einem Landhandel.

1983 werden die Flügel, der Kappe und der Achtkantabdeckung durch Mühlenbauer Böök aus Dunum notdürftig repariert. Auch die Windrose wird teilweise erneuert. Zu diesem Zeitpunkt arbeiten neben Hartwig noch sein Sohn Werner Hartwig und sein Schwager Ibbo Hinrichs im Betrieb.

Vier Jahre später wird die Kappe durch die Firma Böök Instandgesetzt. Ein Windbetrieb ist jedoch weiterhin nicht möglich, da die Flughölzer gebrochen sind und einen zu hohen Druck auf die Achse erzeugen. Im Juni 1987 muss Hartwig aus Krankheitsgründen aufhören. Ein Nachfolger konnte nicht gefunden werden, sodass die Mühle im November des Jahres zum Verkauf stand. Im Januar 1988 wird die Mühle und der dazugehörige Besitz vom Antiquitätenhändler Eint Meyer aus Nadörst ersteigert, aber schon im März wieder verkauft: Gerhard Campen, ehemaliger Bürgermeister der Stadt Norden und eine Bremer Gesellschaft für industrielle Beteiligung erwerben die Mühle. Zielsetzung Campens war die Instandsetzung und Erhaltung der Mühle und des Müllerhauses als Ensemble. Im April gründete sich der Westgaster Mühlenverein, der den Betrieb und die Mühle selbst erhalten sollte. Ein entsprechender Pachtvertrag zwischen Eigner und dem Mühlenverein wurde für 30 Jahre abgeschlossen. Die Mühle war zu diesem Zeitpunkt in einem desolaten baulichen Zustand.

Gemeinsam mit der unteren Denkmalschutzbehörde wurde zeitnah ein Restaurationsplan erarbeitet. Ein erster Rückschlag ereignet sich schon im Jahr 1989, als die Jalousieflügel durch starke Sturmböen beschädigt und daher im August 1990 zur Reparatur abgenommen werden müssen. Im Dezember wurde dann die baufällige Kappe abgenommen. In diesem Monat verstarb auch der ehemalige Eigentümer Friedrich Hartwig.

Im März 1991 begann man mit dem Einsetzen der alten Achse in den im Neubau befindlichen Mühlenkopf. Im Mai wurde diese gerichtet und im Juli aufgesetzt. Indes zog sich die Bremer Gesellschaft zurück und Gerhard Campen wurde alleiniger Eigentümer der Mühle.

Etwa ein Jahr später, im Juli 1992 wurden die beiden neuen Flügelpaare montiert. Diese wurden zuvor niederländischen Oude-Schanz angefertigt. Die Betriebsfähigkeit der Windmühle war nun wiederhergestellt. Durch Campen wurden zum Erhalt der Windmühle eine Teestube und ein Bioladen gegründet, der von hiesigen Landwirten beliefert wurde. Dieser Laden firmierte schon bald a der Westerstraße 21 unter dem Namen Grön Nörderland. Bis heute können bei der Westgaster Mühle Bio-Produkte, darunter selbst gemahlenes und gebackenes Brot, erworben werden.

1998 feiert die mittlerweile wieder betriebsbereite Mühle anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Westgaster Mühlenvereins ein großes Mühlenfest. Durch ihre Funktionsfähigkeit wird die Westgaster Mühle ein großer Anziehungspunkt für die Besucher.

2006 wurde die abgängige Galerie erneuert, 2009 folgen der Kappenumlauf und Teile der Flughölzer. 2014 wird der abgängige Windrosenbock ersetzt. Die Flügel wurden 2018 neu angestrichen. Ein Jahr später werden sich breit machende Holzwürmer bekämpft und eine Aufhängung am Stirnrad befestigt. Im Jahr 2020 übernimmt Martin Campen die Mühle als Erbe seines Vaters Gerhard Campen. Sodann lässt er den maroden Fugbalken und die Getreidescheiben der Windrose erneuern.

Trivia

Die Westgaster Mühle verhinderte lange Zeit, dass der umliegende Bereich bebaut wurde. So wurde beispielsweise die Straße Martensdorf erst ab 1958 in der heutigen Form bebaut.

Galerie

Einzelnachweise

  1. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 74
  2. Canzler, Gerhard (2002): Doornkaat. Eine Firmenchronik, Norden, S. 36
  3. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 148

Quellenverzeichnis

  • Internetseite der Westgaster Mühle, abgerufen am 9. März 2021
  • Schreiber, Gretje (1997): Streit um das Land am Meeresrand, in: Ostfriesland Magazin Jg. 1997/12, S. 108-119, hier S. 112f.

Siehe auch