Itzendorfer Schule

Aus Norder Stadtgeschichte
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Itzendorfer Schule

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Basisdaten
Entstehungszeit 1936
Erbauer Gemeinde Westermarsch II
Bauweise Ziegelsteinbau
Entwidmung 1966
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Ziegeleistraße 2 A

26506 Norden

Die Itzendorfer Schule war, wie der Name bereits vermuten lässt, die Schule von bzw. in Itzendorf. Sie war der Nachfolgebau der Alten Itzendorfer Schule. Das bis heute erhaltene Gebäude wurde bis 1966 für Schulzwecke genutzt und befindet sich seitdem in Privatbesitz.

Geschichte

1936 wurde das baufällige Schulgebäude der Alten Itzendorfer Schule abgebrochen und etwas weiter südöstlich der bis heute bestehende Bau errichtet.[1] Während des Zweiten Weltkrieges musste der Itzendorfer Lehrer zeitweise an der Westerhörner Schule aushelfen, da der dortige Lehrer zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Der Schulbetrieb wurde erst im Herbst 1945 wieder aufgenommen.[2] 1966 wurde das Schulgebäude durch Zentralisierungsmaßnahmen entwidmet und an einen Privatmann verkauft.[3] Bereits ab 1961 wurden die 7. bis 9. Jahrgänge an die Alte Norddeicher Schule umgeschult.[4]

Zeitzeugenberichte

Bericht des ehemaligen Schülers Alfred Bohlen (in niederdeutscher Sprache; mit hochdeutscher Übersetzung), vorgetragen im September 2002 bei einem Schultreffen.[5]

Niederdeutscher Wortlaut:

In Märt 1942 bün ick van't Marktschool in Nörden na't Itzendörper School kamen. Dat weer een heel groode Umstellen, man ick hebb futt begrepen, dat uns Mester Daniels all 64 Schölers in sien Klass wat bibrengen kunn - ok de Kinner, de wat minner Künn harren. Mester weer leevhartig, man he kunn ok streng wesen, dat weer bi all de Trabanten seker nett anners mögelk.

Dat Fack Musik haaren wi all tosammen, Lüttjen un Groten. Wi sungen Volksleeder un mussen de dann utwennig lehren. In de Kriegsjahren harren wi faken blot een up anner Dag School, vörmiddags und nahmiddags. Dat leeg doran, dat uns Mester nu ok in Westerhörn unnerrichten muss, wiel de Schoolmester van dor na't Militär muss. De Tour van Itzendörp na Westernhörn und weer torügg fuhr he mit Rad und dat bi Wind und Weer. Faken genoog - meest in de Wintermaanten - stunn de Kleiweg van Groode Plaaats bit na Westerhörn unner Water, dann muss Mester sien Rad schuven.

As wi teihn Jahr old weeren, sünd all de Jungs in d'Jungvogel intreden, wi weeren nu Pimpfe, kregen een Uniform un harren Dienst of moken Geländespölen. Uns Mester weer ok in d'Partei, dat muss he ja seker, um dat he sien Arbeitsstee as Mester behull, man he weer kien Nazi. Noit hett he uns in sien Unnerrcht mit Nazi-Parolen belemmert, för hum kwem dat dor völ mehr up an, uns Lesen un Schrieven bitobrengen.

As de Krieg 45 to Enn weer und de Tommies kwemen, dürs uns Mester nett as anner Berufskollegen ok neet mehr unnerrichten. Se harren in'd Partei west un wurren nu entnazifiert. In Sömmer 45 harren wi heel kien School, do kwem dat d'r neet up an, man in Harst 45, as dat weer anfung mit School, do murken wi heel fell, dat Mester Daniels uns fehlen de. Nüms, de na hum kwem, kunn mit sovööl Kinner in een Klass torecht komen. Wat werren wi blieb, as later Mester Daniels weer in d'Klass stunn. He allenig kunn sovöl Kinner rementen. Wi weeren mit all de Flüchtlingskinner, de na d'Krieg in uns Klass kwemen, anto negentig Kinner und dat in een Ruum.

Wi hebben uns mit de Flüchtlingskinner an un för sück good verstann, wenn se ok blot Hochdütsch kunnen. Man wi hebben hör uns Platt bibrocht: Na een Jahr kunnen de meesten Platt proten. Wat dat Hochdütschke angeiht. Menningeen van uns harr dor sien Last mit. Eenmal hett een van mien Mackers, Fietje, an Tafel schreven: "Der Schleef hing an das Gemäuer.". He haar 'n Soppenlepel meent, man dat hochdütsch Wort nett neet wusst. As Mester dat sech, meende he: "Du büst mi 'nen moien Sleef!". He meende de danner Bedüden van dit Word. Sleef, de Dööslapp, een Dööskopp.

Up een anner Maal harren wi Jungs de oll Christoph B., de alltied mit Pantjewagen bi d'School vörbifuhr, vernaar bruukt, do kregen twee van uns 'n Strafarbeit up van Mester Daniel. Se mussen 100 mal upschrieven: "Vor einem greisen Haupte sollst Du Dich beugen und das Alter ehren!".

In de Jahren na d'Krieg mussen wi uns Schoolböken uttuschen. Schriefhevten geev dat heel un dall nett. Man wi wussen Rat: Wi hoolen uns van de Granatdarr "Fietje" - de lagg achtert' Diek - Etiketten ut Papier, de wurren annertieds as Schiller för de Meersoltbuddels bruukt. Nu laggen de dor up Drubbels rum un kwemen uns rein topass: Wi maken uns dor Heften ut, wo wi up schrieben kunnen, tja, Minske mutt sück bloot to helpen weten.

Anfang Märt 47 weer för uns de School to Enn, wi kregen uns Offgangstügnis - un maken Bott för anner Kinner. Bleeven sünd de Erinnerungen un de Biller van uns Schooltied in Itzendörp.

Hochdeutsche Übersetzung:

Im März 1942 bin ich von der Marktschule in die Itzendorfer Schule gekommen. Das war eine sehr große Umstellung, aber ich habe schnell begriffen, dass unser Lehrer Daniels allen 64 Schülern in seiner Klass etwas beibringen kann. Auch die Kinder, die einen etwas geringeren Verstand hatten. Der Lehrer war gutherzig. Zwar konnte er auch streng werden, doch war das bei den ganzen Rabauken sicher auch nicht anders möglich.

Das Fach Musik hatten wir alle zusammen, Kleine und Große. Wir sangen Volkslieder und mussten diese dann auswendig lernen. In den Kriegsjahren hatten wir manchmal bloß an einzelnen Tagen unterricht, vormittags und nachmittags. Das lag daran, dass unser Lehrer nun auch in Westerhörn unterrichten musste, da der dortige Lehrer zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Die Fahrt von Itzendorf nach Westerhörn und wieder zurück fuhr er bei Wind und Wetter mit dem Rad. Manchmal, meist in den Wintermonaten, standen die Kleiwege (Anm.: Unbefestigte Wege über den kleihalten Marschboden) vom Großen Platz (Anm.: Plaats = Hof) bis nach Westerhörn unter Wasser. Dann musste der Lehrer sein Rad schieben.

Als wir zehn Jahre alt waren, traten alle in das Jungvogel (Anm.: Hitlerjugend) ein. Wir waren jetzt "Pimpfe", kriegten eine Uniform und hatten Dienst oder machten Geländespiele. Unser Lehrer war auch in der Partei (Anm: NSDAP), das musste er ja sicher, um seine Arbeitsstelle als Lehrer zu behalten. Aber er war kein Nazi. Nie hat er uns in seinem Unterricht Nazi-Parolen belästigt, für ihn kam es viel mehr darauf an, uns Lesen und Schreiben beizubringen.

Als der Krieg 1945 zu Ende war und die Tommies (Anm.: Briten) kamen, durfte unserer Lehrer wie viele andere seiner Berufskollegen auch nicht mehr unterrichten. Sie waren in der Partei und wurden nun entnazifiziert. Im Sommer 1945 hatten wir sowieso keine Schule, darum kam es darauf nicht an. Aber im Herbst 1945 als es wieder mit der Schule losging, merkten wir schnell, wie sehr uns unser Lehrer Daniels fehlte. Niemand, der nach ihm kam, konnte mit sovielen Kindern in einer Klasse zurechtkommen. Wir waren froh, als Lehrer Daniels später wieder in unserer Klasse stand. Er alleine konnte soviele Kinder bändigen. Wir waren mit all den Flüchtlingskindern, die nach dem Krieg in unsere Klasse kamen, an die 90 Kinder in einem Raum.

Wir haben uns mit den Flüchtlingskindern an und für sich gut verstanden, auch wenn sie bloß Hochdeutsch konnten. Aber wir haben ihnen unserer Plattdeutsch beibgebracht: Nach einem Jahr konnten die meisten Plattdeutsch sprechen. Was das Hochdeutsche angeht: Manche von uns hatten da ihre Schwierigkeiten mit. Einmal hat einer meiner Freunde, Fietje, an die Tafel geschrieben: "Der Schleef hing an das Gemäuer.". Er meinte damit den Suppenlöffel, aber wusste das hochdeutsche Wort dafür nicht. Als unser Lehrer das sah, meinte er: "Du bist mir ein schöner Dussel". Damit meinte er die andere Bedeutung des Wortes, das soviel wie "Dussel" oder "Dummkopf" bedeutet.

Ein anderes Mal hatten wir Jungs den alten Christoph B., der immer mit seinem Pantjewagen (Anm.: Eine landwirtschaftliche Kutsche) an der Schule vorbeifuhr, auf den Arm genommen. Da haben zwei von uns eine Strafarbeit von Lehrer Daniels aufbekommen. Sie mussten 100 Mal aufschreiben: "Vor einem greisen Haupte sollst Du Dich beugen und das Alter ehren!".

In den Jahren nach dem Krieg mussten wir unsere Schulbücher austauschen (Anm.: Aufgrund der Entnazifierung des Lehrmaterials). Schreibhefte waren Mangelware. Aber wir wussten Rat. Wir holten uns von der Granatdarre (Anm.: Eine Granatverarbeitende Fabrik) "Fietje" - die lag hinter dem Deich - Etiketten aus Papier. Die wurden ansonsten für die Schilder für die Meersalzflaschen gebraucht. Nun lagen da die Haufen rum, was uns sehr gelegen kam. WIr machten daraus unsere eigenen Hefte, in denen wir nun schreiben konnten. Tja, der Mensch muss sich bloß zu helfen wissen.

Anfang März 1947 war unsere Schulzeit zu Ende. Wir kriegen unsere Abschlusszeugnis und machten Platz für andere Kinder. Geblieben sind die Erinnerungen und die Bilder unserer Schulzeit in Itzendorf.

Lehrkräfte

Zeitraum Vollständiger Name
1936 - 1957 Rikus Hinrichs Daniels
1957 - ??? Fooke Alts Gerdes
??? - 1966 Siegfried Fuß

Schülerzahlen

Schuljahr Anzahl
1945 - 1946 ca. 90
um 1951 78

Galerie

Einzelnachweise

  1. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 40
  2. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 44
  3. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 41
  4. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 131
  5. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 44

Siehe auch