Alte Altendeichsschule

Aus Norder Stadtgeschichte
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Alte Altendeichsschule

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Basisdaten
Entstehungszeit 1868 (1622 / 1772 / 1823)
Erbauer Gemeinde Westermarsch I
Bauweise Ziegelsteinbau
Entwidmung 1961
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Altendeichsweg 20

26506 Norden

Die Alte Altendeichsschule, so genannt in Abgrenzung zur Altendeichsschule, befindet sich am Altendeichsweg 20 in Westermarsch I. Das bis heute bestehende Gebäude wurde 1868 errichtet, seine Geschichte reicht jedoch bis in das Jahr 1622. Unzählige Schüler durchliefen hier ihre Volksschulbildung, einer ihrer Lehrer war der durch seine Zeichnungen bekanntgewordene Jacob Menßen, der hier bis zu seinem Tode im Jahre 1749 unterrichtet haben soll.

Seit 1961 wurde das Gebäude nicht mehr als Schule genutzt. Nachfolgend befand sich hier die überregional bekannte ABC-Bar ein, eine Nachtbar bzw. ein Etablissement. Später wurde die alte Schule zu einem reinen Wohngebäude, in dessen Garten sich eine Sammlung der unterschiedlichsten Gegenstände befand.

Geschichte

Auf den 8. Februar 1622 datierte Unterlagen weisen die Einstellung eines Schulmeisters (frühere Bezeichnung für nicht-akademische Lehrkräfte) nach. Das erste (bekannte) Westermarscher Schulgebäude befand sich demnach auf der Nordseite des Altendeichswegs in der Nähe der heutigen alten Altendeichsschule am Altendeichsweg 20.

Das Schulgebäude am heutigen Altendeichsweg 20 wurde hingegen erst 1772 errichtet. Es umfasste eine Lehrerwohnung, einen Garten und etwas Land. Ein Neubau erfolgte bereits 1823. Dieser war ungefähr 23 Fuß (ca. 7 Meter) lang und 16 Fuß (ca. 5 Meter) breit. Die unmittelbar angrenzende Lehrerwohnung umfasste eine Länge von 64 Fuß (ca. 19 Meter) und war 38 Fuß (ca. 11 Meter) breit. Sie umfasste eine Küche, ein Wohnzimmer, einen Keller und eine Sommerküche (Außenküche). Neben der Küche befand sich das sogenannte Karnhuus, ein Raum, in dem sich sündig gefallene Gläubige während des Gottesdienstes zur Buße aufhalten mussten, was als große Strafe betrachtet wurde. Die tugendhaften Gläubigen machten sich währenddessen sonntäglich auf den Weg zur Ludgerikirche und hielten dort ihren Gottesdienst ab, während die Sündigen im Karnhuus verweilen mussten. Weiterhin gab es hier noch eine Regenbacke, ein Behältnis für Regenwasser.[1] Eine staatliche Wasserversorgung gab es zu diesem Zeitpunkt noch längst nicht.

Das Hinterhaus enthielt drei Kuhställe und einen Schweine- sowie einen Schafstall sowie Platz für Getreide, Heu und Torf. Torf war das damals gängigste, weil billigste Heizmaterial und wurde zu dieser Zeit vor allem von der Norder Fehngesellschaft abgebaut und verkauft. Der Garten, dessen Größe sich wohl seit dem Ursprungsbau nicht verändert hat, wird auf 55 Quadratruthen, also etwa 1,2 Hektar bemessen. Zusätzlich stand dem Lehrer, der in der Wohnung kostenlos wohnen durfte, die Nutzung einer Grünlandfläche von 12 Morgen und 30 Ruthen (etwa 4 Hektar) zur Verfügung. Von dieser Fläche waren 1/3 Ackerland und 2/3 Weideland. Auch durfte er seine Schafe, so er denn welche hatte, entlang des Ennewegs und der Hälfte des Langen Wegs weiden lassen.[1]

Aus den Verpachtungen der der Schule gehörenden Ländereien (auch Schulland genannt), konnte er sich ein Einkommen erwirtschaften. Zur weiteren Finanzierung der Schule hatten die sogenannten Interessenten, also die Eltern der schulpflichtigen Kinder, jährlich jeweils etwa 19 Pfund Gerste an den Lehrer zu liefern.[1]

Wie damals vielfach üblich, unterstand die Schule dem Kirchenvorstand der Norder Ludgerigemeinde. So ist es nicht verwunderlich, dass in den Ausschreibungen für den Posten des Schulmeisters (nicht-akademische Lehrkraft) stets gefordert wurde, dass dieser die Schulkinder vor allem auch in "Gottesfurcht und Vermahnung zu unterweisen" hatte.[1] Bei der Wahl des Lehrers hatten die Interessenten ein Stimmrecht, dessen Gewichtung sich nach der Größe ihres Grundbesitzes bemaß. Bauern mit eigenem Hof hatten zwischen 1 bis 1 2/3 Stimmen, ein Schmiedemeister 2/3, ein Warfsmann (Hausbesitzer auf einer Warft) und ein Arbeiter hingegen nur 1/3.[2]

Das Schulgeld änderte sich im Laufe der Jahre mehrfach. 1823 betrug die Summe etwa 100 Reichstaler.[3] 1859 waren es bereits durchschnittlich 113 Reichstaler. Beachtlich dabei ist, dass sich das Schulgeld je nach gewünschtem Fach unterschieden. So mussten Eltern, deren Kinder nur als "Buchstabier- und Leseschüler" an der Schule waren deutlich weniger zahlen als solche, die auch schreiben und rechnen lernen sollten.[2]

Zwischen 1867 und 1868 wurde das Schulgebäude neu errichtet. Hierbei handelt es sich um das bis heute bestehende Gebäude.[2] Es wies zunächst eine Länge von 7 x 6 Metern auf. Die dazugehörige Lehrerwohnung umfasste zwei Wohn- und zwei Schlafräume. Ein Gang trennte die Wohnung von der Scheune, welcher Räume für Korn, Heu und Torf, drei Viehställe, ein Schweinestall, ein Schafstall und für die Aborte (Toiletten) enthielt. Auch gab es unterhalb des Gebäudes einen Keller.[4] Von der Beschreibung her ähnelte das Gebäude damit dem vorherigen Bau. Möglich ist also, dass es sich um keinen direkten Neubau, sondern vielmehr einen umfassenden Um- oder Wiederaufbau handelte.

Der neue Klassenraum besaß eine Fläche von 42,21 qm.[4] Hier wurden insgesamt 60 Kinder unterrichtet. Bis 1887 stieg die Zahl auf 100 an.[2] Bereits 1883 wurde das Schulgebäude um 4,40 m verlängert und der bereits vorhandene Abort um Pissoirs für die männlichen Schulkinder erweitert.[4] Aufgrund der gestiegenen Schülerzahlen wurde 1888 eine zweite Lehrerstelle geschaffen, jedoch erst nach einer weiteren Erweiterung in 1889 besetzt.[4] Auf die ausgeschriebene Stelle hatten sich sogar drei Bewerberinnen gemeldet, die aus Stettin, Langendorf und Westfalen kamen. Die Bewerbungen wurden jedoch abgelehnt, da die Schulbehörde keine Frau an der Schule einsetzen wollte.[5] 1949 wurde vom Schulrat schließlich eine dritte Lehrerstelle gefordert, da die Schülerzahlen nach dem Zweiten Weltkrieg erneut stiegen.[4] In diesem Jahr besuchten 110 evangelische und 8 katholische Schüler die Schule. Bei 47 Kindern handelt es sich um Flüchtlingskinder.[4]

1961 wurde die Neue Altendeichsschule eröffnet und das alte Schulgebäude gelangte in Privatbesitz. Die bisherigen Schüler wurden teils an die Westerhörner Schule, teils an die Neue Altendeichsschule umgeschult.[6] Im alten Schulgebäude entstand in den nächsten Jahren (seit spätestens 1977)[7] bis ungefähr um die Jahrtausendwende die sogenannte ABC-Bar, ein Etablissement mit überregionaler Bekanntheit.[4] Der Name ist eine Anspielung auf die schulische Vergangenheit kombiniert mit seiner Neunutzung als Nachtbar.

Nach der Schließung der Bau wurde das Gebäude nur noch als Wohnhaus genutzt. Der Anfang 2021 verstorbene Eigentümer Hans Fritsche hatte auf dem Grundstück eine Art Skulpturenpark errichtet, nachdem das Ordnungsamt der Stadt Norden ihm aufgetragen hatte, das von ihm zugestellte Gelände aufzuräumen. Im März 2021 wurde der Haushalt - und damit auch der Skulpturenpark - von den Erben aufgelöst. Seit Mai 2021 stand das Gebäude dann samt einer Grundstücksfläche von 2.676 qm gegen Höchstgebot zum Verkauf, das Startgebot lag bei 80.000 Euro.[8] Nach einigen Monaten des Leerstands wurde das Gebäude schließlich verkauft und wird nun einer neuen Nutzung zugeführt.

Lehrkräfte

Anmerkung: Die nachfolgende Liste ist weder abschließend, noch vollständig!

Zeitraum 1. Lehrerstelle
vor 1735 - 1749 Jacob Menßen
??? - 1801 Mamme Hinrichs
1801 - ??? Weyert Hayungs
1827 - 1875 Chr. B. Cöster
1875 - 1878 R. F. Ihmels
1878 - 1914 Johann Wilhelm Gerdes
Zeitraum 2. Lehrerstelle
1889 - 1899 Wilhelm Eilts
1899 - 1906 Wilhelm Dirksen
1906 - ??? Ernst Bockstiegel

Schülerzahlen

Schuljahr Anzahl
1868-1869 60
1878 78
1882 82
1884 109 (im Winter 104)
1887 100
1906 79
1949 118

Galerie

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 46
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 47f.
  3. StAA, Rep. 14, Nr. 1708
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 Beschreibung von Westermarsch I in der historischen Ortsdatenbank der Ostfriesischen Landschaft
  5. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 48
  6. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 48
  7. Ostfriesischer Kurier (1999): Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart (Sonderdruck), Norden, S. 58
  8. Verkaufsinserat bei Immobilienscout24.de, abgerufen am 14. Mai 2021

Siehe auch