Landkreis Norden

Aus Norder Stadtgeschichte
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Landkreis Norden

Wappen
Basisdaten
Bestandszeitraum 1885-1977
Fläche 649,71 km²
Einwohner 86.500 (30.06.1977)
Bevölkerungsdichte 133 Einwohner/km²

Der Landkreis Norden wurde 1885 als Nachfolger des Amtes Norden gegründet und ging im Zuge der niedersächsischen Kreisreform im Jahr 1977 in den Landkreis Aurich auf. Er umfasste neben der Stadt auch die (Samt-)Gemeinden Baltrum, Brookmerland, Dornum, Großheide, Hage, Hinte, Juist, Krummhörn und Norderney. Der Hauptsitz befand sich am Fräuleinshof in Norden, woran heute noch der Straßenname Landratslohne erinnert. Die Gebiete des ehemaligen Landkreis Norden werden auch als Altkreis Norden bezeichnet.

Geschichte

1867 wurde das Königreich Hannover, zu dem Ostfriesland bis dahin gehörte, von Preußen annektiert und zu einer Provinz im Königreich Preußen. 1885 bildeten die Preußen schließlich aus dem Amt Norden und der Stadt Norden den Landkreis Norden.[1]

Zum Landkreis Norden gehörten zunächst die Städte Norden (Kreissitz) und Norderney sowie die (Insel-)Gemeinden Juist und Baltrum. Ferner umfasste der Landkreis die Gebiete der heutigen Gemeinden Brookmerland, Hage, Großheide und Dornum. Diese Gemeinden bilden das historische Norderland. Mit der Auflösung des Landkreis Emden im Jahr 1932 kamen die Gebiete der heutigen Gemeinden Hinte und Krummhörn sowie die Gemeinden Larrelt, Harsweg, Logumer Vorwerk, Twixlum, Uphusen und Wybelsum zum Kreisgebiet. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 wurden die Gemeinden Larrelt und Harsweg vom Landkreis Norden an die nun kreisfreie Stadt Emden abgegeben, 1946 auch die Gemeinde Uphusen.

Das Landratsamt am Fräuleinshof.
Straßenwärter des Landkreises Norden (1934).

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war von großer wirtschaftlicher Not und einem Mangel an Wohnraum geprägt. Das eher dünn besiedelte Kreisgebiet bot durch die vielen Flüchtlingen (8.000) sowie versprengte Soldaten (80.000) plötzlich einer mehr als doppelt so hohen Zahl an Menschen wie eigentlichen Einwohnern (64.000) eine neue (provisorische) Heimat.[2] In den Folgemonaten kamen abertausende weitere Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten hinzu. Trotz des enormen Umfangs anzustehender Aufgaben entließen die Briten 43 Beamten - und damit einen Großteil des Verwaltungsapparates - wegen ihrer (ehemaligen) Mitgliedschaft in der NSDAP.[3]

Die britische Militärregierung wurde im Kreis Norden durch Oberstleutnant (Lieutenant Colonel) W. G. Mackay vertreten. Die Briten hatten fortan die faktische Befehlsgewalt über die gesamte Verwaltung und die Bevölkerung. Der neue, von den Briten mit 46 (deutschen) Mitgliedern ihrer Wahl besetzte Kreistag kam erstmalig im Februar 1946 zusammen. Er bestand aus vier Hausfrauen, fünf Beamten, acht Arbeitnehmern, acht Landwirten, fünf Kaufmännern und Gewerbetreibenden, sieben Angehörigen geistiger Berufe sowie 17 Arbeitnehmern.[4] Wegen der von ihnen verordneten Besetzung des Kreistags hatten die Briten natürlich deutlichen Einfluss auf die Wahl von Reedereibesitzer Carl Stegmann zum Landrat. Da die ersten freien Kreistagswahlen im Oktober 1946 jedoch zugunsten der SPD ausfielen. blieb Stegmann nur kurzfristig im Amt und musste seinen Posten daraufhin für Georg Peters räumen.[5] Im Juni 1947 übergaben die Briten den Großteil der politischen Kontrolle und Verantwortung zurück an die ostfriesischen Stellen, behielten sich jedoch weiterhin ein nicht unerhebliches Veto-Recht in wichtigen Angelegenheiten vor.[6]

Im Zuge der niedersächsischen Kommunalreform 1972 kamen auch Twixlum, Wybelsum und Logumer Vorwerk zu Emden, dafür aber die bis dahin zum Landkreis Wittmund gehörenden Gemeinden Roggenstede, Westeraccum, Westeraccumersiel und Westerbur zum Landkreis Norden. Die genannten Orte wurden in die Gemeinden Dornum und Dornumersiel eingegliedert. Insgesamt wurde durch die Kommunalreform die Zahl der Gemeinden des Kreises von 70 im Jahre 1971 auf zuletzt 21 verringert.[7] Die Kommunalreform und bevorstehende Kreisreform wurden zu damaliger Zeit lange debattiert, und insbesondere im Altkreis Norden gab es heftigen Widerstand gegen die drohende Abgabe des eigenen Kreissitzes nach Aurich im Zuge der geplanten Fusion. Der Kreisauflösung gingen jahrelange Verhandlungen und Proteste voran, die sich letztlich als wirkungslos zeigten.[8]

Durch die Kreisreform wurde der Landkreis Norden allen Widerständen zum Trotz jedoch durch Beschluss aus Hannover zum 1. August 1977 in den Landkreis Aurich eingegliedert. Aurich war auch in früheren Zeiten für das ostfriesische politische Geschehen bedeutender als Norden (Standort des Upstalsboom, Sitz der späteren ostfriesischen Grafen bzw. Fürsten, Sitz der Bezirksregierung, Sitz zahlreicher Behörden und Ämter) und zudem nicht in den 1970er in derart schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen wie Norden, was sicherlich bei den Fusionsüberlegungen eine Rolle gespielt haben mag.

Aufgrund der großen Entfernung zum Kreissitz Aurich befinden sich bis heute noch Teile der Kreisverwaltung des (neuen) Landkreis Aurich in Norden, darunter Außenstellen des Gesundheitsamtes, des Jugendamtes, des Straßenverkehrsamtes und des Sozialamtes.

Sonstiges

Der Landkreis Norden galt früher als vergleichsweise wohlhabend, vor allem dank einiger Industriebetriebe in der Stadt Norden wie etwa dem Spirituosenhersteller Doornkaat, der Norder Eisenhütte und der Tabakmanufaktur Steinbömer & Lubinus sowie aufgrund der Tatsache, dass hierzulande viel fruchtbares Marschland mit guten Ernteerträgen vorliegt. Die Landwirtschaft allerdings beschäftigt heute nur eine deutlich geringere Zahl an Menschen, und auch manche Norder Betriebe sind inzwischen nicht mehr existent. Der Doornkaat etwa wird seit der Übernahme durch den Spirituosenherstellers Berentzen im emsländischen Haselünne hergestellt. Somit gilt das Gebiet des ehemaligen Landkreises Norden heute als strukturschwach mit überdurchschnittlicher Arbeitslosenquote.

Am 1. Juli 1956 wurde dem Landkreis bei der Einführung der bis heute gültigen Kfz-Kennzeichen das Unterscheidungszeichen NOR zugewiesen. Es wurde bis zum 4. April 1978 ausgegeben. Seit dem 15. November 2012 steht es im Zuge der Kennzeichenliberalisierung im Landkreis Aurich zur Verfügung.

Ein Polizeibeamter beobachtet eine Demonstration auf dem Marktplatz gegen die Auflösung des Landkreises Norden (1977).
Aufkleber aus der Zeit der Kommunalreform Anfang der 1970er Jahre

Wappen

Das Wappen wurde am 3. November 1948, also etwa zwei Jahre nach Gründung des Landes Niedersachsen, eingeführt.[9] Es zeigt eine Windmühle (Galerieholländer) wie sie in Ostfriesland und auch in Norden vielfach zu finden war (z.B. die Deichmühle). Diese Mühle hält ein kleineres Wapper, um die einstige Bedeutung der Mühlen für die Lebensmittelversorgung zu verdeutlichen.

Der Adler im kleinen Wappen entstammt der in Norden einst einflussreichen Häuptlingsfamilie Beninga. Die um diesen Adler zu sehenden, goldenen Sporenräder entstammen dem Stadtwappen von Norden und sind dem Familienwappen der ebenfalls einst einflussreichen Häuptlingsfamilie Idzinga entnommen.

Rechts neben dem Adler ist ein Siel, wahrscheinlich das Fridericussiel oder das Große Norder Siel zu erkennen. Die Wellen und das Siel veranschaulichen die Lage des Landkreises Norden am Meer und die durch die tiefe Lage erforderliche Entwässerung. Die Farben blau und gelb sind die Stadtfarben Nordens und finden sich ebenfalls in dessen Wappen.

Landräte

Amtszeit Vollständiger Name Anmerkung
1885-1891 Georg von Borries
1891-1894 Heinrich Schulze-Pelkum
1894-1919 Hermann Bayer
1919-1921 Max Schede Kommissarisch.
1921-1941 Max Schede
1941-1942 Ulrich Hühn
1942-1943 Dr. Henry Picker Zuvor im Führerhauptquartier tätig. Wurde 1943 zum Kriegsdienst einberufen.
1943-1945 vakant Das Landratsamt wurde vom Leeraner Landrat Windels mitverwaltet.
1945-1945 Friedrich-Wilhelm Fleischer Ehemaliger Admiral. Letzter von den Nationalsozialisten eingesetzter Landrat.
1945-1945 Meint Janssen Kommissarisch. Wurde nachfolgend Oberkreisdirektor.
1945-1945 Dr. Wessel Nordbeck Erster (irregulärer) Landrat der Nachkriegszeit.
1946-1946 Carl Stegmann Erster regulärer Landrat der Nachkriegszeit.
1946-1949 Georg Peters
1949-1952 Johann Fischer
1952-1956 Kuno Behrends
1956-1964 Georg Peters
1964-1972 Carl Ewen
1972-1976 Georg Peters
1976-1977 Hinrich Swieter Letzter Landrat des Landkreises Norden.

Oberkreisdirektoren

Amtszeit Vollständiger Name Anmerkung
1945-1960 Meint Janssen Erkrankte 1958 schwer und wurde seit 1959 von seinem Nachfolger vertreten.
1960-1977 Ihno Alberts War bereits zuvor als Stellvertreter tätig und übernahm bereits ab 1959 die kommissarischen Amtsgeschäfte.

Bevölkerungsentwicklung

Jahr Einwohner
1885 43.756
1890 33.002
1900 35.333
1905 47.991
1906 35.271
1910 36.600
1925 54.361
1933 57.465
1939 60.286
1946 79.548
1950 83.069
1955 76.411
1961 75.872
1970 82.871
1977 86.500

Gliederung

Gemeinde eingemeindet
nach
Datum der
Eingemeindung
Arle Großheide 1. Juli 1972
Baltrum
Berum Hage 1. Juli 1972
Berumbur
Berumerfehn Großheide 1. Juli 1972
Blandorf-Wichte Hage 1. Juli 1972
Campen Krummhörn 1. Juli 1972
Canhusen Hinte 1. Juli 1972
Canum Krummhörn 1. Juli 1972
Cirkwehrum Hinte 1. Juli 1972
Dornum
Dornumergrode Dornumersiel 1. Juli 1972
Dornumersiel
Eilsum Krummhörn 1. Juli 1972
Freepsum Krummhörn 1. Juli 1972
Greetsiel Krummhörn 1. Juli 1972
Grimersum Krummhörn 1. Juli 1972
Groothusen Krummhörn 1. Juli 1972
Groß Midlum Hinte 1. Juli 1972
Großheide
Hage
Hagermarsch
Halbemond
Hamswehrum Krummhörn 1. Juli 1972
Harsweg Emden 1. Oktober 1945
Hinte
Jennelt Krummhörn 1. Juli 1972
Juist
Junkersrott Hagermarsch 1. Juli 1972
Krummhörn
Larrelt Emden 1. Oktober 1945
Leezdorf
Leybuchtpolder Norden 1. Juli 1972
Lintelermarsch Norden 1. Juli 1972
Logumer Vorwerk Emden 1. Juli 1972
Loppersum Hinte 1. Juli 1972
Loquard Krummhörn 1. Juli 1972
Lütetsburg
Manslagt Krummhörn 1. Juli 1972
Marienhafe
Menstede-Coldinne Großheide 1. Juli 1972
Nesse
Neßmersiel Nesse 1. Juli 1972
Neuwesteel Norden 1. Juli 1972
Norden
Norderney
Osteel
Osterhusen Hinte 1. Juli 1972
Ostermarsch Norden 1. Juli 1972
Pewsum Krummhörn 1. Juli 1972
Pilsum Krummhörn 1. Juli 1972
Rechtsupweg
Rysum Krummhörn 1. Juli 1972
Sandbauerschaft Norden 1. April 1919
Schwittersum Dornum 1. Juli 1972
Siegelsum Upgant-Schott 1. Juli 1972
Süderneuland I Norden 1. Juli 1972
Süderneuland II Norden 1. Juli 1972
Süderpolder Neuwesteel 1. Oktober 1939
Suurhusen Hinte 1. Juli 1972
Tjüche Marienhafe 1. Juli 1972
Twixlum Emden 1. Juli 1972
Upgant-Schott
Uphusen Emden 1. April 1946
Upleward Krummhörn 1. Juli 1972
Uttum Krummhörn 1. Juli 1972
Visquard Krummhörn 1. Juli 1972
Westdorf Nesse 1. Juli 1972
Westerende Großheide 1. Juli 1972
Westerhusen Hinte 1. Juli 1972
Westermarsch I Norden 1. Juli 1972
Westermarsch II Norden 1. Juli 1972
Wirdum
Woltzeten Krummhörn 1. Juli 1972
Woquard Krummhörn 1. Juli 1972
Wybelsum Emden 1. Juli 1972

Einzelnachweise

  1. Kreisordnung für die Provinz Hannover von 1884, abgerufen am 18. Mai 2021
  2. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 244
  3. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 100
  4. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 101
  5. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 54
  6. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 45
  7. Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden im Raum Emden – Norden – Aurich – Wittmund
  8. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 77
  9. Beschreibung des Kreiswappens auf Heraldywiki, abgerufen am 18. Februar 2021

Siehe auch