Zichorienfabrik

Aus Norder Stadtgeschichte
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Zichorienfabriken stellten einen Ersatzkaffee aus der Zichorie, einer bis zu 1,25 Meter hochwachsenden Gemüsepflanze her. Sie wurde in Norden erstmalig ab dem späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert angebaut, nahezu ausschließlich auf der Ekeler Gaste.[1][2] Da der sandige, nährstoffarme Boden den Anbau vieler Pflanzen nicht erlaubte, wurde die Zichorie schnell eine für die dortigen Bauern bedeutende Pflanze. Gepflanzt wurde im Frühjahr, bis zum Herbst erfolgte dann die Ernte, wobei auch das zunächst auf Kommission erworbene Saatgut mit dem Erlös verrechnet wurde.

Die Pflanze enthält neben Bitterstoffen auch Zucker, organische Substanzen, Holzfaser sowie Mineralstoffe und besteht zu 70 % aus Wasser. In entsprechenden Fabriken wurden die Wurzeln in rotierenden Trommeln gewaschen, maschinell zerschnitten, auf Darren getrocknet, anschließend in zylindrischen oder kugelförmigen Trommeln geröstet und auf Scheibemühlen gemahlen. Zur Geschmacksverbesserung fügte man der Masse geringen Mengen an Erdnussöl bei. Das entstandene Mehl wurde in kleinen Paketen abgepackt und in einem feuchten Raum aufbewahrt. Dadurch zog das Pulver Wasser an und bildete die feste, bröckelige Masse, wie sie in den Handel gelangte. Der Kaffee-Ersatz von bräunlichem oder braunschwarzem Aussehen, löste sich in Wasser auf, färbte es braun und gab ihm den süßlich bitteren Beigeschmack. Das durch den Röstvorgang leicht angesengte Öl erzeugte ein Armon, das dem des Kaffees entfernt vergleichbar war.[2]

Trotz seines vor allem bei der Produktion entstehenden, unangenehmen Geruchs war das Surrogat noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ein vor allem bei den ärmeren Bevölkerungsschichten beliebtes Getränk, da viele sich den teureren, echten Kaffee nicht leisten konnten. Teilweise wurde nur Kaffee aus Zichorien getrunken, teilweise wurde dieser damit gestreckt.[2][3] Insbesondere seit der Französischen Besatzungszeit erfreute sich die Pflanze größerer Beliebtheit. Ab 1900 nahm die Zahl der Fabriken, nachdem sie um 1890 noch 100 betrug, stetig ab.[2]

Derartige Fabriken hat es in Norden einige gegeben:

Einzelnachweise

  1. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 132
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Canzler, Gerhard (1998): Beilage Heim und Herd im Ostfriesischen Kurier vom 8. August 1998
  3. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 235

Siehe auch