Norder Tief

Aus Norder Stadtgeschichte
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Norder Tief

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Basisdaten
Kategorie Gewässer im Stadtgebiet
Ursprung Blandorfer Tief (Hage)
Mündung Störtebekerkanal

Das Norder Tief (historisch auch Ley, Lei) ist ein Fluss weitestgehend natürlichen Ursprungs, der sich von Südwesten kommend nach Südosten seinen Weg durch das Stadtgebiet bahnt und ab der Grenze zur Gemeinde Hage in das Hager Tief und dort schließlich in das Blandorfer Tief mündet. Das Tief entspringt in der Gemeinde Großheide aus den Schlooten bzw. Flüssen Kleiner Rendel und Blandorfer Tief. Bis 1991 mündete das (heutige) Norder Tief unmittelbar beim 1929 errichteten Leybuchtsiel in die Leybucht, seitdem nur noch über Umwege über den Störtebekerkanal und schließlich dem Leysiel. Die Entwässerung über das Leybuchtsiel war bis dahin nur bei Niedrigwasser möglich, sodass ein Neubau angestrengt wurde. Als sogenanntes Gewässer 2. Ordnung ist der Entwässerungsverband für den Unterhalt des Gewässers zuständig.

Name

Mit dem Ausdruck Tief, niederdeutsch Deep, bezeichnet man ganz allgemein (beschränkt auf das Gebiet der östlichen Südküste der Nordsee vom IJsselmeer bis an die Unterweser) ein in der Regel ursprünglich natürliches Fließgewässer in Meeresnähe, dessen Gewässersohle insgesamt oder großenteils unter dem mittleren Meeresspiegel liegt. Die Bezeichnung des Wasserlaufes des heutigen Norder Tiefs von der Stadt bis zur (ehemaligen) Mündung in die Leybucht als Ley oder Lei ist deutlich älter. Auch hier handelt es sich im Kern um einen allgemeinen Gattungsbegriff, abgeleitet vom urgermanischen Begriff *laid-eja, altfriesisch leda, "in Bewegung bringen, leiten", womit man ein schiffbares Gewässer bezeichnet hat (vgl. auch den Namen des Flusses Leda, belegt im 9. Jh. als Lade, der bei Leer in die Ems mündet). Der Ausfall des d nach dem Tonvokal ist eine häufige Erscheinung im Niederdeutschen. Die Leybucht erhielt ihren Namen nach den schweren mittelalterlichen Sturmfluten analog als "Wassereinbruch in die Leide, in die Ley".

Abschnitte

Namentlich unterteilt wird das Norder Tief in mehrere Abschnitte. Norder Tief ist dabei sowohl der Ober- bzw. Gesamtbegriff als auch eine Teilbezeichnung. Von Beginn in der Leybucht an bis ungefähr zum Zuckerpolder ist die Bezeichnung Norder Außentief geläufig. Ungefähr ab dem Zuckerpolder folgt die Benennung Gastmarscher Tief (bzw. Gaster Tief), ab der Stadtgrenze bis zum Norder Hafen dann Norder Tief. Der Bereich von hier bis zur Kolkbrücke wird dann Galgentief, früher auch partiell Sie(h)ltief, genannt. Ab hier folgt das Marschtief und schließlich - nach Lütetsburg und an der Grenze zu Hage - die Bezeichnung Hager Tief.

Das Tief war und ist auch weitestgehend noch heute für die Ab- und Entwässerung der Ämter Norden und Berum zuständig und damit nach wie vor für die Anliegergemeinden von zentraler Bedeutung. Es nimmt in seinem Verlauf zahlreiche Entwässerungsgräben (Schloote) auf. Daneben diente es vor allem dem Transport von Waren, da die wenigen vorhandenen Straßen und Wege in meist desolaten Zustand waren und besonders bei schlechter Witterung kaum bis gar nicht befahrbar.

Entstehung

Nach heutiger Ansicht handelt es sich beim Wasserlauf der alten Ley und somit des heutigen Norder Tiefs um eine eiszeitliche Schmelzwasserrinne, die somit seit Jahrtausenden ein Gebiet im nordwestlichen Ostfriesland auf natürliche Weise entwässert.

Das Norder Tief wurde weiter geformt durch die Zweite Marcellusflut und durch die Erste Dionysiusflut, bei der die Leybucht ihre größte Ausdehnung erreichte, wenngleich der Flussverlauf im Laufe der Jahrhunderte immer wieder geändert und begradigt wurde.

Bis zu den großen Deicheinbrüchen und Sturmfluten im 14. Jahrhundert verlief das Norder Tief innerstädtisch bedeutend weiter nördlich, ungefähr entlang der heutigen Straßenzüge Utlandshörn und Westermarscher Straße, wo in früheren Jahren auch eine Deichlinie verlief. Von dort soll sie gemäß der heutigen Erkenntnisse - für die allerdings urkundliche Belege fehlen - von Vierzig Diemat, Steenbalgen und der Dreeangel kommend den Neuen Weg etwa mittig gekreuzt und das Doornkaatgelände scharf geschnitten haben. Ins Stadtgebiet soll es aus Richtung der Moore bei Bargebur weiter im Osten geflossen sein, was es im Grunde auch heutzutage noch tut.[1]

Nach den katastrophalen Sturmfluten im 14. Jahrhundert dehnte sich die Leybucht aus und reichte im Norden nun bis an die alte Deichlinie von Westermarsch. Durch die Fluten und damit einhergehende Landeinbrüche bildeten neue Fahrwasserrinnen. Nachdem der Leybucht über die folgenden Jahrhunderte immer wieder Land durch Eindeichungen entronnen wurde, entstand in etwa der heutige Flussverlauf. Dieser wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder begradigt oder in seinem Verlauf geändert, so etwa um 1600, als der Verlauf des Galgentiefs nahe der Brückstraße etwas weiter südlich gelegt wurde.[2][3]

Die letzte Verlaufsänderung erfolgte Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Vergleich mit der preußischen Grundkarte von ca. 1895 mit heutigen Karten ist die Begradigung deutlich erkennbar.[4] Diese Begradigungen entstanden nicht nur durch Landgewinn als Mittel zum Zweck, sondern sollten vor allem auch dem besseren Vorankommen der Schiffe und Kähne, die das Tief befuhren, dienen. Weitere, bedeutende Änderungen des Wasserverlaufs wurden im Jahre 1751 mit der Durchgrabung des Hayen Hochmoores sowie 1771 im Rahmen der Planungen zum (wegen zu hoher Kosten nicht erfolgten) Baus eines Sieles nahe Pekelhering durchgeführt. Auch in den Jahren 1783, 1804, 1840 und 1878 wurde der Gewässerverlauf geändert worden sein.[5][6] Eine erste Veränderung des Verlaufs wurde aber wohl bereits um 1583 durchgeführt, als das Gewässer weiter gen Süden verlegt wurde. Bis dahin verlief es in etwa über das heutige Doornkaatgelände bis in Höhe Steenbalgen, in dessen Nähe sich auch das Erste Siel befand. Letztlich hatten die Begradigungen nicht den erwünschten Erfolg, vielmehr war ab 1830 der Einsatz von Lotsen nötig, um größeren Schiffen das Einfahren in den Hafen zu ermöglichen.[7]

Bei Begradigungsarbeiten im Jahre 1840 kam es zu Unruhen unter den Arbeitern, die derart schwerwiegend gewesen sein müssen, dass 55 hannoversche Infanteristen im Sommer des Jahres als Hilfspolizisten für mindestens drei Wochen dorthin abkommandiert wurden. Aus den umliegenden Ortschaften zog man weitere für zwei Monate alle verfügbaren Landgendarmen zusammen und quartierte sie in der Nähe ein.[8]

Mit der zunehmenden Verlandung des Tiefs und dem Bau des Leybuchtsiels im Jahre 1929 verlor das Norder Tief seine Bedeutung als Wasserstraße. Damit begann der Aufstieg des Norddeicher Hafens. Zeitgleich wurde das Norder Tief deutlich verbreitert und durch ein Heer hunderter Arbeiter unter Führung Popke Fegters geräumt.[9]

Verschlickung

Bis zum Bau des Leybuchtsiels war das Norder Tief massiver Verschlickung unterworfen. Zur Reinigung wurden sogenannte Mudder- und Schlickploge benutzt, kleine Boote, an denen eine hölzerne Wand und Seitenflügel befestigt waren, die den Schlick bei ablaufendem Wasser vor sich herschoben und den Fluss so reinigten.[5]

Unglücksfälle

Insbesondere in den Wintermonaten fror das Eis in früheren Jahren relativ schnell zu. Dadurch war das Tief ein beliebter Ort zum Wandern, Schlittschuhfahren und auch Klootschießen. Da das Eis teilweise an einigen Stellen nicht so fest war, wie es scheint, kam es einige Male zu Unglücksfällen mit teils tragischem Ausgang. So ertranken beispielsweise am 2. Januar 1864 sechs Arbeiter der Eisenhütte, nachdem sie beim Klootschießen durch das Eis gebrochen waren. Die letzte Leiche konnte erst mit dem Einsetzen des Tauwetters am 8. März geborgen werden.[10]

Galerie

Einzelnachweise

  1. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 44
  2. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 174
  3. Beschreibung von Leybuchtpolder in der historischen Ortsdatenbank der Ostfriesischen Landschaft
  4. Preußische Grundkarte von ca. 1895 (Erste Landesaufnahme)
  5. 5,0 5,1 Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 77
  6. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 215f.
  7. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 217
  8. Canzler, Gerhard (1989): Handel und Wandel, Norden, S. 52
  9. Ramm, Heinz (1989): Popke Fegter (1874-1946). Sein Leben und sein Wirken im Norderland, Norden, S. 19f.
  10. Ocken, Ihno (1996): Entstehung und Entwicklung des Sports in der Stadt Norden, Norden, S. 31

Siehe auch