Drei Schwestern

Aus Norder Stadtgeschichte
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Drei Schwestern

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Basisdaten
Entstehungszeit 1570-1630 (1991)
Erbauer unbekannt
Bauweise Ziegelsteinbau
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Am Markt 12-14

26506 Norden

Die Drei Schwestern (niederdeutsch: Dree Süsters) sind ein denkmalgeschütztes Gebäudeensemble an der Südseite des Norder Marktplatzes. Der Name ergibt sich aus der baulichen Ähnlichkeit der drei Gebäude, die eng aneinander gereiht das Ortsbild des südlichen Marktes wesentlich prägen.

Die einzelnen Gebäude werden auch (von links nach rechts) als Erste Schwester, Zweite Schwester und Dritte Schwester bezeichnet.

Geschichte

Das Ensemble besteht aus drei giebelständigen Backsteinbauten, die im 16. und 17. Jahrhundert im Stil der Renaissance erbaut wurden. Das Gebäude mit der Hausnummer 12 entstand um 1570, das mittlere und das rechte um 1630.[1] Über die Erbauer ist nichts bekannt, aufgrund der Bauweise (siehe Beschreibung) ist jedoch anzunehmen, dass niederländische Kaufleute die Bauten errichtet haben oder sich die Erbauer zumindest an den für diese Zeit typischen Gebäude im Stile der niederländischen Renaissance orientierten.

Im Allgemeinen ist der Aufbau der drei Häuser gleich, sie bestehen (oder vielmehr bestanden) im Erdgeschoss aus einer Diele, einer Stube sowie ein Zimmer mit angrenzendem Küchenraum. Im Obergeschoss befinden (befanden) sich zwei weitere Zimmer. Das Dachgeschoss bestand aus einer weiteren Kammer, die als Lagerraum diente. Die Waren wurden dort mittels Lastenkran nach oben gehoben und dort gelagert, was seinerzeit üblich war. Eine noch hinter der Ersten Schwester befindliche, kleine Scheune aus dem Jahre 1805 weist darauf hin, dass die Bewohner sich selbst durch die Haltung von Tieren versorgten. Auch teilten sich die Bewohner der Drei Schwestern einen hinter der Ersten Schwester befindlichen Brunnen und unterhielten ihn gemeinsam.[2]

Die Bewohner der drei Schwestern waren vor allem Kaufleute und Handwerker. Anhand alter Verkaufsunterlagen lässt sich schließen, dass hier im Laufe der Jahre vor allem Schmiede, Klempner, Buchbinder, Tischer, Hutfabrikanten und ein Bäcker mitsamt seiner Bäckerei ansässig waren.[2][3]

Die Dritte Schwester wurde 1963 für den Bau eines Parkplatzes abgebrochen, was leider dem damaligen Zeitgeist geschuldet war. Sein Giebel wurde im Jahre 1991 anhand von alten Fotografien rekonstruiert.[4] Die beiden anderen Schwestern sind originalgetreu erhalten, was in erster Linie seinen früheren Besitzer, dem Schlachtermeister Campen, zu verdanken ist.[3]

Die linke und mittlere Schwester werden heute für gewerbliche Zwecke genutzt. Die rechte Schwester beherbergte nach ihrem Wiederaufbau ursprünglich das städtische Fremdenverkehrsbüro, heute eine Hospizgruppe sowie eine Außenstelle der Ostfriesen Zeitung.

Erste Schwester (Nr. 12)

Erstmals erwähnt wird die Erste Schwester am 27. Februar 1615, als Johan Luetkens und seine Ehefrau Rendelich Agena ein Darlehen bei Meister Heinrich Kemerling und dessen Ehefrau Marieken Kemerling aufnahmen. Als Sicherheit für dieses Darlehen nannten sie ihr hier in Rede stehendes Haus. Am 4. Mai 1615 wird die Lage des Hauses konkretisiert, sodass gesichert ist, dass das Haus zu jener Zeit Luetkens und Agena gehörte. Ihnen war das Haus aus der Erbschaft des Ulpherten Jemminga (Ulfert von Jemgum) zugefallen.[5]

Die nächsten bekannten Eigentümer waren die Erben des Alberti Steinfeld.[5] Dieser Name fällt auch im Zusammenhang mit einer Erbschaft des Hauses an der nahegelegenen Sielstraße 2.[6] Am 26. Juli 1773 verkauften seine Töchter das Haus mitsamt Zubehör. Die Töchter werden namentlich lediglich als Frau Capitaininn de Groot und Jungfer Steinfelds genannt.[5] Aus dem Verkaufsinserat bzw. der Hausbeschreibung lässt sich erkennen, dass an das Hauseigentum die Pflicht gebunden war, die Sielstraße halbseitig bis zum Grenzpfahl des Hauses von Hero Folkerts zu unterhalten.[7]

Das Haus wurde sodann für 1.080 Gulden vom Notar Bruno Heilmann erworben. Bereits vier Jahre später, am 4. Oktober 1777, wurde das Haus erneut verkauft. Evert Zacharias Rugge, wie sein Vater Hutmacher von Beruf, erwarb es gemeinsam mit seiner Ehefrau Jefste Johanna Edzarts für 500 Reichstaler in Gold. Ihre Kinder erbten das Haus gemeinsam, der Sohn Zacharias Evert Rugge und die Tochter Geerdje Johanna Rugge erwarben es am 4. Oktober 1815 für 3.700 Gulden in Gold von den anderen Geschwistern. Seit dem 25. März 1817 war Zacharias alleiniger Eigentümer des Hauses, der dafür seiner Schwester die Hälfte des vorgenannten Betrags auszahlte, doch schon einen Tag später verkaufte er es wieder für 4.000 Gulden an den Kaufmann Heinrich Oldendorf.[7]

Ab 1862 war Hajo J. Block und ab 1868 Harm J. Wilgrubs.[7] Wilgrubs erwarb um 1885 das Haus an der Brückstraße 11.[8] Ihm folgte Gerhard F. Jäger und dem wiederum Hermann Extra.[7]

Erkenntnissen des Diedrich Soltau zufolge soll sich in der Ersten Schwester nachfolgend das erste Café in Norden befunden haben. Betreiber waren demnach Albrecht Barth und seine Frau Swantje Coordes. Zuvor war Barth Konditorwerkmeister in der Schokoladenmanufaktur Heddinga gewesen. Lange soll es leider nicht Bestand haben, da Barth als dem bayerischen Bier zugeneigt beschrieben wird. Bereits im Brandkataster von 1882 wurde das Café bereits nicht mehr erwähnt.[7]

Spätestens seit 1897 war das Haus dann im Besitz des Klempnermeisters Reinhard Ihmels und des Kupferschmieds Kempo Ihmels. In den Adressbüchern von 1926 sowie 1950/1951 wurde Klempnermeister Heinrich Ihmels erwähnt. Seit spätestens 1974 gehörte das Haus Schlachtermeister Henry Campen, dem auch der (Wieder-)Erhalt maßgeblich zu verdanken ist.[3]

Seit 2003 befand sich in der Ersten Schwester der Fahrradhandel De Fietsenmoaker (niederdeutsch für: Der Fahrradmacher), der im Januar 2022 in das Haus Neuer Weg 73 umzog.

Zweite Schwester (Nr. 13)

Relativ spät, erst 1730, findet sich die erste Erwähnung der Zweiten Schwester im Zusammenhang mit dem Verkauf des Hauses durch Samuel Nellner. Diese veräußerte es am 30. Dezember 1730 im Namen der Erben seines Schwiegervaters. Neue Eigentümer wurden der Bäcker Reiner Behrends und dessen Ehefrau Addeke Jacobs. Nach seinem Tode heiratete Jacobs erneut, diesmal Hans Ferdinand Pichler und wurde dadurch mit diesem und ihrem Sohn aus erster Ehe neue Eigentümerin des Hauses.[9]

Am 17. Oktober 1785 erwarben Ewe Janssen Bäcker und seine Ehefrau Antje Janssen das Haus für 1.520 Gulden in Gold.[9] Der Bäckergeselle Thade Ryken Manoth setzte die Bäckertradition im Hause fort und erwarb es am 6. April 1790 für 1.700 Gulden in Gold, musste Ewe Janssen Bäcker jedoch einiges an Inventar überlassen.[9][10] Am 17. Oktober 1796 wurde Aaltje Joosten, Witwe des Ihmel Wilken, Besitzer des Hauses und veräußerte es wiederum am 9. September 1805 an Jann Aits Backer für 3.550 Gulden in Gold.[10]

Ab 1844 waren Backers Erben als Eigentümer verzeichnet. Ab 1858 gehörte das Haus Levy de Klein und Jacob de Klein. 1860 war Levy Simon Stahl Besitzer. Spätestens seit 1897 gehörte es dann dem Tischler Gerd Itzen, der das Haus in den 1870er Jahren erworben hatte. Spätestens 1926 war hier dann die Produktenhandlung von Wilhelm Hevemeyer sowie seit spätestens 1950 der Fleischermeister Jacob Campen ansässig. Seit spätestens 1992 und bis heute gehört das Haus der Familie Wöltjen (Boutique Wöltjen).[10]

Dritte Schwester (Nr. 14)

Namentlich lassen sich die Bewohner der Dritten Schwester seit 1662 zurückverfolgen. Am 18. März 1662 war Tönjes Peters Eigentümer des Hauses. Erneut findet das Haus mitsamt Eigentümer 1732 Erwähnung, als die Erben der Witwe Straalmann, Aaltje Straalmann und Margarethe Straalmann genannt werden. Sie verkauften das Haus dem Ratsherrn Gerhard Thodens Thoden (Mitglied der Theelacht) und seiner Ehefrau Christine Charlotte Juliane von Schacht für 900 Gulden. Am 10. September 1755 wurde das Haus dann von Hero Folkerts Stroman und Gretje Jacobs Silomon erworben. Nach dem Tode seiner Ehefrau wurde Stroman alleiniger Besitzer, nach seinem Tode wiederum erbte sein Bruder Jacob Stroman den Besitz gemäß Testament vom 2. Januar 1806.[11]

Zwar verfügte Jacob Stroman in seinem Testament, dass das Haus nach seinem Ableben seinen Kindern und Enkeln zufallen solle, doch erwarb am 16. Oktober 1815 der wohlhabende Kaufmann Sicco Doden Cremer die Dritte Schwester von der Stroman'schen Erbengemeinschaft für insgesamt 6.900 Gulden in Gold.[2][11] Die hinter dem Haus befindliche Scheune veräußerte Cremer am 2. Mai 1816 für 300 Gulden an den Hutfabrikanten Zacharias Evert Rugge, dem auch die Erste Schwester zeitweilig gehörte (siehe oben).[11]

Sicco Cremers Vater Doede Lübberts Cremer bereits 1783 den benachbarten Bau (Am Markt 15) erworben, auf dessen Grund sein Schwiegersohn Laurenz van Hülst um 1855 jene Stadtvilla errichten ließ, in der sich bis heute das Rathaus befindet.[2][12] Die Dritte Schwester diente fortan dem Kutscher der Familie als Wohnsitz.[13] Spätestens 1864 gehörte van Hülst auch die Dritte Schwester.[11]

Mit dem Umzug der Stadtverwaltung in das neue, bis heute als solches genutzte Rathaus im Herbst 1883 erwarb die Stadt 1885 auch die Dritte Schwester.[11][14] Der hintere, untere Teil (Parterre) wurde der Polizei als Dienstsitz zur Verfügung gestellt, deren Umzug vom Wachthaus am Marktplatz zeitnah erfolgte.[14] Räumlichkeiten hinter der Dritten Schwester wurden ab etwa 1886 auch als Spritzenhaus für die Norder Feuerwehr genutzt. Die übrigen Räume wurden vermietet. In einer dieser vermieteten Wohnungen lebte der Polizeisergeant Hinrich Bohlken mit seiner Familie, sein mittelbarer Nachbar war der Polizeisergeant Frank oder Fritz Leopold. Seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts war die Bezeichnung Sergeant der zweitunterste Dienstgrad. Er war Vorgesetzter der Polizeidiener, stand jedoch noch unter den Wachtmeistern.[14] Bis zu ihrem Umzug im Oktober 1945 in den Engenahof blieb die Norder Polizei hier ansässig.

Ab 1948/1949 beherbergte die Dritte Schwester das Volksbildungswerk und wurde 1963 für den Bau eines Parkplatzes abgebrochen, was leider dem damaligen Zeitgeist geschuldet war. Sein Giebel wurde im Jahre 1991 anhand von alten Fotografien rekonstruiert.[4] Die Arbeiten wurden im September des Jahres abgeschlossen.[15] Nachfolgend zog hier das Fremdenverkehrsbüro der Stadt ein.

Beschreibung

Die beiden linken Giebel sind Teil eines Doppelhauses. Der linke Giebel ist im Übergangsstil von Gotik zu Renaissance ausgeführt worden. Er wirkt wie ein gotischer Staffelgiebel, in dessen Abtreppungen Viertelkreise gestellt wurden. Damit weist er bereits Ansätze zum Schweifgiebel auf, der beim etwas später entstandenen mittleren Haus (Hausnummer 13) bereits voll ausgeprägt ist.[16] Im oberen Zentrum der Giebel ist im Mauerwerk pro Gebäude jeweils ein Kreissegment mit Diamantquaderung zu sehen. In dessen Zentrum befindet sich in den beiden erhaltenen Häusern als Schmuckelement jeweils ein Delfter (Niederlande), im rekonstruierten Haus Nummer 14 ein Teller aus Harlingen (Niederlande).[17]

Alle drei besitzen Gurtgesimse, das Haus Nr. 12 hat zusätzlich auch noch Traufsteine aus Sandstein. Diese Sandsteinbänderungen wurden im 17. Jahrhundert erneuert. Die ursprüngliche Fenstergliederung ist an der marktzugewandten Seite durch die doppelten Entlastungsbögen mit Diamantquaderung noch erkennbar.[18] Die linke Schwester verfügt auch der rückwärtige Giebel über Entlastungsbögen.[17]

Galerie

Einzelnachweise

  1. Rund um den Marktplatz auf Norden.de, abgerufen am 9. April 2021
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 48
  3. 3,0 3,1 3,2 Brückner, Annemarie / Gerdes, Edo (1984): So war es damals. Bilder aus dem alten Norden, Leer, S. 77
  4. 4,0 4,1 Haddinga, Johann / Stromann, Martin (2001): Norden/Norddeich – Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor, Norden, S. 74
  5. 5,0 5,1 5,2 Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 55
  6. Schreiber, Gretje (1998): Norder Häuser, Die Bewohner der Sielstraße (I), in: Ostfriesischer Kurier, 13./14. Juni 1998
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 56
  8. Schreiber, Gretje (1994): Die Bewohner der Brück- und Dammstraße
  9. 9,0 9,1 9,2 Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 57
  10. 10,0 10,1 10,2 Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 58
  11. 11,0 11,1 11,2 11,3 11,4 Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 59
  12. Haddinga, Johann (2007): Biographie des Sicco Theodor van Hülst, veröffentlicht bei der Ostfriesischen Landschaft
  13. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 50
  14. 14,0 14,1 14,2 Haddinga, Johann (2010): Die Polizei und ihre Geschichte(n), in: Heim und Herd vom 20. Oktober 2018, Beilage Ostfriesischer Kurier Nr. 10, S. 37-40
  15. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 48
  16. Kiesow, Gottfried (2010): Architekturführer Ostfriesland, Bonn, S. 275
  17. 17,0 17,1 Pühl, Eberhard (2007): Alte Backsteinhäuser in Ostfriesland und im Jeverland. Backsteinbauten des 15. bis 19. Jahrhunderts, Oldenburg, S. 169
  18. Borchert, Antje (2014): Dree Süsters. Beschreibung für den Tag des offenen Denkmals

Siehe auch